Buchrezensionen

Siepe, Franz: Die Farben des Eros. Das Schönheitsideal im Wandel der Zeit, wjs-Verlag, Berlin 2007.

Als fleißiger Rezensent ist der Autor von »Die Farben des Eros« den Lesern des Portals bestens bekannt, und auch mit seinen beiden ersten Büchern hat Franz Siepe auf sich aufmerksam gemacht. Zuerst erschien eine Studie über »Fragen der Marienverehrung«, dann das Buch »Farben des Eros«, das er 2004 mit dem barocken Untertitel »Marginalien zur Kulturgeschichte der Liebes- und Schönheitswahrnehmung in Antike und christlichem Abendland« im Eigenverlag herausgebracht hat.

Das jetzige, uneingeschränkt empfehlenswerte Buch betrachtet Siepe als die entakademisierte Neufassung von »Farben des Eros«; oder er sieht »Farben des Eros« mit seinen mehr als eintausend Fußnoten und der zwanzig Seiten umfassenden Literaturliste als eine wissenschaftliche Vorarbeit zu dem jetzigen Buch.

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»Die Farben des Eros« umfasst nicht mehr 28, sondern nur noch 21 Kapitel, behandelt aber dieselbe Stoffmenge. Alle Kapitel nehmen ihren Ausgang von einer ihnen vorangestellten Illustration. Die ersten sieben sind der Antike gewidmet, die zweiten dem Mittelalter bis zur Renaissance, die letzten sieben endlich der Neuzeit. Dabei kam es dem Autor ganz offensichtlich darauf an, dass jede Episode in sich abgeschlossen und für sich lesbar ist. Und alles wird in einer sehr klaren und durchsichtigen Sprache vorgetragen. Von kunsthistorischem Interesse ist es dabei besonders, wie Siepe die Interpretation der Bilder in den Gang seiner Kulturgeschichte einfügt, zum Beispiel bei der bekannten »Olympia« Eduard Manets, die auch den Umschlag ziert.

 

Worum es Siepe geht und wie er sein Thema der Liebes- und Schönheitswahrnehmung behandelt, das lässt sich in »Artemis und Aphrodite oder Der zweifache Eros« am besten erkennen, in dem die »gemeine« und dunkle der goldenen und »himmlischen Aphrodite« entgegengestellt wird. »Diese himmlische Liebe«, schreibt Siepe, »fordert keineswegs völlige Enthaltsamkeit, wie man das mit dem Vorverständnis christlich-asketischer Prägung erwarten könnte. Sie ist aber wählerisch, weil sie die Entfaltung der guten menschlichen Anlagen bezweckt. Demgegenüber erschöpft sich die gemeine Liebe im Genießen der puren Körperlust.« Die beiden Aphroditen veranschaulichen den Dualismus des Blonden und des Dunklen, wobei nicht allein die Haarfarbe, sondern auch die Tönung der Haut angesprochen ist. Das Dunkle steht für die sinnliche, das Blonde für die geistige Liebe, so die Erkenntnis des Autors.

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Keinesfalls meint der Titel des Buches also allein die Farbe des Haares. »Beliebt in der antiken Dichtung war der Vergleich dieses Farbenspiels des schönen weiblichen Teints mit Rose oder Lilie oder mit Rose und Schnee. Doch vor allem war es das glanzvolle Weiß, das eine Schöne erst zur Schönen machte. »Weißarmig« oder »weißer als Elfenbein« heißt es schon ganz am Anfang der griechischen Dichtung bei Homer, dem Dichter der »Odyssee« und der »Illias«, wenn er in poetischer Sprache ein Ideal liebreizender Weiblichkeit präsentiert.« Von wesentlichem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung des kanadischen Anthropologen Peter Frost, dass die Hauttönung des Menschen sich nach dem Geschlecht unterscheidet: Die Frau ist in aller Regel hellhäutiger als der Mann.

 

Im letzten Kapitel seines Buches spricht Siepe die bereits in seinem ersten Kapitel berührte Atalante wieder an. Atalante war eine Jägerin, die sich allein dem Mann ergeben wollte, der sie im Wettlauf besiegte; sie wurde auf Vasen hellhäutig zwischen dunkelhäutigen Männern abgebildet. Das Abschlusskapitel konfrontiert den Leser mit der merkwürdigen Tatsache, dass unsere Zeit jahrtausendealte Wertungen direkt umgekehrt hat; es scheint die Modeschöpferin Coco Chanel gewesen zu sein, die 1923 das Ideal der sonnengebräunten Haut der Hautevolee nahegebracht hat. Nie zuvor ward der sonnengebräunte Frauenkörper hoch geschätzt und nie zuvor das Blonde und Lichte abwertend beurteilt. Vielmehr schien das Blond einstmals am Wesen des Lichts teilzuhaben und auf eine nicht-sinnliche Liebe zu deuten, nicht auf Dummheit und Mannstollheit wie im 20. Jahrhundert. »Auch die Frivolität, erwachsene Frauen mir nichts, dir nichts unter dem Etikett »Girl« zu handeln, hat sich seit damals (seit den Zwanzigerjahren) gehalten. Der letzte Schrei in der globalen Massenkultur für Heranwachsende ist offenbar das US-Exportprodukt des Ghetto Girls, das allerlei Lust verspricht; nur gerade nicht die der himmlischen Liebe.«

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