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Richtungsweisend – Das Bauhaus–Museum Dessau

Wer sich zum 100. Gründungsjubiläum des Bauhauses auf die Suche nach der Geschichte der Reformschule begeben möchte, lässt Weimar am Besten links liegen und fährt nach Dessau. Rowena Schubert–Fuß erklärt, warum.

»Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau«, formulierte Walter Gropius im April 1919 als ersten Satz für das Manifest seiner inzwischen legendären Reformschule. Mit Hilfe so unterschiedlicher Gewerke wie Architekten, Maler, Bildhauer, Weber, Tischler und Töpfer wollte der Berliner Architekt zusammenfügen, was durch Industrialisierungsprozesse und Krieg auseinander gerissen war: die Einheit von »wohnen« und »leben«.
 

Bauhaus Museum Dessau © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019
Bauhaus Museum Dessau © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019


Jeder, der nach Dessau fährt, kennt die modular aufgebauten Meisterhäuser im Kiefernwäldchen, in denen Gropius, Kandinsky, Feininger, Schlemmer, Muche, Klee und Moholy–Nagy einst residierten. Und auch die von Gropius 1926 bis 28 in Dessau–Törten angelegte Modellsiedlung für preisgünstigen Massenwohnungsbau ist nahezu jedem ein Begriff.
 
Aber was genau steckt hinter dem scheinbar einfachen Bauhaus–Design? Darüber gibt nun das neue Bauhaus–Museum Aufschluss. Es ist bereits der zweite Museumsneubau, nachdem im April das Bauhaus–Museum in Weimar eröffnete.
 

Bauhaus Museum Dessau, Lichtspielhaus von Lucy Raven © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019
Bauhaus Museum Dessau, Lichtspielhaus von Lucy Raven © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019


Statt einem monumentalen Betonkubus begegnet man in Dessau jedoch einem luftigen Hallenbau mit Glasfassade, dessen Front zur Stadt blickt, während sich die Rückansicht dem Stadtpark öffnet. Die Ausstellungsräume schweben als »Black Box« über den Besuchern im Erdgeschoss, wo sich – neben Kasse und Shop – auch ein weitläufiger Bereich für ein Café, eine Spielfläche für Kinder und Veranstaltungen befindet. Die Halle ist als Treffpunkt konzipiert und man kommt sehr schnell mit seinem Nachbarn am Cafétisch ins Gespräch, denn man sitzt, wie in einer Mensa, an zwei langen Bänken. Gemütlich kann man hier auch den Kindern beim Bauen von Fantasiehäusern und Liegen für eine Chillout–Ecke zuschauen, für die sie verschiedenförmige, gepolsterte Bauklötze nutzen, oder Passanten im Stadtpark sowie Fußgänger vor dem Rathaus–Center beobachten.
 

Bauhaus Museum Dessau/ Stadtpark Detail © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019
Bauhaus Museum Dessau/ Stadtpark Detail © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019


Erbaut wurde das neue Museum von Addenda Architects, einem Architektenbüro aus Barcelona. Dieses hatte sich mit seinem Entwurf unter 831 Bewerbern in einem zweistufigen Wettbewerb durchgesetzt und 2016 den Zuschlag erhalten.
 
Über Beamer werden die verschiedenen funktionalen Bereiche der Halle wie »Büros«, »Logistik«, »Workshops« und »Ausstellung« in großen Lettern an die jeweilige Eingangstür projiziert. Wie im Weimarer Museumsbau gelangt man auch in Dessau über ein Zeitfenster schließlich ins Innere der »Black Box«. Doch statt eines eher inkonsequenten geistesgeschichtlichen Ansatzes, hat man hier den Fokus der Präsentation auf das Thema »Gestaltung« gelegt. Ca. 1000 Ausstellungsobjekte erzählen die Geschichte der Schule als »Probierplatz« (Gropius).
 
Fragen, die schon am Bauhaus diskutiert wurden, leiten den Besucher/die Besucherin im ersten Raum: Was ist der Ursprung allen künstlerischen Schaffens? Ist der Mensch modellierbar? Wie wird Gestaltung greifbar? Wie wird Werbung Kunst?
Dazu werden Objekte aus der Natur (wie etwa ein Nautilusgehäuse oder Mikroskopaufnahmen von Eiskristallen) Entwürfen zu verschiedenen Schrifttypen gegenübergestellt. Den Kostümen aus der Bühnenwerkstatt sind im nächsten Abschnitt Aufnahmen aus dem Sci–Fi–Klassiker »Metropolis« beigestellt.

Ausstellung Versuchsstätte Bauhaus. Die Sammlung – Südraum © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019
Ausstellung Versuchsstätte Bauhaus. Die Sammlung – Südraum © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019


An einer Materialtrommel darf man dann auch selbst den verschiedenen Strukturen von Teppich–, Gummi– und Lederstückchen nachfühlen. Ebensolche Materialstudien nutzte Laszlo Moholy–Nagy in seinem Vorkurs für seine Schüler.Sie dienten als Basis für weiterführende Gestaltungen, die im angrenzenden Raum ausgestellt werden: Sitzmöbel, Schränke, Teppiche, Lampen und Grund– und Aufrisse zu verschiedenen Gebäuden. Aufgelockert wird die Objektpräsentation durch Audio– oder Videostationen. So kann man beispielsweise den ehemaligen Bauhausschüler und späteren Fotojournalisten Umbo (eigentlich: Otto Maximilian Umbehr) in einer Reportage des NDR von 1979 zuhören, wo er u.a. über die herausragenden pädagogischen Eigenschaften seines Lehrers Johannes Itten berichtet, der einen wegweisenden Einfluss auf sein Schaffen hatte.
 
Itten war in der Weimarer Zeit eine durchaus kontroverse Figur. Der Schweizer war einer der ersten Meister, die Gropius 1919 an das Bauhaus berief. Von ihm stammt das Vorkurs–Konzept, welches als Einführungssemester gedacht war. Nach wiederholten Differenzen anlässlich der Verbreitung der Mazdaznan–Lehre (Rassenlehre werden etwa mit Atemübungen aus dem Yoga sowie Kleider– und Speisenvorschriften kombiniert) verließ Itten die Schule 1923.
 
Während solche radikalen Gesinnungen am Bauhaus in der Weimarer Ausstellung aber nicht einmal mit einem Nebensatz erwähnt werden, kann man in der Dessauer Schau sogar einen Zeitungsartikel des KPD–Funktionärs und Verlegers Willi Münzenberg lesen, der die Idee vertrat, der Kommunismus sei die einzige Kraft, die in der Lage sei, dem Faschismus zu widerstehen. Dem Bauhaus warf er in der Arbeiter–Illustrierten–Zeitung gegen Ende der Zwanziger Jahre eine Vereinnahmung durch den Kapitalismus vor.

Ausstellung Versuchsstätte Bauhaus. Die Sammlung – Nordraum © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019
Ausstellung Versuchsstätte Bauhaus. Die Sammlung – Nordraum © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019


Tatsächlich waren die meisten Bauhaus–Produkte schon damals einer eher exklusiven Käuferschaft vorbehalten. Dies führte beim zweiten Direktor des Bauhauses, Hannes Meyer, der selbst Anhänger des linken Spektrums der Sozialdemokratie war, zu der Meinung, dass das Bauhaus von seiner Idee abgekommen sei, »für das Volk« zu gestalten, woraufhin er die Parole »Volksbedarf statt Luxusbedarf!« schuf. Als Reaktion initiiert er die Nutzung von preisgünstigem Sperrholz im Möbelbau. Meyer erweiterte überdies die Siedlung Dessau–Törten um Laubenganghäuser. Für 37,50 RM Monatsmiete konnte eine vierköpfige Familie hier günstig wohnen (das Monatsgehalt eines Arbeiters lag in den 1930er Jahren bei durchschnittlich 150,75 RM). Die benötigten Möbel zur Ausstattung der Drei–Zimmer–Wohnungen konnte man aus einem Portfolio gleich mitbestellen.
 

Ausstellung Versuchsstätte Bauhaus. Die Sammlung – Horizont Fabrik © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019
Ausstellung Versuchsstätte Bauhaus. Die Sammlung – Horizont Fabrik © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019


Da in der Ausstellung immer wieder solche Querverweise gezogen werden, ist die Präsentation sehr vielseitig und lehrreich, man möchte sogar sagen: inspirierend. Leider erreicht sie ihr Publikum nicht in allen Besuchern. Am Ende hört man einige Besucher*innen leise von einem »Overkill an Informationen« flüstern und, dass »zwei Stunden zu wenig seien, um sich alles in Ruhe ansehen zu können«. Wieder am Cafétisch sitzend, plant eine Gruppe älterer Damen und Herren dann aber doch noch eine weitere Besichtigungstour. Ihre Ziele: das Schulgebäude und die Meisterhäuser.
 

Bauhaus Museum Dessau bei Nacht © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019
Bauhaus Museum Dessau bei Nacht © Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer / OSTKREUZ, 2019


Wer nach dem Ausstellungsrundgang noch genügend Kraft hat, sollte ungedingt die Gelegenheit nutzen, sich das gesamte Bauhaus–Ensemble in der Stadt anzusehen. Denn nach dem erzwungenen Ende in Weimar, gelangte das Bauhaus 1926 am aufstrebenden Industriestandort Dessau zu seiner Blüte. Hier konnten mehr Entwürfe als irgendwo sonst umgesetzt werden. Wie ein fehlendes Puzzlestück fügt sich auch der Museumsneubau in diesen Kosmos ein. Mustergültig vereint er zwei Funktionen: er ist Treffpunkt und Werkstätte zugleich. Fazit: Absolut empfehlenswert!

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