Ausstellungsbesprechungen

Skulptur ist, wenn ..., Kunsthalle Göppingen, bis 17. März 2013

Werner Pokorny hat zehn Künstler um sich geschart, die auf persönliche Art und Weise der Frage nachgehen, was eine Skulptur ist. Frei von zwanghaften Bindungen an traditionelle Techniken und Darstellungsweisen zeigt sich skulpturales Denken in verschiedensten Formen und Techniken. Für Kurzentschlossene ist die Ausstellung noch bis 17. März in Göppingen zu sehen, ansonsten bis Ende April in Ettlingen. Günter Baumann hat sich bereits umgeschaut.

Inoffiziell ist es eine Ausstellung zu Ehren von Werner Pokorny, der (Ex-)Schüler um sich scharte und zugleich Abstand zu seiner Arbeit als Professor in Stuttgart suchte – und mittlerweile gewonnen hat. Dem Konzept nach ist die Schau »Skulptur ist, wenn …« ein Diskurs einer Gruppe von Bildhauern, die auf die Grundkoordinaten von Masse und Volumen in Raum und Zeit eingeschworen sind und eine spielerisch-experimentelle Antwort auf die bildhauerische Gretchenfrage im Titel geben. Eines ist klar: Skulptur ist mehr als Marmor und Bronze, auch mehr als edle Größe und stille Einfalt – kann zum Beispiel auch eine Videoplastik sein oder ein Unterwasserhörspiel, überhaupt erstmal skulpturales Denken. Nachdem sich die Malerei längst über alle Gattungen ausgeweitet hat und die Zeichnung in den letzten Jahren gerade eine Liaison mit der dreidimensionalen Kunst eingegangen ist, verwundert es nicht, dass der erweiterte Plastikbegriff nicht nur seine Offenheit gegenüber der konzeptionellen Idee bis heute ausgebaut hat, sondern dass man getrost sagen kann: Nahezu alles, was ich – von der Bildhauerperspektive aus gesehen – zum skulpturalen Werk erkläre, ist auch Skulptur!

Werner Pokorny, der mit seinen spielerisch inszenierten Holzmodellen bescheiden zurück ins Glied tritt, zeigte sich begeistert von dem Ideenreichtum und der jeweils ganz eigenständigen Entwicklung seiner ehemaligen Zöglinge. Eingeladen hat er Daniel Beerstecher, Jan Löchte, Gabriela Oberkofler, Tino Panse, Anne Römpp, Stefan Rohrer, Rosa Rücker, Kestas Svirnelis, Manuela Tirler und Pablo Wendel. Dass die Schau ausgesprochen disparat und doch im spielerischen Duktus vereint wahrgenommen wird, liegt sowohl an jenem Ingenium jedes einzelnen Beitrags als auch am akademischen Herkommen. Wenn Pokornys Stuttgarter Klasse sozusagen die Klammer bildete, sieht man den jungen Künstlern doch an, dass auch andere Lehrmeister ihren Einfluss geltend gemacht haben, allen voran der Medienbildhauer Christian Jankowski sowie Micha Ullman, Rainer Ganahl, Udo Koch u.a.m.

Genau genommen markieren die erfrischend frechen und intellektuell anspruchsvollen Arbeiten die Grenzen der Gattung, die auch munter überschritten werden. So gibt sich die Raummalerei von Rosa Rückers »Wurmbibliothek« als Zeichnung, die in der ums Eck gedachten Wahrnehmung zur Plastik mutiert. Auch Pablo Wendel, ohnehin ein Enfant terrible der Kunstszene, liefert seinem Stromaggregat – einer steckdosenübersäten Mülltonne, nach Wendel eine »mobile Kunststromzapfsäule« – gleich Kunststrom-Lieferverträge mit. Der geräuschbeschallte Kleiderschrank von Tino Panse ist auch nur das Endlager einer Unterwasseraktion, der man im vorzüglich gemachten Katalog ein Stück weit folgen kann. Hier sei auch auf den fulminanten Begleittext Marko Schachers verwiesen, der zum besten gehört, was ein Text bieten kann – eine Kostprobe: »Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, einen Schrank im Hafenbecken zu versenken? Einfach so? Um ihm beim Sinken und Blasen-Machen zuzuschauen. Sie nicht? Ich auch nicht. Aber Tino Panse.«

Der Ausstellungsmacher Werner Meyer und Pokorny haben keine Mühe gescheut, auch einen vergoldeten Porsche 911 ins Museum zu stellen, dem Stefan Rohrer den Titel »Helios« gegeben hat. Über die Ikonologie ist der Schritt gar nicht so weit zu den Videoarbeiten Rohrers, die sich an der Musik Rachmaninovs abarbeiten. Leider wird der Porsche aus Platzgründen nicht mehr in Ettlingen zu sehen sein, wohin die Ausstellung weiterzieht. Dort ist die Wirkungsstätte Werner Pokornys. Gewitzt kommen die Arbeiten von Anne Römpp mit ihren filigran ausbalancierten sowie Kestutis Svirnelis mit seinen im wahrsten Sinne des Wortes absurd-luftigen Installationen daher. Dagegen wirken das videobegleitete Vogelkäfig-Arrangement von Gabriela Oberkofler und die stählernen, von kugeligen Steppenläufern inspirierten »Tumbleweeds« von Manuela Tirler fast schon wie klassische Skulpturen, wobei ihre Arbeiten hierin gleich eine Spitzenposition in der gegenwärtigen Kunst einnehmen und doch auch die experimentellen Ränder plastischer Gestaltung markieren – Oberkofler konzeptionell, Tirler materiell.

Skulptur ist, wenn man Räume denkt – so könnte man den Titel vervollständigen. Das trifft besonders auf Daniel Beerstecher zu, der mit seinem Video »Sand am Meer« eher als Wanderer denn als Bildhauer auftritt. Ähnlich bewegt ist die Aktion Jan Löchtes, der im Video unfachmännisch einen Rahmen zimmert, der letztlich den Monitor für selbiges ergibt: »Ist zwar total überflüssig – war aber viel Arbeit, hat einen Haufen Geld gekostet und sieht einfach ziemlich gut aus«, so heißt die Arbeit. Skulptur ist auch, wenn man lacht. Hier und da sitzt tatsächlich der Schalk im Nacken der Künstler, denn wie es das Sprichwort will: Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst. Echte Größe zeigen all diese Künstler dadurch, dass sie dabei nicht stehen bleiben, denn meist berührt ihre Kunst das Leben, im besten Sinn.

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