Ausstellungsbesprechungen

Richard Meier.

Das neue Museum, das Richard Meier für die Sammlung Frieder Burda gebaut hat, ist samt der Sammlung selbst Ausdruck der Zuwendung und Partnerschaft. Man mag stutzen über den Euphemismus dieses Satzes, doch selbst nach wiederholtem Drüberlesen bleibt er im Sinn.

Dass es hier um Wertevermittlung geht, ist ungewöhnlich. Aber da sie mit einer eminent bedeutenden Kunstsammlung und damit eben auch Kunstvermittlung einhergeht, ist – und schon naht ein weiterer Euphemismus – ein Segen. Was Meier im Hinblick auf die Umgebung der Lichtentaler Allee als »große Villa« und Burda bescheiden-kokettierend als »mein kleines Museum« bezeichnet, fügt sich wie ein würdevoll leuchtender Solitär in die behäbig-ergraute Stadt. Dies ist jedoch kein Widerspruch, sondern eher eine Liebeserklärung, ein strahlender Kuss für Baden-Baden, das in seiner Dominanz klassizistischer und jugendstilnaher Architektur gut und gern 100 Jahre vor sich hingeträumt hat.

Richard Meier, 1934 in den USA geborener Stararchitekt und Pritzker-Preisträger (1984), war offensichtlich der Wunschpartner Frieder Burdas, der mit dieser Wahl ein ebenso sicheres Händchen zeigte wie mit seiner Kunstsammlung. Meier vermag seinen unverwechselbaren Stil so sehr seiner Bauaufgabe anverwandeln wie kaum ein anderer Architekt: Vermaß er das Ulmer Stadthaus in ein hochkompliziertes geometrisches Raster, das sich aus den weitergedachten Linien von Platz und Münsterplan ergab, und schuf er damit ein weiß emporragendes, -schwingendes Zeichen des Bürgerstolzes gegen und mit dem grauen Stein der höchsten Kirche Europas, so errichtete er in Den Haag ein machtvoll-wuchtiges Rathaus, das selbstbewusst die Patzidee ins Dreidimensionale weiterträgt. In beiden Beispielen integrierte Meier seine Bauten in das innerstädtische Umfeld; in Baden-Baden ging es darum, die Architektur mit dem Park in Einklang zu bringen und zudem die bestehende Kunsthalle von Hermann Billing (1909) nicht zu erdrücken – beides erforderte ein zurückgenommenes Volumen und viel Fingerspitzengefühl. Meiers Museum ist keineswegs ein Erweiterungsbau: es ist eine eigenständige Raumskulptur, die sich nicht vordrängt und doch mit allen Ecken und Flächen präsent ist. Das Haus zeichnet sich durch große Helligkeit aus, kaum eine Wand ist bis hoch gezogen – überall sind Durchgänge und Durchblicke, überall strömt Licht von außen herein, das sich mit dem Kunstlicht zu einer regelrechten Lichtregie entfaltet. Der Clou ist die Brücke, die wie selbstverständlich das neue mit dem alten Museum verbindet. Einmalig ist diese Idee des historischen Brückenschlags deshalb, weil sich hier »eine staatliche Kulturinstitution mit privatem Kunstengagement (ergänzen)«, wie es in den Stiftungsrichtlinien heißt.

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Die Architektur von Richard Meier lädt ein, zunächst das Gebäude innerhalb des Parkraums wahrzunehmen. Ist man erst einmal drinnen, reizt der allgegenwärtige Blick auch wieder zum Park hinaus. Dazwischen macht das Raumgefüge die Kunst erlebbar, die bewusst nicht einer Chronologie folgt, sondern thematische oder auch nur assoziative Ensembles bildet. Sinnfällig empfängt den Betrachter Kiefers monumentales Bild »Böhmen liegt am Meer«: Der Titel bezieht sich auf ein Gedicht von Ingeborg Bachmann (das wiederum einen Gedanken Shakespeares aufgreift) und steht für die Macht der Bilder, Gegenentwürfe zur rational erklärbaren Welt zu schaffen. Das scheint Programm zu sein in der Eröffnungsausstellung, die das Meier-Museum und die Kunsthalle gemeinsam ausrichten. Noch an einer anderen Stelle geleitet ein Gemälde den Betrachter mit symbolreichem, wenn auch stillem Pathos: Vor der gläsernen Brücke zum alten Museumsbau hängt Gerhard Richters »Kerze«, die den Weg zu weisen scheint durch den Tunnelgang, als sei dieser dunkel.

Die anderen Werke spiegeln das Sammlerinteresse Frieder Burdas wider, das im Grunde konventionell ist – Kunst, für die man einen Stecker braucht, mag er nicht –, dafür allerdings auch klare Position bezieht und nicht zuletzt eines verrät: Sammler-Leidenschaft. Nachvollziehbar wird, wie beeindruckt Burda nach dem Krieg von den Abstrakten Expressionisten aus den USA war, wie sein Blick von da zurück zu den deutschen Expressionisten führte, von wo aus eine Spur zu den wilden Malern um Baselitz, Lüpertz & Co. und weiter bis in die jüngsten Beiträge zur gegenständlichen Kunst gelegt wurde. Die größten Werkgruppen bilden die Arbeiten von Gerhard Richter und Sigmar Polke; daneben zeigt Burda eine in seiner Fülle sicher einzigartige Auswahl von Picassos Spätwerk (einst rümpften andere noch die Nase über die malerischen Ergüsse einer erotomanischen Altersphantasie). Freilich: Wirkliche Überraschungen wird man nicht so viele finden, aber da sich die Ausstellungsmacher bei der Hängung der Werke von der spannenden Raumdramaturgie leiten ließen, entstand immerhin eine Symbiose von Ort und Bild – und schon hat man den Touch der Einzigartigkeit.

Die schönsten Eindrücke gewinnt man mit den Baden-Baden-Bildern Max Beckmanns, die genau hier, in greifbarer Nähe etwa zur berühmten Trinkhalle, ihre Heimat gefunden haben. Interessant sind auch die früheren, noch gegenständlichen Arbeiten von Rothko oder Pollock, die doch selten gezeigt werden. Ganz unverbraucht ist der Blick auf das repräsentativ vorgestellte Werk von William N. Copley, der fern jeglicher Stilmode seine frechen Geschlechterkampfparodien pflegen konnte.

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Und wo man ganze Ismen-Stränge der zweiten Jahrhunderthälfte vermisst und gerne noch mehr Skulpturen gesehen hätte (die ja zum Bestand der Sammlung gehören: Lucio Fontana zum Beispiel, oder Plastiken von Isa Genzken und Imi Knoebel), da beweist Frieder Burda ein gutes Gespür für die jüngsten Kunstströmungen – Alex Katz ist vertreten, außerdem Künstler(innen), die ihren Weg noch machen müssen, wie beispielsweise Corinne Wasmuth oder Eberhard Havekost. Schade, dass die Plastiken von Louise Bourgeois etwas ins Abseits gerieten. Dennoch bleiben die kritischen Anmerkungen eine Randnotiz, die den Gesamteindruck nicht schmälern, man könne hier aus dem Vollen schöpfen.

Die Kataloge vereinen hochkarätige Beiträge u.a. von Klaus Gallwitz, der zusammen mit anderen im Stiftungsvorstand der Burda-Sammlung sitzt, mit brillanten Abbildungen. Das hohe Niveau von Architektur, Ausstellung und Katalog machen die »Sammlung Frieder Burda« zum Augenschmaus.

 

Weitere Informationen

 

Öffnungszeiten
Di–So 10–18 Uhr
Mi 10–20 Uhr

Führungen
Jeweils Mi, 16 und 18, Sa 16, So 11 Uhr

Eintrittspreise
Erwachsene         8 € / 6 €
Schüler               4 €

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