Rezensionen

Sebastian Karnatz, Nico Kirchberger (Hg.): Signatur und Selbstbild, Reimer 2019

Es ist vor allen Dingen die Signatur, mit der sich ein Künstler als Urheber eines Werkes zu erkennen gibt und die das Kunstwerk in verschiedene Zusammenhänge, wie die Biografie des Künstlers, andere Werke oder auch ein bestimmtes Image, stellt. In dem von Sebastian Karnatz und Nico Kirchberger herausgegebenen Buch »Signatur und Selbstbild. Die Rolle des Künstlers vom Mittelalter bis in die Gegenwart« zeigen Expertinnen und Experten nicht nur eine Art Geschichte des Urheberrechts, sondern eröffnen viele spannende Facetten im Verhältnis von Künstler, Werk und Rezeption durch mehrere Jahrhunderte. Susanne Braun hat ein, über weite Strecken sehr unterhaltsames Buch mit vielen spannenden Anekdoten gelesen.

 George Grosz war ein glühender Anhänger des Boxsports. Barbara Reil hat erforscht, dass der Boxer dabei stellvertretend für die Rolle des Künstlers stand, der für Grosz das »Aktions– und Reaktionsverhalten« eines Schwerathleten benötigte. Mit dieser Faszination für die Figur des Boxers war George Grosz nicht allein, sie wirkte auch auf Künstler wie Charlie Chaplin und auf viele im Umfeld der Dada–Bewegung sehr anziehend. Doch Barbara Reil legt dar, dass kaum jemand diesem Sport in seiner Kunst so viel Raum gewidmet hat, wie George Grosz: »In Fotografien inszeniert er sich selbst am Punching–Ball oder beim Sparring mit John Heartfield (…), bei Vortragsabenden und Performances der Berliner Dada–Bewegung füllt er Programmlücken mit Boxpantomimen; Boxmotive finden sich in seinen politischen Arbeiten für die kommunistische Partei, in Texten wie der Kautschukmann sowie zahlreichen Gemälden, Zeichnungen und Grafiken«. Gelungen ist ihm damit eine Identifikationsfigur für die bewegten 1920er Jahre: »Viele erlebten das Geschehen im und um den Ring als ebenso aufregend und schockierend, als so schnell und mitunter brutal, wie die gesellschaftlichen, politischen und technischen Entwicklungen, die ihre Welt von und ihr Leben von Grund auf verändert hatten«.

Mit ganz anderen Sorgen muss sich die Hofmalerin und Professorin Catharina Treu Ende des 18. Jahrhunderts herumschlagen. Mit ihren Stillleben, die sich vor allen Dingen an der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts orientierten, war sie außergewöhnlich erfolgreich. Dadurch bringt sie es bis zur Hofmalerin in Mannheim inklusive stattlichem Gehalt, was nach den Erkenntnissen von Elena Hahn als eine große Anerkennung des damaligen Kurfürsten zu verstehen ist. 1776 wird sie sogar als Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf berufen und bekleidet »als eine der ersten Frauen überhaupt im deutschsprachigen Raum eine derartige Position«. Dabei war Catharina Treu in ihren Briefen stets sehr darum bemüht, als ausgesprochen fleißig zu gelten. Elena Hahns Forschungen haben ergeben, dass die Malerin so den Erwartungen ihrer Zeit entsprechen konnte: »Der Weg der mühevollen Arbeit war der Pfad zur Tugend – und da sich Tugend beim Künstler durch geistige Begabung und Erfindungskraft manifestierte, konnte er durch fortwährende Kunstübung und Fleiß seine Tugendhaftigkeit und intellektuelle Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen«.

Mit der traditionellen Malerei gebrochen und sie doch gleichzeitig wieder in das kollektive Gedächtnis gerufen, hat der Sprayer Blek le Rat. Mit Hilfe einer Schablone hat der Straßenkünstler viele Häuser in Paris mit seiner comicartigen Ratte »getaggt«. Laut Valeri Lalov ist die Ratte der »vorgeprägte Code« einer »Überlebenskünstlerin«, die sinnbildlich für die gesellschaftlichen Probleme in der französischen Hauptstadt steht. Inspiriert durch Andy Warhol, sprüht Blek le Rat außerdem ikonische Figuren der Kunstgeschichte serienmäßig und lebensgroß an die Pariser Hauswände – darunter die ikonischen Silhouetten der »Madonna« von Caravaggio oder eine der »Sybillen« von Michelangelo. Laut Valeri Lalov macht er die Alten Meister dadurch nicht nur »wieder für jeden zugänglich, sondern er stellte sie auf diese Weise in einen völlig neuen, in die Gegenwart gebundenen Kontext«.

In insgesamt 18 Texten skizzieren die Expertinnen und Experten die Eigenheiten und das Kunstverständnis von Künstlern und Architekten. Dazu gehören Aspekte, die auf den ersten Blick nicht immer viele Gemeinsamkeiten haben: das Design des 20. Jahrhunderts, die Selbstporträts des Malers Max Beckmann, das Kunstverständnis und die Eigenheiten Adolf Hitlers, die Werke des Hofkünstlers von Markgraf Christian Ernst von Brandenburg–Bayreuth, die zahlreichen Porträts der Schauspielerin Tilla Durieux unterschiedlichster Maler oder ideengeschichtliche Überlegungen aus der Zeit des Spätmittelalters. Das Buch, das im Übrigen eine Festschrift zum 60. Geburtstag des Filmregisseurs und Kunsthistorikers Albert Dietl ist, eröffnet letztlich nicht nur aus kulturhistorischer Perspektive ein spannendes Panorama, sondern bietet auch die meiste Zeit über eine ausgesprochen unterhaltsame Lektüre.

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