Kataloge, Rezensionen

Renoir. Zwischen Bohème und Bourgeoisie: Die frühen Jahre, Hatje Cantz 2012

In diesem Sommer zeigt das Kunstmuseum Basel eine große Schau mit frühen Werken Pierre-Auguste Renoirs, zu der im Hatje Cantz Verlag ein sehr schöner, sorgfältig gearbeiteter Katalog erschienen ist. Dessen Textbeiträge beschäftigen sich vor allem mit der Jugend des großen Impressionisten. Stefan Diebitz hat das sehr empfehlenswerte Buch gelesen.

Nicht auf Werkanalysen liegt das Schwergewicht des Bandes, sondern auf der Biografie des Künstlers. Vorgestellt werden Renoirs frühe Jahre, in denen er zunächst den angesehenen und gut dotierten Beruf des Porzellanmalers erlernte, bevor er sich auf den langen Weg zu einer selbstständigen künstlerischen Existenz machte – eigentlich machen musste, denn die Porzellanmanufaktur, in der er sich trotz seiner Jugend bereits für die anspruchsvolleren Aufgaben qualifiziert hatte, musste schließen, als er erst siebzehn Jahre alt war.

Zu dem Band gehören insgesamt fünfzig schöne Farbtafeln mit einer bunten Mischung aus Porträts, Genre- und Landschaftsbildern. Auch mehrere Akte finden sich, dazu einige Stillleben, so dass das Schaffen des Malers in seiner ganzen Breite vorgestellt wird. Schon früh fand Renoir zum Impressionismus, und allein in seinen allerersten Arbeiten hat er noch nicht zu sich selbst gefunden, denn hier pflegt er noch einen realistischen Stil. Das gilt etwa für das Porträt einer ernsten jungen Frau, das in diesem Buch den Anfang macht, oder für das Bildnis seines Kollegen Alfred Sisley, das mit seinen dunklen und gedeckten Farben, aber auch in seiner Ruhe deutlich von seinen späteren Meisterwerken absticht. Ähnliches gilt für das Porträt von Frédéric Bazille, mit dem er lange das Atelier teilte.

Das Titelbild zeigt Renoirs langjährige Geliebte Lise Tréhot, die er 1868, also im Alter von 27 Jahren, in völlig entspannter Haltung und wahrscheinlich schwanger porträtierte. Sein Verhältnis zu ihr, die ihm oft Modell stand und die Mutter einer gemeinsamen Tochter war, spielt in verschiedenen Aufsätzen des Bandes eine wichtige Rolle.

In seinem Beitrag »Von der Bohème zur Idylle« ist Michael Zimmermann bemüht, »die klischeehafte Identität des Künstlers« zu hinterfragen. Was hat es mit dem dargestellten Glück, dem bürgerlichen Arkadien in den Vorstädten von Paris auf sich? War Renoir wirklich ein bildungsferner Naturbursche mit brillanter Technik, als der er gelegentlich dargestellt wird? Den Anfängen des Meisters als Porzellanmaler geht Sylive Patry in ihrer Studie nach und versucht diese Jahre »in den Kontext der kunsthandwerklichen Manufakturen einzuordnen«, womit vor allem sozial- und kulturgeschichtliche Aspekte angesprochen werden. Wer nichts über die Biografie des Künstlers weiß, lernt hier seine Zeit vor der eigentlichen künstlerischen Karrierekennen.

Augustin de Butler beschäftigt sich in seinem kurzen Aufsatz mit Renoirs Beziehung zur Tradition, für die der Louvre steht, den der Maler seit seiner Jugend bis ins hohe Alter hinein regelmäßig besuchte. »Die Bildhauer der Antike, Rubens, Watteau, Fragonard und Boucher waren offenbar die alten Meister, die Renoir bei seinen ersten Besuchen im Louvre in ihren Bann zogen.« Wie man sieht, spielte besonders das 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Marie Le Cœur endlich geht es in »Renoirs Schweigen« um die ersten Modelle des Meister, besonders um Lise Tréhot und ihre gemeinsame Tochter, von deren Existenz selbst Renoirs Sohn erst nach dem Tod Madame Renoirs erfuhr.

Die Katalogbeiträge beschäftigen sich fast allein mit der Lebensgeschichte des Künstlers, aber sie führen zu wichtigen Hinweisen auf das Stilempfinden Renoirs und helfen auf diese Weise, die Bilder zu verstehen. Denn eigentlich kann man ihnen doch ansehen, dass der Maler das 18. Jahrhundert liebte, die Lebensfreude seiner Menschen, aber auch die Heiterkeit ihrer Bilder und ihres Lebensstils. Man versteht auch, dass Renoir dem Dekorativen in der Kunst mehr abgewinnen konnte, als es wohl sonst Künstler seines Ranges tun. Dagegen vermisse ich eine Darstellung des künstlerischen Schaffens von Renoirs Freunden und Kollegen und in Verbindung damit eine Darstellung der Entwicklung seiner malerischen Technik. Über seine Motive wird vieles gesagt, über seine Malweise zu wenig.

Von der gelungenen typografischen Gestaltung über die erfreuliche Qualität der Abbildungen (der Katalogteil umfasst große 50 Farbtafeln) bis hin zu der kultivierten Sprache der einzelnen Beiträge: der Band ist höchst sorgfältig gearbeitet und gefällt in allen seinen Aspekten.

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