Kataloge

Schulze Altcappenberg, Hein-Th. und Thimann, Michael (Hrsg.): Disegno. Der Zeichner im Bild der Frühen Neuzeit, Katalog zur Ausstellung, Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, Deutscher Kunstverlag, Berlin und München 2007.

Im Kupferstichkabinett des Berliner Kulturforums läuft noch bis zum 24. Februar 2008 die Ausstellung »Disegno. Der Zeichner im Bild der Frühen Neuzeit«, als Auftakt zum groß angelegten Ausstellungszyklus »Der Kult des Künstlers«, der in Kooperation mit dem Kunsthistorischen Institut in Florenz entstanden ist und auf dem Projekt »Das wissende Bild. Epistemologische Grundlagen profaner Bildlichkeit vom 15. bis 19. Jahrhundert« basiert.

Im interdisziplinären Austausch von Kunstgeschichte und Philosophie werden die wissensgeschichtlichen Grundlagen des neuzeitlichen Bildes mit Schwerpunkt Mythologie und Naturphilosophie untersucht. Die moderne Künstlerselbstdarstellung nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein (www.daswissendebild.de).

Die Ausstellung im Berliner Kupferstichkabinett und der begleitende Katalog präsentieren die Entwicklung des Künstler-Ichs bis zu ihren Ursprüngen anhand des Motivs des Zeichners im Bild der Frühen Neuzeit. Zu sehen sind Zeichnungen, druckgrafische Werke und illustrierte Bücher von der Renaissance bis zur holländischen Kunst des 17. Jahrhunderts, darunter kostbare Blätter von Maso Finiguerra, Albrecht Dürer, Marten von Heemskerck, Enea Vico, Annibale Carracci, Matthäus Merian d. Ä. und der Rembrandt-Zeit.

 

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Im Mittelpunkt der Ausstellung und am Anfang des Kataloges steht die »Große Ansicht von Florenz« (1500/10), die auch unter dem Namen »Kettenplan« berühmt wurde. Auf diesem einzig erhaltenen Monumentalholzschnitt von Lucantonio degli Uberti nach einem verlorenen Kupferstich Francesco Rossellis erscheint erstmals der Künstler programmatisch als entwerfender Zeichner, also als Schöpfer seines Werkes im Bild selbst. Die Figur steht in der Tradition der florentinischen Atelierpraxis des Quattrocento, die, in die freie Natur gesetzt, zugleich ein neues Motiv begründet: den Künstler in der Landschaft. Ein Novum ist außerdem, dass der Zeichner hier die damalige Metropole Florenz als komplexes Gefüge aus der Vogelperspektive darstellt – ein Meilenstein in der Entwicklung von Wahrnehmung und künstlerischer Umsetzung. Im Katalog kann die Ansicht in Form einer farbigen, 22x28 cm großen Klapptafel betrachtet werden.

Fünf weitere Themengruppen gliedern das umfangreiche Material: Antike, Natur, Hand und Instrument, Studio und Atelier, Akademie und Allegorie. Quer durch alle Bereiche kann anschaulich die Genese des »disegno«-Begriffs verfolgt werden – wie die Künstler beginnen, ihre Vorstellungskraft, gestalterischen Fähigkeiten und Bilder zu reflektieren und mit der Darstellung ihrer Tätigkeit zu nobilitieren. Sehr deutlich zu erkennen ist in vielen Blättern die Vergeistigung der Hand des Zeichners, die die Gedanken und Bilder im Kopf des Künstlers in die materielle Erscheinung umsetzen kann. Wesentliche Instrumente dieser Erkenntnis sind das Zeichnen als Aktivität und die Zeichnung als vollendetes Werk, also der Prozess zwischen Hirn und Hand.

Dem Werkkatalog vorangestellt sind vier einleitende Essays, von denen sich der erste ausführlich mit dem »Kettenplan« und dem Bild des Zeichners beschäftigt. Dabei löst Hein Schulze Altcappenberg auch das Bildrätsel der namengebenden Gliederkette mit dem plastisch und funktional exponierten Schloss als Rahmenelement auf, das schon verschiedentlich interpretiert wurde. Er kommt zu der schlüssigen These, dass das Schloss-Motiv auf der einen Seite zusammen mit dem Motiv des Zeichners bei der Arbeit diagonal dazu auf der anderen Seite als Gleichnis zu lesen sei: »Wie Hügelketten und Mauern die Stadt außen umringen und wie Eisenketten und Schloss dieses Wunderwerk an Architektur und politischer Autonomie in einem Bild vor dem Bilde sichern und verewigen, so planvoll und eigenständig ist der künstlerische Akt.«

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Um künstlerisches und wissenschaftliches Zeichnen in den verschiedenen Wissensgebieten, um den Unterschied von »Idea« und »Conterfei« in der Frühen Neuzeit dreht sich der Aufsatz von Michael Thimannn. Ausgehend von Vasaris Begriffsdefinition des »disegno« und dessen Beschreibung von Parmigianinos Selbstbildnis im Konvexspiegel geht er der Frage nach, wie sich der Zusammenhang von Zeichnung und Erkenntnis, von Bild und Wissenschaft für das 16. Jahrhundert über die Grenzen Italiens hinaus beschreiben lässt, auch wenn Werkbestände und Zeichnerfiguren sich nicht so leicht in die Schemata »künstlerisch« oder »wissenschaftlich« einordnen lassen, wie z. B. die Pflanzenzeichnungen im Kräuterbuch des Botanikers Leonhart Fuchs (Basel 1542). Das letzte Blatt stellt die drei am Entstehungsprozess des Buches beteiligten Künstler dar – die Zeichner Heinrich Füllmaurer und Albrecht Meyer sowie der Holzschneider Veit Rudolf Specklin – und ist auch in der Ausstellung zu sehen.

Heiko Damm widmet sich der gezeichneten Künstlerbiografie Federico Zuccaris, der mit einem Zyklus von 20 Blättern seinem früh verstorbenen Bruder Taddeo ein Denkmal setzte. Darin hebt Federico Zuccari vor allem die Entfaltung des Ingeniums durch den selbstbestimmten Erwerb des »disegno« hervor, in Gestalt seines zeichnenden Bruders Taddeo, dessen Vita als tugendhaftes Beispiel zum Erwerb der Zeichenkunst als höchstes Ziel auffordern sollte. In der Schau sind von der Bildfolge zwei Blätter enthalten, bei denen es sich um Kopien von unbekannter Hand nach Zuccari handelt.

Ausgehend von einem Atelierbild des Malers Barent Fabritius aus dem Jahr 1655 untersucht Ulrich Pfisterer die Elemente und Entwicklungen der italienischen »disegno«-Theorien der Frühen Neuzeit und die kritische Auseinandersetzung damit in den holländischen Gemälden des 17. Jahrhunderts. Das Atelierbild, das vordergründig einen jungen Maler vor der Staffelei zeigt, bei näherem Hinsehen jedoch viele Details offenbart, die die Wesensmerkmale der Zeichnung thematisieren, wie sie in den vorausgehenden Jahrhunderten entwickelt worden waren, ist »als anschauliches Lehrstück über künstlerisches Schaffen, Malerei und Zeichnung« zu deuten.

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