Ausstellungsbesprechungen

Simon Schwartz – Geschichtsbilder. Comics & Graphic Novels, Angermuseum Erfurt, bis 9. September 2018

Mit Simon Schwartz würdigt das Erfurter Angermuseum ein Kind seiner Stadt nun mit einer kleinen Kabinettausstellung. Was es dort zu sehen gibt, verrät Stefanie Handke.

Vom namenlosen Comic-Zeichner für die »Mosaik«-Reihe zum preisgekrönten Schöpfer von Graphic Novels und inzwischen auch Lehrbeauftragten für den Studiengang Illustration an der HAW Hamburg – diesen Weg zeichnet die kleine, aber feine Ausstellung im Grafikkabinett des Angermuseums nun nach.

Kein Wunder also, dass seine Jahre als Zeichner für den Kultcomic »Mosaik« ebenso thematisiert werden wie sein neuestes Werk »IKON«. Vor allem aber ermöglicht die Schau einen Blick auf die Arbeitsweise des Künstlers, der sich selbst vor allem als Illustrator versteht. Unter anderem zeichnet er für das Kinder-Wissensmagazin Geolino, die FAZ, die ZEIT Sie zeigt nicht etwa vergrößerte Prints seiner Comic-Seiten, sondern zahlreiche Original-Entwürfe: Kreidezeichnungen ebenso wie Gouachen und Tuschezeichnungen, Skizzen und Druckgrafiken.

Einige der Bilder dürften aber kaum einem breiteren Publikum bekannt sein – oder gar nicht, wenn sie erstmals zu sehen sind! Insbesondere sein im Selbstverlag erschienener Comic »Die Moritaten/Der Golem« (2004 – 2006) ist eine spannende Entdeckung. Hier manifestiert sich seine expressionistische Bildsprache besonders auffällig in den düsteren Figuren vor bedrohlichem Hintergrund in historischer Kulisse. Zugleich aber zeigt sich immer wieder der Einfluss der Mosaik-Comics in den Figuren der Comics. Vor diesem Hintergrund ist das Zeigen der Entwürfe für die Comics wirklich dankbar, denn diese ermöglichen es, die Bedeutung des Werks von Hannes Hegen auf Schwartz zu beobachten.

Überhaupt; das Historische! Die Comicromane des Hamburgers entstehen nicht im fiktionalen Raum, nein, Schwartz thematisiert stets historische und biografische Situationen. Bekanntestes Beispiel ist freilich sein preisgekröntes Debüt »drüben!« aus dem Jahr 2009, für das er intensiv zur Ausreise seiner Eltern aus der DDR recherchierte, die er im Alter von zwei Jahren erlebte. Besonders die bedrohliche Kulisse der Wiedereinreise zum Besuch der noch in der DDR lebenden Großmutter beeindruckt dabei.

Seitdem sind drei weitere Bände erschienen: »Packeis« erzählt die Geschichte des afroamerikanischen Polarforschers Matthew Henson, der als Experte für Hundeschlitten galt, schon auf seiner ersten Grönland-Expedition die Inuit-Sprache erlernt hatte, und fester Bestandteil der Expeditionen Robert Edwin Pearys war. Tribalistische Motive dominieren diesen Comic, in dem der Künstler auch Sagen der Inuit als Parallele zur Biografie Hensons verarbeitete. Auch seine Tätigkeit für die Zeitung »Der Freitag«, die Serie »Vita Obscura« wurde 2014 noch einmal als Band veröffentlicht. Neben den unbekannten historischen Figuren bezog der Illustrator hier auch das Vorbild der amerikanischen Sonntagsseiten mit in seine Arbeit ein. Sein neuestes Werk »IKON« schließt sich mit der Hauptfigur Gleb Botkin, der im Umfeld der russischen Zarenfamilie aufwuchs und eine Anna Anderson, die behauptete die überlebende Anastasia Romanowa zu sein, an diese Reihe an.

Die Stärke der Schau liegt freilich darin, Originale und keine Drucke zu zeigen, denn oft gewinnen die Zeichnungen Schwartz' dadurch noch an Eindruck. Ebenso spannend sind seine Entwürfe für den »Kubus der friedlichen Revolution« in der Gedenkstätte Andreasstraße in Erfurt, dessen Glasfassade mit einem etwa 40 Meter langen Bildfries versehen ist. Das Konvolut der Zeichnungen stammt dabei aus dem Bestand des Angermuseums – sein Erwerb ist im Übrigen der Anlass für die Präsentation mit zahlreichen Leihgaben des Künstlers. Und so bietet die kleine Ausstellung ein Panorama der Arbeit eines der prominentesten deutschen Comic-Künstler, der beweist, dass Geschichte spannend ist und diese in seiner Arbeit anschaulich in Szene setzt.

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