Kataloge

Reinhold Baumstark: Die Meisterwerke. DuMont Literatur und Kunst Verlag, München / Köln 2006

Dickes Buch - dünne Beiträge

Die Alte Pinakothek in München muss man nicht vorstellen. Sie ist in Deutschlands „heimlicher Hauptstadt“ fast so bekannt wie das Hofbräuhaus und die Allianz-Arena. - Zu Recht, ist sie doch das Ergebnis einer nahezu fünfhundertjährigen Kunstpflege und Sammlertätigkeit des Hauses Wittelsbach. Mit solchen einmaligen Sammlungen geht es wie mit dem Wasser oder, wie der Volksmund behauptet, wie mit dem Geld: wo welches ist, kommt was dazu; sie haben die Tendenz zusammenzufließen und sich in immer breiteren Strömen zu sammeln.

Die Alte Pinakothek ist das Mündungsgebiet eines zunächst herzoglichen, dann kurfürstlichen und schließlich königlichen Bilderschatzes. Dieser speiste sich aus den Galerien verschiedener Familienzweige, welche aus Düsseldorf, Mannheim, Zweibrücken, München und Schleißheim an der Isar zusammenflossen. Die Säkularisation von 1803 tat ein Übriges und verleibte noch über 1500 Gemälde aus ehedem kirchlichen Besitzungen der kurfürstlichen Sammlung ein. Zur selben Zeit wuchs mit dem Kronprinzen und späteren König Ludwig I. den Bayern ein Kunstfreund heran, der Unschätzbares aus der Zeit der italienischen Renaissance und der altniederländischen und –deutschen Meister zusammentrug, etwa durch den Ankauf  der Werke, welche die Brüder Boisserée von Dachböden geholt hatten und auch dem alten Goethe Bewunderung abverlangten.

Allein dreiunddreißigmal soll der zwanzigjährige Kronprinz während eines Paris-Aufenthaltes im Jahre 1806 das Musée Napoleon besucht haben. Hier muss auch die Idee geboren sein, einen vergleichbaren Musentempel in München zu errichten. Die Folgen sind bekannt: die stadtgeschichtlich einmalige Anlage des Königsplatzes mit Glyptothek, Propyläen und Antikenmuseum und ganz in der Nähe jene heute noch wachsende Konzentration von Museen und Bildungsinstitutionen auf einem Vorstadtareal. Zu Leo von Klenzes Alter Pinakothek wurde am 7. April 1826 der Grundstein gelegt, zehn Jahre später wurde sie eröffnet. Die majestätische Wirkung des Baus verdankt sich der wieder aufgenommenen blockhaften Form florentinischer Renaissancepaläste. Auch der Name „Pinakothek“ ist ein über die Alpen getragener Import des Griechen – und Italien-Bewunderers Ludwig. Wegweisend für die Bauaufgabe von Gemäldegalerien wurde auch die innere Aufteilung mit den unterschiedlich großen Hauptsälen und den parallel dazu geführten Kabinetten, in welchen die kleinen Formate zu besserer Wirkung kommen.

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Der im Januar diesen Jahres bei Du Mont neu erschienene Bestandskatalog wurde von Reinhold Baumstark, dem Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, betreut und mit einem Vorwort und einer Einführung versehen. Will man ihn richtig einschätzen, so muss man sich fragen, welche Funktion er zu erfüllen hat. Er soll die Nachfolge des 1983 erstmals erschienen Gesamtverzeichnisses antreten und ist der dritte Teil einer dreibändigen Erschließung der drei großen Münchner Pinakotheken. Seine Autoren sind die fünf Kuratoren der fünf Hauptabteilungen des Hauses: Marcus Dekiert, Konrad Renger, Martin Schawe, Helge Siefert und Cornelia Syre.

Von den mehr als 800 Gemälden zwischen dem Mittelalter und dem 18. Jahrhundert, welche in dem herrlichen Museum versammelt sind, wurden etwa 370 Meisterwerke ausgewählt. Im Vergleich zu seinem Vorgänger wurde in diesem Interims-Katalog die Anzahl der besprochenen Werke also deutlich reduziert. Der Aufbau ist klar und einsichtig: Auf die monographischen Bildbesprechungen, die weder historisch noch nach Schulen, sondern streng alphabetisch angeordnet sind, folgen im zweispaltigen Anhang die Künstlerbiographien (4 pro Seite; Verfasser: Annette Kranz, Barbara Palmbach; Konrad Renger). Zudem setzte die redaktionelle Konzeption eine klare Beschränkung fest: Ob Dürers „Selbstbildnis im Pelzrock“ von 1500, ob Rembrandts „Heilige Familie“ oder Rubens „Geißblattlaube“, ob Bouchers Portrait der Madame de Pompadour, ob Altdorfers „Alexanderschlacht“ oder Raphaels „Tempi-Madonna“ – für jedes Meisterwerk eine halbe, höchstens eine Seite.

Das wirkt alles recht reglementiert und riecht nach strikten Vorgaben. Die rigorose Raison eines Rasenmähers: alles wird gleich hoch, will sagen, niedrig beschnitten. Leider geht das sowohl auf Kosten der Texterläuterungen wie der Abbildungen. Beide sind sicherlich kompetent und höchst qualifiziert angefertigt, nur eben zu kurz bzw. zu klein. Das ist besonders angesichts der zum überwiegenden Teil neu photographierten und durchweg farbigen Bilder schade, erreichen die meisten doch nicht einmal das Ansichtskartenformat, geschweige denn, dass Raum für Detailvergrößerungen gewährt worden wäre. „Sein handliches Format macht ihn für die Benutzung in der Galerie wie auch für Zuhause geeignet“, heißt es von Seiten der Herausgeber zu diesem Katalog; aber dafür ist das Buch dann doch entweder zu dick und zu schwer oder zu dürftig und zu uninformativ.

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Und noch ein Zweites. Wenn der Katalog adressatenbezogen und besucherfreundlich sein will und nicht vorrangig beliebiges Handbuchwissen oder den Forschungsstand auf Expertenniveau zusammenfassen soll, dann wären vielleicht auch andere Autoren geeignet gewesen. Diese hätten sicherlich nicht die Detailkenntnisse berufener Konservatoren mitgebracht, dafür aber vermutlich mehr Sinn für das, was beim Betrachter den Blick lenkt und mit einprägsamen Formulierungen die Augen öffnet.

Bibliographische Angaben

Alte Pinakothek. Die Meisterwerke
Reinhold Baumstark (Hg.), DuMont Literatur und Kunst Verlag, München/Köln 2006.
Pinakothek-DuMont. 462 S. mit ca. 300 farb. Abb. 22,5 x 17,0 cm, gebunden, Preis € 24,80, ISBN: 383217592X

 

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