Ausstellungsbesprechungen

Renoir at the Theatre: Looking at La Loge

Fast zeitgleich mit der Ausstellung »Impressionistinnen« in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt, zeigt die Courtauld Gallery in London anlässlich ihres 75. Jahrestages die Ausstellung »Renoir at the Theater: Looking at La Loge«.

Vorgestellt werden in dieser exklusiven Zusammenstellung impressionistischer Werke Arbeiten von Pierre Auguste Renoir, Mary Cassatt und Edgar Degas u.a. Die in dieser Schau präsentierten Meisterwerke des Impressionismus befassen sich ausschließlich mit dem Thema des Theaters, insbesondere mit dem Blick in die Theater-Loge.

Renoirs »La Loge« aus dem Jahre 1874 ist eines der Meisterstücke des Impressionismus und eines der bedeutendsten Werke der Sammlung der Courtauld Gallery im Somerset House. Die Darstellung eines eleganten Paares, das sich in einer Theater-Loge präsentiert, zeigt deutlich das Interesse Renoirs am Schauspiel des modernen Lebens. Die Ausstellung konzentriert sich auf die frühen Jahre des Impressionismus um 1870 und zeigt, wie die Künstler die Theater-Loge benutzt haben, um die Aufregung und die wechselnde Natur der modischen Pariser Gesellschaft zu zeigen.

Oper und Theater waren in Paris im 19. Jahrhundert eine rasant expandierende Industrie, die neben Vaudevilles, Musikhallen, Café-Konzerten, Restaurants, Ballhäusern und Zirkussen das kulturelle Leben der Stadt dominierten. Seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wandten sich die Impressionisten in ihren Werken endgültig diesen neuen Schauplätzen zu. Diese Orte der Freizeit galten als modern, weil sich dort die Öffentlichkeit zeigte. Das Publikum der Vergnügungsorte spiegelte die gesellschaftliche Hierarchie wider. Glanzvoller Höhepunkt des sozialen Lebens war die Oper, einer der wenigen Orte, an denen sich auch eine gutbürgerliche Frau auch ohne Begleitung zeigen durfte.

Oper und Theater wurden nicht nur von den Impressionisten in ihren Bildern dargestellt. Außer in den zahlreichen Illustrationen der Tagespresse, die die Gesellschaftlichkeit dieser Orte kommentierten, fanden sie in den Karikaturisten Honoré Daumier und Paul Gavarni bemerkenswerte Interpreten. So nutzten die Karikaturisten die Theater-Loge als eine ergiebige Quelle für gesellschaftliche Satire. Um 1870 gehörten lüsterne Männer mit überdimensionalen Operngläsern, Damen im mittleren Alter, die sich um die Erhaltung Ihrer Reize bemühten, Väter, die Ihre Töchter vorstellten und der aktuellen Mode bemüht hinterherlaufende Besucher aus der Provinz zum Standardrepertoire in den satirischen Wochenmagazinen wie z.B. dem Le Petit Journal pour Rire.

»La Loge« war Renoirs zentrales Ausstellungsstück bei der ersten Impressionisten-Ausstellung in Paris im Jahre 1874. Die Komplexität des Themas und die virtuos technische Ausarbeitung halfen, den Ruf des Künstlers als einen der Führer dieser neuen Kunstrichtung zu etablieren. Für dieses Bild standen ihm sein Bruder Edmond sowie Nini Lopez, ein Mädchen aus dem Montmartre, Modell. Zentrum des Bildes bilden die Blicke der beiden Figuren. Die elegant gekleidete Dame senkt ihr Opernglas und setzt sich damit für Bewunderer im Theaterpublikum in Szene, während ihr Begleiter seinen Blick auf einen anderen Punkt im Zuschauerraum richtet. Im dem er sich der Vorstellung abwendet, legt Renoir statt dessen den Fokus auf das Theater als Bühne der Gesellschaft, auf der Status und Beziehung öffentlich zur Schau gestellt werden.

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Das Interesse am Theater im Allgemeinen und an der Loge im Besonderen als Raum der gesellschaftlichen Präsentation wurde auch durch die boomende Modeindustrie beflügelt, die die Bedürfnisse der neureichen und der, um ihr Renomée bemühten, Mittelschicht bediente. Aufwändig produzierte Journale wie »La Mode Illustrée« zeigten auch handkolorierte Kupferstiche, die die neuesten, von den eleganten Damen in den Logen getragenen, Modelle darstellten. Eine reiche Auswahl dieser wenig bekannten Graphiken der zeitgenössischen Pariser Zeitungen ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.

Renoir war der erste Künstler, der die Loge zum Thema der modernen Malerei machte. Er schöpfte aus diesem populären Genre, in dessen Zusammenhang seine Gemälde wohl auch gesehen wurden. Zur Zeit der ersten Gruppenausstellung der Impressionisten beschäftige sich Renoir intensiv mit ihr und produzierte neben dem zur Courtauld-Sammlung gehörenden Werk noch zwei kleinere Arbeiten, die auch in der aktuellen Ausstellung zu sehen sind. Später griff er in zwei weiteren Bildern wieder das Logen-Thema auf. Die Arbeit »Im Theater« (1876-7, National Gallery, London) zeigt eine schräge Ansicht einer Theater-Loge und stellt eine junge Frau und ihren Begleiter vor der verschwommenen Masse der Zuschauer dar. Im Konzert (1880, The Sterling and Francine Clark Art Institute, Willamstown) ist es eine der monumentalsten Darstellungen des Themas. Das Werk begann als ein Portrait der Familie von Monsiour Turquet, des Unterstaatssekretärs für bildende Künste, die in ihrer opulenten Loge postierten. Renoir änderte das Bild in der Folge ab, übermalte seinen Patron, der ursprünglich im Hintergrund zu sehen war und verwandelte es in eine modische aber anonyme Genrestudie.

»Renoir at the Theatre: Looking at La Loge« ist die erste Ausstellung, die den Fokus auf Arbeiten dieser Themen-Gruppe legt. Zu sehen ist des weiteren eine Auswahl bedeutender Logengemälde impressionistischer Zeitgenossen Renoirs, die sich diesem Thema zum Teil auf anderen Wegen näherten. Zwei Werke von Mary Cassatt demonstrieren ganz unterschiedliche Darstellungen von Frauen in ihren Theater-Logen. »Woman with a Pearl Necklace«, 1879 (Philadelphia Museum of Art) zeigt eine bezaubernd gekleidete Dame im prunkvollen Interieur einer Loge als die passive Empfängerin von bewundernden Blicken. »In the Loge«, 1878 stellt hingegen eine ganz andere Sichtweise dar. Eine zurückhaltend gekleidete Dame mustert aufmerksam durch ihr Opernglas den Innenraum des Theaters und nimmt aktiv am Spiel der Blicke teil, das sie umgibt.

Edgar Degas hingegen nimmt in seiner Behandlung des Sujets unterschiedliche Blickpunkte für seine »Schnappschüsse« ein, um das Gefühl eines flüchtigen Blicks zu vermitteln. Dies wird in seinem anspruchsvollen Pastell »La Loge«, 1880 besonders deutlich. Hier platziert er den Betrachter in die Ränge des Theaters. Dieser blickt zum Kopf einer einzelnen Dame auf, deren blasses Gesicht sich kurz im Widerschein des Lichts vor dem goldenen Hintergrund der Loge abzeichnet.

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Renoirs »La Loge« bekam 1874 enthusiastische Kritiken als es zum ersten Mal in Paris und später, in einer von seinem Galeristen in London organisierten Schau, ausgestellt wurde. Es wurde aber bei keiner der beiden Ausstellung verkauft. Erst im folgenden Jahr wurde es günstig von einem kleinen Kunsthändler namens Pere Martin für 425 Francs erstanden – was Renoir in die Lage versetzte, seine Miete wieder zahlen zu können. Als Samuel Courtauld das Gemälde in den 1920er Jahren erstand, war dessen Status ebenso wie der Preis deutlich gestiegen. Heute wird es als eines der wichtigsten Gemälde des Impressionismus gesehen. Diese Ausstellung wirft ein neues Licht auf Renoirs Meisterwerk und das Spektakel des Pariser Theaters, das es zeigt.

 

 

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Öffnungszeiten
täglich 10-18 Uhr

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