Buchrezensionen

Regina Bucher/Ina Hildburg/Sebastian Möllers (Hg.): Hermann Hesse. Mit Feder und Farbe. Werke aus dem Nachlass Heiner Hesse, Hatje Cantz 2014

Der Name Hermann Hesse steht für große literarische Werke – aber nicht ausschließlich, wie die jüngst im Hatje Cantz Verlag erschienene Publikation farbenprächtig unter Beweis stellt. Denn neben Hesses Lyrik und seinen Erzählungen sowie den populären Romanen »Der Steppenwolf« oder »Das Glasperlenspiel« hat der Literaturnobelpreisträger sich schon früh in Zeichnungen und Aquarellen ausgedrückt. Verena Paul hat den reich bebilderten Band gelesen.

Mit dem Katalog »Hermann Hesse. Mit Feder und Farbe« wird zunächst das Augenmerk auf das zeichnerische Œuvre Hesses gelegt, um anschließend die Beziehung zwischen Hermann Hesse und seinem Sohn Heiner zu beleuchten, der sich des väterlichen Nachlasses »mit Hingabe und großem Verantwortungsbewusstsein«, so Regina Bucher, annahm. Dabei findet sowohl eine behutsame kunsthistorische Annäherung an die bisweilen farbkräftigen, von markanter Hand entworfenen Zeichnungen statt, als auch eine spannende Entdeckungsreise zweier Kreativer, die noch dazu Vater und Sohn waren.

Doch zuvor gibt Ina Hildburg in ihrem Beitrag »Hermann Hesse und die Zeichnung. Im ›Eifer des Festhaltenwollens‹« den Lesern einen wissenschaftlich profunden Einblick in die Entwicklung des Zeichners Hermann Hesse, der – wie auch der Literat – gerne eigene Wege beschritten hat. Dabei war es vor allem die bildende Kunst, die Hesse als Ausweg galt, »um in bittersten Zeiten das Leben ertragen zu können und um Distanz von der Literatur zu gewinnen.« Durch klare Struktur, zahlreiche Bildbeispiele sowie klug ausgewählte Zitate fühlt sich die Autorin in das zeichnerische Werk ein und schlägt im Zuge dessen immer wieder gekonnt die Brücke zum Schriftsteller, der seine Maltätigkeit kommentierend begleitete – und in seiner Erzählung »Klingsors letzter Sommer« schließlich das Seelenleben eines Malers ins Zentrum rückte. Für Hildburg ist die sich gegenseitig befruchtende künstlerische Doppelbegabung Hesses ein reicher Fundus, der – so ihre Diagnose – »Hermann Hesse und seine Bilder, abseits der künstlerischen Entwicklungen der Moderne, einmalig« macht.

Nach einer von Ina Hildburg und Regina Bucher komprimiert und übersichtlich gestalteten Biografie, widmet sich Bucher in ihrem Aufsatz »Auch wenn ich morgen sterben würde, wärest Du stets und für immer mein Sohn« der facettenreichen Beziehung von Hermann und Heiner Hesse. Obwohl der Sohn sich bisweilen gegen den Vater auflehnte und nicht selten kontroverse Ansichten zur Diskussion standen, darf dennoch von einer engen Verbindung gesprochen werden. So bekennt Heiner Hesse beispielsweise, dass er sich nie richtig von seinem Vater »abgenabelt« habe: »Sonst würde ich nicht seine Position mit so viel Emotion verteidigen. Und das tue ich.« Wie Bucher, konzentriert sich auch Silver Hesse in seinem Beitrag auf Heiner und Hermann Hesse, wobei seine Perspektive von familiärer Verbundenheit zeugt. Mit Hilfe von Anekdoten gelingt dem Autor eine intensive Annäherung an Vater und Großvater sowie die Verlebendigung zweier Menschen jenseits ihres künstlerischen Wirkens. Von Wärme ist auch Volker Michels Nachruf auf Heiner Hesse geprägt. Michels, Herausgeber der ersten Gesamtausgabe von Werken Hermann Hesses in 20 Bänden, würdigt darin den unermüdlichen Einsatz Heiner Hesses für das umfangreiche und vielgestaltige Werk seines Vaters und zeichnet zugleich das Porträt eines bescheidenen, abgeschieden lebenden und doch sehr offenen Menschen, der »wie sein Vater fast täglich Besucher, Forscher und Übersetzer aus aller Welt« empfing und deren Briefe mit Gewissenhaftigkeit beantwortete.

Resümee: Die im Hatje Cantz Verlag erschienene Publikation überzeugt durch informative, spannend zu lesende Beiträge, stimmungsvolle Erinnerungen von Zeitzeugen sowie durch die atmosphärisch dichten Zeichnungen und beschwingt anmutenden Aquarelle Hermann Hesses, der die zwei Seelen in seiner Brust wunderbar zu vereinen verstand. »[I]ch habe erst mit 40 Jahren zu malen begonnen«, formuliert er in einem Brief an die Basler Zeitung 1920 und fährt fort: »Sie werden sehen, daß zwischen meiner Malerei und Dichtung keine Diskrepanz herrscht, daß ich auch hier nicht naturalistischen, sondern der poetischen Wahrheit nachgebe.« Wer diesen Katalog in die Hand nimmt, wird überrascht sein, welch spielerische Kraft die Hesseschen Arbeiten besitzen, wenn sie Beobachtungen von Landschaften (mit oder ohne Häuser), Naturdetails oder Interieurs in einer überbordenden Farbenglut oder in pointierten Strichführungen bündeln. Ein wunderbarer Band, den ich nicht nur Hesse-Fans uneingeschränkt empfehlen möchte!

Diese Seite teilen

Besuchen Sie uns