Robert Longo, Kunsthalle Weishaupt, Ulm, bis 25. September 2011

Es ist auch schon fast ein Vierteljahrhundert her, dass der Medienkünstler und Zeichner Robert Longo bei der achten Documenta 1987 ausstellte. Er gehört zu den wenigen Künstlern, die im Gedächtnis blieben, was kein Wunder ist, begegnen er und insbesondere seine zeichnerischen Arbeiten einem doch über die Jahre hinweg mit derselben unbändigen Kraft. Günter Baumannsah sich die Werke an.

2005 erhielt Longo den Kaiserring der Stadt Goslar – in Deutschland ist der amerikanische Meisterzeichner gut verortet. Andrerseits dürfte er nur selten hierzulande eine solch großartige Kulisse erhalten haben wie in der Kunsthalle Weishaupt. Im ›Schaufenster‹ des Hauses, einem riesigen Durchblick zwischen Innen und Außen, prangt ein überlebensgroßes Blatt aus der Serie »Men in the Cities«, das einen anzugtragenden Mann namens Frank in ekstatischer Bewegung zeigt. Bei Longos Kohle- und Graphitzeichnungen strotzt es nur so von realistischer Schärfe, die unbeschreiblich und zugleich erschreckend schön, abgrundtief schwarz vor Augen steht.

Es mag am großen Format liegen oder an der genialen Augenwischerei: Ist es nun eine Fotografie oder eine Zeichnung? , während die Motive sich in den Vordergrund drängen. Hier sind nicht nur Menschen im Geschäftslook dargestellt, sondern auch extraterrestrisch anmutende Kampfjetpiloten, Haifische mit aufgerissenem Maul oder die Mündung eines Revolvers, ein Atompilz oder eine alles niederwalzende Riesenwelle sowie – hinreißende – Zitate aus der Kunstgeschichte oder Blicke in den deutschen Wald. Das ganze Sammelsurium tritt gerade in der akribischen Kohlezeichnung derart gleichgewichtig nebeneinander, dass es dem Betrachter ganz mulmig werden kann. Die Sammlung Weishaupt besitzt Unmengen Arbeiten von Longo, weshalb sie sich nur auf wenige andere Leihgeber als den Künstler selbst stützen muss. Das macht die Schau so ungemein authentisch. Wieviel kritisches Potenzial darin steckt, darüber könnte man trefflich streiten – manche sehen in Longos Werk eine Persiflage auf den American Way of Life. Wo der Aktionismus der Hyperrealität ins Auge springt, mag man eine Art Leerlauf erkennen, doch wird darin auch ein Heidenspaß stecken über die Raffinesse wie die Akkuratesse – vergleichbar den niederländischen Stilllebenmalern des Goldenen Zeitalters, die ihre Botschaft auch mit dem Stolz des perfekten (malerischen) Technikers verbanden. Verschmelzen emotionaler Wert und fotografisch genaue und dadurch nüchterne Darstellung miteinander, erhält das Motiv eine gewisse Grausamkeit, die etwa in den Memorialbildern für 9/11 zutage tritt und kulminiert: Hier eine Rose, dort ein in ein Hochhaus rasendes Flugzeug.

Zur Ausstellung ist ein Katalogheft – eine Publikation zwischen Katalog und Zeitschrift – erschienen, eine schöne Tradition, die die Kunsthalle seit der Eröffnung ihres Hauses pflegt.

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