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Sarkophag der Moderne

Seit April ist das neue Bauhaus–Museum in Weimar für Besucher geöffnet. Pünktlich zum 100. Geburtstag einer Schule, die einst in die ganze Welt ausstrahlte. Rowena Schubert–Fuß war zu Besuch.

Tomás Saracenos Kunstwerk „Sundial for Spatial Echoes“ im Foyer des Bauhaus-Museums Weimar, Foto- Andrew Alberts, © heike hanada laboratory of art and architecture 2019 Tresen im Foyer des Bauhaus-Museums Weimar, Foto- Andrew Alberts, © heike hanada laboratory of art and architecture 2019 Die “Himmelsleiter", Foto: Andrew Alberts, © heike hanada laboratory of art and architecture 2019 Das Bauhaus-Museum bei Nacht : The Bauhaus-Museum by night, Foto- Andrew Alberts, © heike hanada laboratory of art and architecture 2019
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1919 öffnete das Staatliche Bauhaus in Weimar seine Pforten. So kurz nach dem Krieg herrschte Aufbruchstimmung in der jungen Republik. Alles schien möglich. Vom Esprit dieser Zeit beseelt, wählte der Architekt Walter Gropius den Standort für seine Reformschule daher nicht von ungefähr. Auch heute lässt die Adresse des neuen Bauhaus–Museums aufhorchen: Stéphane–Hessel–Platz. Ist das nicht der französische Diplomat, der mit seinem Essay »Empört euch!« als geistiger Ziehvater der politischen Protestbewegungen in Griechenland und Spanien gilt? Ist hier etwa schon eine Vorabverurteilung im Gange?

Es ist ein heißer Samstagvormittag. Der Himmel ist blau und Schatten rar gesät. Die Hitze flimmert über den grau gepflasterten Vorplatz des Museums. Diesen ziert ein Bauzaun und eine schwarze Asphaltrampe für Baufahrzeuge. Vor dem Eingang gibt es eine schräg abfallende Grube statt geplantem Wasserbecken. Also schnell durch die Drehtür ins Innere des grauen Betonmonolithen verschwinden, auf dessen hoher Fassade der Name »bauhaus museum« geritzt ist.

Seit 1995 gibt es ein Museum für die berühmte Kunstschule in Weimar, untergebracht in einer ehemaligen Wagenremise am Theaterplatz, die auch schon Kulissenhaus des gegenüber befindlichen Schauspielhauses war. Gezeigt wurden dort rund 250 Exponate. Diese entstammten einem Konvolut aus der Gründungszeit des Bauhauses. Ab dem ersten Tag ließ Walter Gropius das Leben in der Schule, den Unterricht und zahlreiche Werkstücke fotografisch dokumentieren und exemplarisch sammeln, womit er einer Musealisierung des Bauhauses Vorschub leistete.
Dennoch konnte das Provisorium in der Wagenremise nicht das Ende aller Weisheit bedeuten. Knapp zwei Jahre nach den großen Feierlichkeiten zum 90. Bauhausjubiläum 2009 wurde ein offener, mehrstufiger Wettbewerb für einen Neubau ausgelobt. Im Juli 2012 wurde der Siegerentwurf von der Berliner Architektin Heike Hanada präsentiert. 2015 erfolgte der Spatenstich für das Projekt, das durch ein Sonderinvestitionsprogramm des Bundes und des Landes Thüringen finanziert wurde.

Circa 2.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche umfasst das fünfgeschossige Haus, hinter dessen Rücken sich der Weimarhallenpark öffnet und in dessen Front sich das ehemalige Gauforum mit seiner bizarren, halboffenen Tiefgarage befindet. Im Innern steht schon eine Schlange an Menschen. Wo die Kasse endet und der Zugang in die Ausstellungsräume beginnt, ist wegen einer fehlenden räumlichen Trennung der Bereiche und mangelhafter Beschilderung nicht ersichtlich. Das freundliche Aufsichtspersonal leitet aber jeden, der suchenden Blickes durch die offene Struktur irrt, an den Ort seiner Bestimmung.

Wer sein Zeitfenster für den Eintritt inzwischen verpasst hat, kann sich trotzdem noch anstellen. »Manche Leute kommen erst um 13 Uhr, auch wenn 11 Uhr auf dem Ticket steht«, weiß eine Aufsichtsperson zu berichten. Vielleicht ist dies aber auch der Moment, in dem man in sich geht und fragt, was man eigentlich vom Rundgang erwartet.
Das neue Museum ist ein Reizthema. In dem Augenblick, in dem die ersten Entwürfe zum Neubau präsentiert wurden, starteten zum Teil kontroverse Diskussionen – nicht nur über die äußere Form des Gebäudes. Auf einer der letzten Pressekonferenzen, die den aktuellen Betonkubus als finale Version der Öffentlichkeit vorgestellte, erhob sich eine Stimme aus dem Publikum, die ihren Unmut darüber kundtat, dass ein Museum – ganz zu schweigen vom vorgesehene Kubus – den Kosmos »Bauhaus« keineswegs angemessen repräsentieren würde. Der Sprecher kam allerdings mit seinen Ausführungen nicht bis zum Ende. Der Einwurf wurde von der anwesenden Pressefrau recht zügig abgewürgt. Die Frage bleibt jedoch im Raum stehen.
In den Feuilletons diverser Zeitungen wurde seit Beginn des aktuellen Jubiläumsjahres schon hitzig über das Bauhaus und seine Vereinnahmung für die verschiedensten Interessengruppen diskutiert. Man könnte also ohne Weiteres sagen: Das Bauhaus ist nach wie vor politisch. Und damit nicht bloß ein historischer Zeitabschnitt, dem man aus aktuellem Anlass erinnert und ein Denkmal setzt.
Worin aber besteht seine aktuelle Bedeutung? Genau da wird es wieder kompliziert. Denn das Bauhaus war nie auf eine Theorie, einen Stil, eine Marke oder eine Architektur beschränkt. Es war ein Ort, an dem eine Vielfalt an Zugängen und Zielen künstlerischen Arbeitens gelehrt wurden. Oskar Schlemmer bemerkte nach einem Streit unter den Lehrkräften über die inhaltliche Ausrichtung des Bauhauses, kaum ein Jahr nach dessen Gründung: »Es ist wohl berechtigt, zu sagen, das Bauhaus ist eine schöne Fassade, ein Begriff, eine Idee.«
Für die museale Präsentation ergeben sich daraus einige Schwierigkeiten. »Welches Bauhaus soll’s denn sein?« titelte Niklas Maak dazu treffend in der FAZ. Erwartet wird, neben einer reichen Auswahl an unterschiedlichen Objekten, ein starker Activity–Bereich. Andernfalls würde man in den Verdacht geraten, eine reine Geschichts– oder Möbelausstellung zu zeigen, was dem Charakter des Bauhauses nicht gerecht würde.

Was der Besucher in den Ausstellungsräumen dann tatsächlich antrifft, ist im Wesentlichen, was man bereits aus anderen Schauen zum Thema Bauhaus kennt: Möbel, Modelle, Pamphlete, Grafiken, Fotografien von Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Johannes Itten, Marcel Breuer, Oskar Schlemmer und Laszlo Moholy–Nagy. Gezeigt werden sie in Vitrinen, auf Podesten und an den Wänden. Kernthemen kontextualisieren die Exponate und strukturieren den geschossübergreifenden Erzählstrang. Er beginnt auf der untersten Ebene mit dem »Neuen Menschen«, gefolgt von »Neuer Alltag« bzw. »Neues Wohnen« (Stichwort: Frankfurter Küche) sowie das wichtige Experimentierfeld der Bauhausbühne. Im obersten Stockwerk wird schließlich gefragt: »Was bleibt?«. Gezeigt werden Kurzfilme über aktuelle sozialreformerische Projekte aus der Nachbarschaft. Hängen bleibt u.a. das Porträt eines Kleingärtners, der zum Vorsitzenden der Anlage wurde und sich seither mit anderen Pächtern über die Auslegung der Kleingartenverordnung streitet. Er wirkt frustriert. Denn offenbar hatte er sich erhofft, dass man Probleme ganz einfach gemeinsam lösen kann.

»Gemeinschaft« ist auch das Stichwort für das neue Vermittlungskonzept des Museums. Es ist vom Besucher her gedacht, genauer: dem Schüler. In Kooperation mit den Kuratoren und neun Partnerschulen aus der Region haben sogenannte »Bauhaus Agenten« Konzepte für die Besucherorientierung und Inhalte für verschiedene Medien entwickelt. In einer Pressemitteilung liest man von »Bauhaus Aktören« als lebendigen Vermittlungsstationen (in Form von Zeitungslesern, Handwerksmeistern oder Wissenschaftlern), die Besuchern am Wochenende Geschichten erzählen und kleine Experimente in der Tasche haben. Ferner gibt es Bauhaus–Spiele mit überdimensionalen Bauklötzen in »öffentlichen Bereichen« des Museums, Werklabore, in denen eigene Designobjekte gestaltet werden (zu festen Zeiten, s. Tafel über Kasse) sowie die App »Bauhaus+« als multimedialen Ausstellungsbegleiter.

Wer jedoch außerhalb der Zeiten kommt, genießt nur die Otto–Normal–Tour, ohne »Aktöre«, Bauklötze und Werklabor. Und so klettert man deprimiert über den recht steilen, engen Treppenschacht vom Obergeschoss zurück auf die Eingangsebene. Der Gang gleicht dem beklemmenden Abstieg in ein ägyptisches Pharaonengrab.
Kein Glanz oder Funken, den die Schule von Weimar über Dresden und Berlin einst in alle Welt trug, erhellt das Haus. Stattdessen senkt sich ein grauer Sarkophag auf das Bauhaus herab. Eigentlich sollte man Blumen am Eingang niederlegen. Im stillen Gedenken an eine inspirierende äußerst vitale Idee, die hier zu Grabe getragen wurde. Es ist zu hoffen, dass das Ausstellungskonzept wie auch das Konzept der »Aktöre« noch eine Überarbeitung erfährt, z.B. durch Wechselausstellungen rund um die Ausstrahlung des Bauhauses in die Welt, Themenschauen zum Leben am Bauhaus sowie den diversen anderen Werkstätten abseits der Bühne.

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