Kataloge, Rezensionen

Samuel Wittwer: Der Modeaffe. Eine szenische Promenade durch das Neue Palais, Hirmer 2012

Der in diesem Jahr vom Hirmer Verlag vorgelegte Band »Der Modeaffe« unternimmt mit den Lesern einen Ausflug in die filigrane Papierwelt der belgischen Künstlerin Isabelle de Borchgrave. Angeregt durch ein Theaterstück Friedrich des Großen und dann im Neuen Palais in Potsdam-Sanssouci in Szene gesetzt, skizzieren diese künstlerischen Objekte ein betörendes Bild vom höfischen Potsdam des 18. Jahrhunderts. Eine Besprechung von Verena Paul.

Das Theaterstück »Der Modeaffe«, 1742 von Friedrich dem Großen geschrieben, wird in der vorliegenden Publikation in deutscher Übersetzung sowie im französischen Original dargeboten und bildet, wie Samuel Wittwer in seinem wunderbar geschriebenen Essay formuliert, die »perfekt[e] Basis für eine ›szenische Promenade‹« durch die prunkvollen Räume des Neuen Palais. Von was aber handelt jene einaktige Komödie? Der Erbonkel des im Zentrum stehenden Marquis de la Faridondière ist wegen des verschwenderischen Verhaltens seines heiratsunwilligen Neffen besorgt. Die hohen Ausgaben haben ihre Wurzel in der bizarren Modesucht des jungen Marquis. Seinem Diener wirft dieser beispielsweise vor: »Aber siehst Du denn nicht, daß ein Mann der Mode hundert Sachen zu beachten hat, um sich dem allgemeinen Geschmack, der Flut der Neuheiten anzupassen, die ihn mit sich ziehen?« Schließlich ist es genau dieses Bestreben, sich um jeden Preis der Mode zu unterwerfen, mit welcher der ›Modeaffe‹ durch eine List in den Hafen der Ehe getrieben wird. Doch bleibt er seinem Mode-Credo treu, wenn er der zukünftigen Gattin folgendes Versprechen abringen möchte: »Versprechen Sie mir zur gleichen Zeit, schöne Adélaïde, in allem dem Charme der Mode zu folgen, ihr beständig und treu ergeben zu sein und in allem den Annehmlichkeiten und dem Zauber des Neuen nachzueifern?« Ein einfacher Plot, situative Komik, grotesk überzeichnete Charaktere und kleine, aber feine Zeitbezüge geben dem Leser ein Bild des höfischen Treibens im Allgemeinen und der Weltsicht Friedrich des Großen im Besonderen. Der Abdruck ist insofern – und zwar nicht nur für frankophile Leser – eine wunderbare Beigabe.

Das rege Treiben im Stück greift Isabelle de Borchgrave schließlich mit ihren in Papierkleider gehüllten Figurinen, die von Andreas von Einsiedel wirkungsvoll mit der Fotokamera festgehalten werden, auf und inszeniert die einzelnen Szenen in den Räumen des Neuen Palais. Dabei ist es das »Abwägen zwischen imitierender Ausformulierung einerseits und Andeutung andererseits«, was den »Kreationen eine starke Lebendigkeit und Präsenz gibt, die einer textilen Robe an einer Figurine weitgehend fehlt«, wie Wittwer erläutert. Die Künstlerin bilde »aus dem Wesen des Papiers heraus« und haucht den Objekten dergestalt Leben ein, ohne jedoch stupider Nachbildung zu verfallen. Denn trotz »aller Detailgenauigkeit und dem Effekt der materiellen Täuschung war von Anfang an auch beabsichtigt, abstrahierende Elemente beizubehalten«, so der Autor weiter. Dies betrifft sowohl die »in ihren Konturen mit Draht angedeuteten Gesichter und Hände der Figuren« als auch die Unterteilung in dreidimensionale Hauptakteure und zweidimensionale Nebenfiguren. Borchgrave gibt dem Stück auf diese Weise eine einfühlsame, ästhetisch reizvolle Antwort, indem sie die Figuren auf dem Schwebebalken der Zeit balancieren lässt: Eingehüllt in Papiergewänder, die der Materialität kostbarer Stoffe einer vergangenen Mode nachempfunden sind, blicken sie aus ihren leeren, aber scharf konturierten Drahtgesichtern in unsere Zeit.

Mit dem zentralen Kapitel »Vorhang auf!« wird der Inhalt der Einzelszenen, die partiell eine leichte Abwandlung erfahren haben, wiedergegeben und durch einen Kommentar ergänzt. Im Zuge dessen verbindet sich die Fiktion des Theaterstücks mit dem Leben am Potsdamer Hof, so dass den Lesern ein besseres Verständnis von Werk und Leben Friedrichs offeriert wird. Parallel dazu nimmt von Einsiedel die Szenen aus verschiedenen Perspektiven mit seiner Kamera auf und präsentiert markante Details in Großaufnahmen. Das Ergebnis ist ein bunter, faszinierender Bilderreigen, der auch nach der Lektüre der Texte unsere Finger nicht ruhen lässt, sondern sie immer wieder zum Weiter- und Zurückblättern animiert. Schließlich verweilen wir aber genussvoll und lassen unseren Gedanken und Ideen freien Lauf.

Resümee: Mit »Der Modeaffe« von Samuel Wittwer entführt der Hirmer Verlag die Leser in eine filigrane Märchenwelt aus knisterndem Papier und öffnet ihnen zugleich die Pforte in das höfische Potsdam zur Zeit Friedrichs des Großen. Neben der spannend geschriebenen Einleitung sowie den Erläuterungen zu Einzelszenen in deutscher und englischer Sprache sind es die graziösen, in papierne Kleider gehüllten Objekte Isabelle de Borchgraves, die stimmungsvollen, qualitativ hochwertigen Fotografien Andreas von Einsiedels und nicht zuletzt das lesenswerte Theaterstück Friedrich des Großen, die die Promenade durch das Neue Palais zu einem sinnlichen Seh- und Leseerlebnis machen. Das Blättern und Lesen in diesem geistreichen, ästhetisch bestechenden und mit Humor gewürzten Band ist ein großes Vergnügen, weshalb ich ihn Kunst- und Literaturliebhabern, Friedrich-Fans und allen Bibliophilen gerne empfehlen möchte!

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