Ausstellungsbesprechungen

Rembrandt Lehrer – Lehrer Sumowski. Kunstverein Aalen, bis 8. Dezember 2019

Der große Rembrandt-Forscher Prof. Dr. Werner Sumowski (1931-2015) war die Instanz für alle Fragen, die Rembrandt als Lehrer betrafen. Auch selbst begeisterte er lehrend Kunstgeschichtsstudent/innen. Ihm zu Ehren zeigt der Kunstverein Aalen erstmals frisch restauriert ein von ihm entdecktes Hauptwerk aus Rembrandts Spätwerk. Günter Baumann hat es sich für Portal Kunstgeschichte angesehen.

© Kunstverein Aalen
© Kunstverein Aalen

Im Rembrandt–Jahr muss man allerorten mit Ausstellungen zum 350. Todestag rechnen. Aber dass man zwischen Aachen und Amsterdam auch Aalen auf den Schirm holen kann, ist ungewöhnlich, findet sich dort doch keinerlei Ausstellungstradition in Sachen Rembrandt. Um es gleich vorneweg zu sagen: Es geht hier nicht darum, den größten niederländischen Maler aller Zeiten mit einer volkshochschultauglichen Kleinstausstellung zu würdigen. Es ist freilich nicht so einfach, einen Rembrandt ins Haus zu holen, was selbst Amsterdam jüngst erleben musste, wo man gerade mit großem öffentlichem Bahnhof die »Nachtwache« restauriert und den Meister mit Velazquez auftreten lässt: Im Jüdischen Historischen Museum wurde eine Informationsausstellung um ein Gemälde Rembrandts konzipiert, der im letzten Augenblick das einzige Original abhanden kam – Jerusalem wollte es nicht entleihen.
Mit gemischten Gefühlen mag man denn ins süddeutsche Aalen fahren, wird aber aufs Angenehmste überrascht: Die Stadt und der dort ansässige Kunstverein haben weder Kosten noch Mühen gescheut und eine beachtliche Ausstellung auf die Beine gestellt. Zwar rankt diese sich im Wesentlichen um ein einziges Gemälde Rembrandts (Hendrickje Stoffels als Pallas Athene), aber diese Arbeit hat es in sich. Seit einem halben Jahrhundert bekannt, ist das Gemälde nach seiner Restaurierung erstmals öffentlich zugänglich. Bislang war das Werk aus Privatbesitz nur in schlechten Schwarzweiß–Abbildungen zu sehen. Der Rembrandt–Forscher Werner Sumowski war einer der wenigen, die es damals live begutachten durften und die Autorschaft sichern konnten - trotz schwankender Zu– und Abschreibungen bei den Werken Rembrandts (derzeit zählt man 324 Gemälde aus Meisterhand). Kurzum – es darf als Sensation gelten, dass dieses Porträt von Rembrandts ehemaliger Haushaltshilfe und zweiter Frau in göttlich–kriegerischer Rüstung bis in den Dezember hinein für alle zu sehen ist. Damit erschließt sich auch das Kuriosum, dass die Ausstellung auch dem langjährigen Stuttgarter Professor Sumowski gewidmet ist. 2015 ist er verstorben, aus seinem Nachlass kamen ebenso einige Arbeiten in die Ausstellung, darunter eine kleine Originalzeichnung sowie Radierungen von Rembrandt und seiner Schule.

Wer die etwas umständliche Prozedur der Eintrittserwerbung überstanden hat – aus konservatorischen Gründen dürfen nur rund 40 Personen gleichzeitig in die Räume –, kann in dem eigens für die Ausstellung hergerichteten Kunstverein drei Dutzend niederländischer Gemälde und Papierarbeiten bestaunen, darunter erlesene Stücke.
Das Entdeckerherz darf sich freuen, da nahezu alle Arbeiten, die nicht aus dem Nachlass Sumowski stammen, aus anderen privaten Provenienzen stammen, dazwischen: eine Leihgabe aus dem Aachener Suermondt–Ludwig–Museum. Sie vereint zu haben, ist eine besondere Leistung.
Man kennt rund 50 Schüler Rembrandts, das Feld ist wissenschaftlich gut abgesteckt – dank der Arbeit des Kunsthistorikers, der diese Schule akribisch durchforstet hat. Zwar fanden auch weniger bekannte Künstler den Weg in die Privatgemächer der wohl mehrheitlich südwestdeutschen Sammler, aber auch sehr bekannte Namen liest das Besucherauge: Gerrit Dou (laut Sumowski damals der »Daimler« unter den Künstlern, sprich: der meistgekaufte holländische Maler des 17. Jahrhunderts), Govaert Flinck, Pieter Lastman (der Lehrer Rembrandts), Jan Lievens und viele mehr.
Neben etlichen Genreszenen, die bei den Niederländern sehr beliebt waren, sind auch porträthafte Arbeiten sowie Landschaften dabei, für welche die holländische – und die flämische – Malerei berühmt wurden. Flincks zugeschriebene Landschaft mit Steinbrücke, bislang noch unveröffentlicht, ist ein Gedicht von einem Bild, zumal es mit der gefälschten Signatur Rembrandts versehen ist. Wer weiß, wie wenige Landschaften er nur gemalt hat, kann erahnen, wie verlockend es gewesen sein mag, ihm dieses prachtvolle und sehr »rembrandteske« Bild zuschreiben (oder besser: zuschustern) zu wollen. Unter den Argusaugen Ernst van de Weterings, der kein Pardon kennt bei Tricksereien, wacht das Rembrandt Research Project nach wie vor über die Authentizität von Rembrandts Schaffen. Das Pallas Athene–Bild in der Aalener Ausstellung hat allerdings die besten Chancen, als Nr. 325 ins Buch der gesicherten Rembrandts aufgenommen zu werden.

Der Ausstellungstitel – »Lehrer Rembrandt, Lehrer Sumowski« – irritiert: Rembrandt muss man ja keinem halbwegs gebildeten Menschen erklären. Er gehört zu jener Handvoll Barockkünstler, die aufgrund ihrer Berühmtheit allein mit dem Vornamen angeredet werden. Aber »Lehrer Sumowski«? Auch er hat, wie Rembrandt, mit Aalen nicht wirklich etwas zu tun. So mancher wird sich über die kleine Devotionalienecke in der Ausstellung wundern, in der mit Fotos, Briefen und Publikationen seiner gedacht wird. Dass er vor 50 Jahren als einer der letzten Forscher das Initialbild der Aalener Schau beschrieben hat ist freilich ein Anlass für die Gedenkvitrine.
Doch hat diese Hommage auch etwas Rührendes: Werner Sumowski war eine Persönlichkeit, ein Original, ein selbsternanntes »Bilderwürmchen«, das es im heutigen verschulten Hochschulbetrieb nicht mehr gibt. Als Spezialist der Rembrandt–Schule hat er sich einen solchen Namen gemacht, dass sein schriftlicher Nachlass nach Amsterdam ging, ans Rembrandt Information Center im Rembrandthuis – dem Wohnhaus des Künstlerstars. ›Sumo‹, so Sumowskis Spitzname, hat Spuren hinterlassen, die bis heute und eben auch bis nach Aalen reichen.
Der grandiose Katalog, der dazu im Deutschen Kunstverlag erschien, wurde von Achim Riether herausgegeben, Kurator der Staatlichen Sammlung München. Als Doktorand und Assistent Sumowskis war er an dessen Kolossalwerk zur Rembrandtschule beteiligt. Bei aller wissenschaftlichen Fundierung zeugt diese Publikation auch von der persönlichen Strahlkraft eines Professors, der Generationen von Kunsthistorikern für Rembrandt – und nicht nur für ihn – begeistern konnte.
Schade, dass die Werbung um die Ausstellung etwas überfordert scheint. Man darf sich also durch einen dilettantisch gemachten Flyer nicht abschrecken lassen: die Ausstellung ist hoch professionell gemacht und (nicht nur) für die Region eine Sensation.

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