Ausstellungsbesprechungen

Shirin Neshat.

„In niz migozarad - Auch dies wird vorübergehen; nichts ist für immer“, so ein altes arabisches Sprichwort.

Die erste Einzelausstellung der amerikanisch-iranischen Künstlerin Shirin Neshat in Berlin bietet kein Orientbild und keine politische Orientierung über den nahen Osten an. Alles was gesagt werden soll, erscheint in der Kunst und durch die Kunst.

Der WerkRaum des Hamburger Bahnhofs widmet sich im wesentlichen ihren zwei neuen Arbeiten, der Mehrfachprojektion Mahdokht (2004) und der Einzelprojektion Zarin (2005), die in Berlin erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Beide Filminstallationen sind Teil eines geplanten fünfteiligen Spielfilms „Women without Men“, der auf dem gleichnamigen Roman der iranischen Schriftstellerin Shahrnush Parsipur basiert. Die Autorin wurde kurz nach Erscheinen des Buches 1989 in Teheran verhaftet - zu provokativ und revolutionär waren ihre zeitgenössischen Schilderungen des kulturell und religiös unterdrückten Lebens der Frauen im Iran. Shirin Neshats Allegorien greifen in Form von Videoprojektionen nach dem Leben von fünf Frauen die sich nach ihrem harten irdischen Dasein im Garten Eden wider finden. Der unverwechselbare, nüchterne, minimalistische Stil Neshats bezieht sich auf die sozialen Dränge der iranischen Gesellschaft und verbindet sich visuell wie auch literarisch mit den Ismen des Islams. Diese Kunst steht für einen Paradigmenwechsel in der künstlerischen Entwicklung des Nahen Ostens. Sie setzt sich ebenso kritisch mit dem Orientbild des Westens auseinander, wie mit den sozialen, moralischen und politischen Bedingungen ihrer Region.

Shirin Neshat manifestiert zunehmend die Auseinandersetzung mit dem tabusierten Thema der weiblichen Sexualität und den Konflikt von westlichen und östlichen Lebensweisen. Inspiriert von persischer Literatur entstand in der Zeit von 1993-1997 u.a. der Zyklus „Women of Allah“, fotografische Selbstportraits der Künstlerin im Tschador mit Schusswaffen, die auf den unbedeckten Körperteilen mit Texten der feministischen Dichterin Forough Farrokhzad beschrieben sind. Sie hinterfragen sowohl das alte als auch das neue Orientbild.

In den vergangenen Jahren ist Neshat von der Schwarzweißfotografie über Installationen mit doppelten Filmprojektionen zu Kurzfilmen vorgestoßen und bereitet somit das Bett für ihren ersten Spielfilm in Farbe. Einige Werke aus dem frühen Fotografiezyklus und der Film „Rapture“ aus dem Jahr 1999 unterstreichen das Szenarium eindrucksvoll.

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Je länger die Ausstellungsarchitektur mit Neshats Werken wirkt, desto stärker wird der Eindruck, dass die Kunst trotz ihres provozierenden Gestus´ einen Moment der Verzauberung enthält. Das Gleiten der Bedeutungsperspektiven, das geschickte Verbergen, Verschleiern und Umspielen des Eigentlichen macht Lust auf mehr - gerade weil es ohne Parolen und Exotismus auskommt. Letztendlich ist der Haupteffekt von Shirin Neshats Inszenierungen das Verständnis des eigenen Blicks - die Selbsterkenntnis. 

 

Weitere Informationen

 

Öffnungszeiten
Di – Fr 10 - 18h (donnerstags 14 - 18h freier Eintritt!),
Samstag 11 - 20h, So 11 - 18h

www.hamburgerbahnhof.de

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