Ausstellungsbesprechungen

Sebastian Gräfe, Milchgrau bis Nachtblau

Flankiert von Birnbäumen und Flugverkehreinzugsschneisen präsentieren sich dem weit gereisten Besucher der Simultanhalle Köln derzeit zwei Baugerüste. Zwei Baugerüste mit orangefarbenen Liegestühlen in der dritten Gerüstetage, ein bisschen Baustellendreck klebt hier und da an den schroffen Holzlatten und Leitersprossen.

Das alles nicht, wie man es kennt, draußen, an einer Hauswand, sondern in der Halle selbst. Und dieses Gestell soll man nun erklettern?

 

Am Abend der Ausstellungseröffnung regnet es nicht, und der Himmel ist: ja, zunächst milchgrau, später dann nachtblau, eben so, wie es auf den Einladungspostkarten steht. Die Besucher der Ausstellung schauen zunächst etwas unschlüssig, wenn nicht skeptisch, auf die vermeintliche Baustelle. Dabei geht es nicht um das Betrachten, es geht um das Benutzen. Hier gibt es kein »Bitte nicht berühren«, im Gegenteil. Wer hier nicht hochklettert, verpasst den ganzen Spaß.

 

Sebastian Gräfe (geb. 1976) heißt der Mann, der die andernorts in erster Linie zweckgerichtete Montage von Baugerüsten hier als Mittel zum Zweck verwendet, und einlädt, die drei Etagen des Baugerüsts zu erklimmen, um schließlich einen Blick in den Himmel zu gewinnen. Dieser nimmt im Laufe des Tages bekanntermaßen verschiedene Farben an, von milchgrau bis nachtblau. Allein die Liegestühle warten mit sonnenverblichenem orange auf. In ihnen Platz genommen sitzt man da, und sitzt und guckt, durch die Schettdächer in den Himmel hinein. Fliegt ein Flugzeug vorbei, so schließt sich der Kreis der Kunst, der außerhalb der Halle in einem Birnbaum beginnt: Dort, 5 Meter tiefer, hängt ein unscheinbarer Lautsprecher zwischen dem Blattwerk, und knistert hin und wieder ungeahnt Poetisches aus dem Flugraum über uns hervor. Geschichten, die uns umgeben, und uns dennoch entgehen. Genaues Hinhören schärft das Interesse an dem Erzählten, klarer wird der Inhalt jedoch nicht. Und das macht die Poesie des ganzen aus. So befindet man sich entweder in 6 Metern Höhe, und sitzt und guckt, oder unter einem Birnbaum, und steht und lauscht.

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In seinem hellen Trenchcoat erinnert Sebastian Gräfe ein wenig an einen Detektiv. Ein Detektiv, der Fingerabdrücke der Gesellschaft nimmt und ihr Fallen legt – zum Beispiel mit Kakteen! Oder er nimmt eine Verfolgungsjagd mit einer Plastiktüte auf, der der Wind zur Flucht durch die Stadt verhilft. Gräfes Kunst scheint uns immer wieder vertraut, verwirklicht sie doch Ideen, die wir alle haben oder glauben immer gehabt zu haben. Doch im Gegensatz zu uns trägem Fußvolk unternimmt Gräfe genau das: er entdeckt im Alltag Dinge, die andere übersehen, stößt uns mit der Nase auf unsere unmittelbare Umgebung, und zeigt uns seine Welt, die doch keine andere ist, als die, in der wir alle leben. Glauben kann man genau das angesichts all der fantastischen Einfälle zunächst kaum.

 

In seiner Unmittelbarkeit und Einfachheit ist Gräfes Kunst wie ein kleines, pelziges Tier, dessen Ohren zu kraulen man nicht widerstehen kann. So hat auch das Gerüst in der Simultanhalle einen anhaltenden Reiz. Einmal hinaufklettern genügt nicht. Man möchte noch einmal hoch, noch einmal prüfen, welche Farbe der Himmel hat, welches Flugzeug vorbei geflogen kommt, oder einfach nur von oben heruntersehen auf den roten Fliesenboden. 

 

Schließlich verspricht uns Gräfe hier das Blaue vom Himmel herunter, und er hält, was er verspricht. Man kann sich gut vorstellen, dort oben ein bisschen zu verweilen, auf diesem Aussichtspunkt. Man könnte ein Buch mitnehmen, oder aber unter dem Birnbaum eine Tasse Kaffee oder Tee trinken. – Tee! Ja, Tee wäre es auch gewesen, den Gräfe zur Eröffnung seiner Ausstellung vorzugsweise anstelle des einheimischen Kölsch allen Anwesenden kredenzt hätte. Stattdessen aber gibt es Bier und Möhren.

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Und wieder einmal stellt man fest, wie sympathisch die Simultanhalle, ihr Kuratorenteam und die ausgestellte Kunst daher kommen. »Heimelig« ist vielleicht das treffende Adjektiv, aber nicht im Geringsten altmodisch oder gar langweilig. Vereinzelt laufen Kinder durch das Bild, wer Glück hat, bekommt ein Stück Pflaumenkuchen, und das ein oder andere Kaninchen kommt über den Parkplatz gehoppelt, fernab der Kölner Innenstadt.

 

Noch bis zum 6. Oktober kann man in der Simultanhalle auf Baugerüste klettern, Flugverkehrsfunkpoesie aus dem alten Birnbaum lauschen, und im Strandliegestuhl dem Farbwechsel des Himmels Gesellschaft leisten.

 

 

 

 

Öffnungszeiten

Samstag und Sonntag 14-18 Uhr, u.n.V.

Finissage: 6. Oktober 2007, 19 Uhr

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