Kataloge, Rezensionen

Ralph Melcher/Christoph Wagner (Hg.): Die Brücke und der Exotismus. Bilder des Anderen, Gebr. Mann 2011

Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum präsentiert dieser Tage die großen und kleinen Botschafter der Moderne. Auch die Publikation »Die Brücke und der Exotismus« widmet sich aus verschiedenen Blickwinkeln den Verbindungen zwischen gemalten Südseeträumen, Paul Gauguin sowie Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner und den anderen Mitgliedern der Künstlergruppe. Jana Pippel hat das Buch gelesen.

Für viele Künstler bedeutete zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts die »exotische Fremde« eine große Inspirationsquelle. Neues sollte durch sie geschaffen und gleichzeitig Tradiertes kritisiert werden. Paul Gauguin und seine Karibikaufenthalte gelten seit langem als Initialzündung dieser Entwicklung. Vor allem bei der Künstlergruppe der Brücke erzeugten diese Reisen einen großen Eindruck. Das Ziel der Künstler war die Erneuerung der Kunst und die Rückbesinnung auf eine als verloren empfundene Ursprünglichkeit.

Wissenschafter erörtern nun in 13 Fallbeispielen die Beziehung der Brücke zum Exotismus. Besonders beeindruckend ist dabei sowohl die inhaltliche Bandbreite der einzelnen Aufsätze als auch die interdisziplinäre Herangehensweise. Vor allem literarische Strömungen und philosophische Ansätze werden häufig für Vergleiche oder zur Veranschaulichung von Zusammenhängen und Entwicklungen herangezogen. Dass dabei einige Doppelungen auftreten, schmälert in keiner Weise den Wert der Publikation. Im Gegenteil, einzelne Sachverhalte werden dadurch noch betont, vertieft und erweitert. So hat der Leser am Ende seiner Lektüre keinen Zweifel mehr an der Bedeutung Nietzsches für die Brücke.

Die Beiträge beruhen auf Vorträgen, die während eines Symposiums anlässlich der Ausstellung »Die Brücke in der Südsee − Exotik der Farbe« im Saarlandmuseum gehalten wurden. Die Bandbreite reicht von Untersuchungen zur Rezeption Gauguins und fremder Kulturen durch die Brücke-Künstler über eine Analyse der verschiedenen Maltechniken, der Motivik bis zur Rezeption der Brücke-Künstler durch nachfolgende Künstlergruppen und Entwicklungen. Der Leser erfährt unter anderem, was die Brücke-Künstler so sehr an Gauguin faszinierte und warum er als derjenige gilt, der den Exotismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts fest verankert hat. Exotische Kunst lässt schnell an Motive wie Inseln und Meeransichten denken, doch auch das Kind ist ein häufig gewähltes Motiv der Brücke. Es gilt als der Bilderwelt des Ursprünglichen angehörig, symbolisiert eine noch nicht entfremdete Natur und ermöglicht gleichzeitig die Kritik an der bürgerlichen Körperfeindlichkeit. Wie dieses Motiv im Einzelnen in der Kunst der Brücke verarbeitet wurde, kann der Leser ebenso entdecken wie die Bedeutung der Werkstoffhaftigkeit des Materials Holz und seine Bedeutung für die skulpturale Kunst. Dies sind nur wenige Beispiele des umfangreichen inhaltlichen Spektrums.

Der einzige Kritikpunkt, der hier erwähnt werden muss, betrifft die Abbildungen. Das Buch ist zwar reichlich bebildert, jedoch fällt der Anteil an Farbabbildungen sehr gering aus. Das ist besonders schade. Wie die Autoren immer wieder festhalten, waren die Brücke-Künstler an der beträchtlichen Ausdrucksmacht des exotischen Kolorits höchst interessiert. Vielen galt die bunte Farbigkeit nicht nur als bedeutendes Mittel, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Sie war neben Grundierung und Firnis mittels Variationen in der Stärke des Farbauftrags oder der Farbkonsistenz selbst materielles Gestaltungsmittel. Man wünscht sich im Abbildungsteil mehr davon.

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