Ausstellungsbesprechungen

Regionale 2. Von hier aus / From here on in, Pavillon der Overbeck-Gesellschaft, Lübeck, bis 7. September 2014

Zum zweiten Mal nach 2012 bietet der Pavillon der Overbeck-Gesellschaft den schleswig-holsteinischen Landesstipendiaten die Gelegenheit zur Präsentation ihrer Arbeiten. Insgesamt zwölf Künstler nutzen die Gelegenheit, im Behnhaus ihre Kunstwerke auszustellen. Stefan Diebitz hat es besucht.

Welches der zahlreichen Lübecker Museen ist das schönste? Vielleicht ist es das St. Annen-Museum mit seinen spätgotischen Räumen, in denen insbesondere die mittelalterliche sakrale Kunst einen wunderbaren Rahmen gefunden hat, vielleicht ist es aber auch das klassizistische Behnhaus vom Ende des 18. Jahrhunderts, dessen großbürgerliches Ambiente mit seiner lichten und hohen Diele ideal ist für die hochwertige Sammlung aus klassischer Moderne und Werken des 19. Jahrhunderts. Seinen Namen hat es von Georg Heinrich Behn, einem Lübecker Arzt, aber in seinem Garten befindet sich auch eine bekannte Plastik von Fritz Behn (1878 – 1970), und die meisten Besucher werden bei dem Namen des Hauses wohl an den Bildhauer denken.

Der in Güstrow geborene Fritz Behn ging einige Jahre in Lübeck zur Schule, und in Lübeck findet sich auch eine ganz Reihe seiner Plastiken, angefangen mit den beiden berühmten Löwen vor dem Burgtor. Im Garten des Behnhauses aber steht der »Fauchende Panther« als die vielleicht schönste dieser Plastiken. Es ist nicht leicht zu verstehen (oder zu akzeptieren), dass ein Künstler, der sich schon früh dem Rechtsextremismus zuwandte, derart eindrucksvolle Arbeiten schaffen konnte. Besonders für seine lebendigen Tierplastiken wurde dieser Bildhauer berühmt, dessen Leben sich eng mit dem deutschen Nationalsozialismus und dem italienischen Faschismus verband.

Ebenfalls nicht ganz leicht zu verstehen ist auch der Name der Overbeck-Gesellschaft, die sich ganz der Präsentation der zeitgenössischen Kunst verschrieben hat, aber Friedrich Overbeck (1789 – 1869) als ihren Patron nennt, also einen Maler, der zu den ersten Nazarenern gehörte und versuchte, eine religiöse Kunst im mittelalterlichen Geist zu schaffen. Welcher Maler befindet sich noch mehr im Widerspruch zur zeitgenössischen Kunst, die von der Overbeck-Gesellschaft fünf Mal im Jahr in einem Pavillon präsentiert wird? Dieser Pavillon, ein wegen seiner Schlichtheit für Ausstellungen sehr geeigneter Bau, befindet sich in einem geradezu paradiesischen Garten, in den der verzauberte Besucher aus dem Hinterausgang des Behnhauses tritt. Während man die wenigen Treppenstufen zum Pavillon hinuntergeht, passiert man eine kleine Reihe von Plastiken, zu denen auch der »Fauchende Panther« gehört, und darf unter anderem von alten Efeupflanzen umschlungene, mächtige Walnussbäume bewundern, die mit ihren weit gespreizten Ästen den hellgrauen Pavillon beschatten. Dieser Pavillon gilt zu Recht als einer der geeignetsten Plätze weit und breit, um zeitgenössische Kunst zu präsentieren – vielleicht einfach nur, weil sich das Gebäude selbst so weit zurücknimmt, aber auch, weil die Lichtverhältnisse im Inneren geradezu ideal sind.

Die Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein fördert auch Musiker, Autoren oder Theaterleute, aber die »Regionale 2« wird allein von den bildenden Künstlern bestritten. Ihr Untertitel erinnert an eine spektakuläre Düsseldorfer Ausstellung, die 1984 insgesamt 63, ausnahmslos arrivierte Künstler versammelte. Der Zweck dieser Ausstellung, an die heute ein Wikipedia-Artikel erinnert, bestand darin, es den Kölnern ordentlich zu besorgen, nämlich Düsseldorf als die wahre Hauptstadt der zeitgenössischen Kunst auszurufen – ein Zweck, der wohl im Wesentlichen erreicht wurde. Ja, und jetzt kommt die Lübecker Ausstellung mit demselben optimistischen Titel… Von stiller Bescheidenheit wird man da nicht sprechen wollen, darf aber vielleicht Ironie annehmen.

Der Eindruck, den der Besucher der diesjährigen »Regionale« erhält, ist sehr gemischt, denn die Arbeiten selbst sind fast durchweg von einer ganz ungehemmten Subjektivität geprägt, und noch mehr galt dies für die Kommentare der meisten Künstler, die der Berichterstatter bei der Vorstellung hören musste. So erklärte eine Künstlerin, bisher habe sie fast nur helle Bilder gemalt, nun aber setze sie sich mit dunklen Farben auseinander, und die meisten anderen Äußerungen klangen ähnlich. Warum aber sollte sich ein Besucher von Bildern oder Plastiken angezogen oder angeregt fühlen, wenn keine anderen Gründe angeführt werden, die seine Interessen wecken könnten? Es klänge etwas seltsam, wollte man objektive Gründe fordern, aber auf jeden Fall muss doch der Bereich des rein Persönlichen überschritten werden, wenn man das (oder doch wenigstens ein) Publikum erreichen will. (Für die Beschreibung und Bewertung der ausgestellten Arbeiten gilt nota bene dasselbe…)

Einigen Künstlern ist es zweifellos gelungen, ihr Publikum anzusprechen. Spektakulär gleich »Under palm trees« in der Diele des Behnhauses von Antje Feger und Benjamin Stumpf. Der auf drei Beistelltischen balancierende Kunstbaum (er soll aber aus den Überresten echter Palmen zusammengebastelt sein) ragt zu der hohen Decke des Behnhauses empor; neben ihm klettert die zweiflüglige Holztreppe in den ersten Stock. Als Begleitmusik fungiert das wilde und gefährliche Gesumse eines Bienenschwarms – natürlich vom Tonband.

Aber am meisten gefielen mir der letzte Raum im Pavillon mit den Arbeiten Jimok Chois und den Gemälden von Alexandra Eileen Gauss. Choi hat Rahmen zersägt und neu zusammengesetzt, und zwar seitenverkehrt und eng beieinander (in einer Art Petersburger Hängung), so dass die nicht zueinander passenden Teile einen neuen Rahmen ergaben. Und er hat auch Kruzifixe auseinander genommen – mitten hindurch durch den leidenden Jesus – ein Vorgang, der dem katholisch erzogenen Künstler eigenen Angaben zufolge nicht leicht gefallen ist. Jetzt hängen leere Rahmen an der Wand, an deren linker wie rechter Seite je ein halber Jesus hängt. Choi meinte nicht unwitzig, er habe Kunst schaffen wollen, die aus dem Rahmen falle.

Alexandra Eileen Gauss hat in ihren teils mit Acryl-, teils mit Ölfarbe gearbeiteten nächtlichen Bildern hell erleuchtete, aber einsame Orte abgebildet, deren Adresse sie in den Titeln genau angibt. Die bläulichen Farben und die Weite der Nacht erinnern von fern an Edward Hoppers »Nighthawks«, und die Stimmung, die Gauss erklärtermaßen einzufangen versuchte – nächtliche, von grellem Licht erhellte und im Grunde verstärkte Einsamkeit –, findet sich in ihren Bildern wirklich wieder. Allerdings denke ich noch darüber nach, ob ich Figuren auf ihren Bildern vermisse, die schließlich Hoppers Bild erst zu dem Meisterwerk machen, als das es uns allen gilt.

Unter dem Titel »Anordnung und Klarheit« hat sich Volker Tiemann selbstironisch auf einem Stuhl vor dem Föhrer Museum Alkersum porträtieren lassen: auf einem Stuhl auf einem Feldweg sitzend, stützt er auf dem Farbfoto den Kopf in die Hand, aber nicht wie Rodins berühmter »Denker«, sondern eher wie Walter von der Vogelweide (»Ich saz ûf eime steine, und dahte bein mit beine; dar ûf satzt ich den ellenbogen; ich hete in mîne hant gesmogen, daz kinne und ein mîn wange«). Es ist die Haltung der Melancholie, in der sich der aber ansonsten ausnehmend gut gelaunte Künstler abbilden ließ.

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