Ausstellungsbesprechungen

Sound Art? Fundació Miró, Barcelona, bis 23.02.2020

»Sound Art?« – Ton und visuelle Kunst? Eine Verbindung, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, auf den zweiten jedoch faszinierend und inspirierend zugleich wirkt. Bis Februar zeigt in Barcelona eine aktuelle Ausstellung diese beiden unterschiedlichen Pole noch als miteinander verbundene Elemente, die sich in vielen Kunstwerken anziehen und ergänzen. Karin Ego–Gaal war für PortalKunstgeschichte vor Ort.

Ausstellungsansicht © Fundació Joan Miró, Barcelona
Ausstellungsansicht © Fundació Joan Miró, Barcelona

Schon der Titel »Sound Art?« in der Fundació Miró in Barcelona endet mit einem Fragezeichen und damit dem Hinweis, dass die ganze Ausstellung als Frage konzipiert ist, deren Antworten in den Kunstwerken verborgen sind. »Sound Art?« ist aber nicht nur eine viel versprechende und spannende Reise durch die visuelle Kunst des 20. Jahrhunderts sondern auch eine Hommage an den experimentellen Künstler und Musiker Max Neuhaus (1939–2009), der ihr den Titel, welches aus seinem Manifest stammt, verlieh.

Die Schau ist in fünf Themenbereiche unterteilt und verleiht mit ihren 70 Werken von 66 KünstlerInnen aus der ganzen Welt einen tiefen Einblick rund um den klingenden Ton. Anhand von Bildern, Zeichnungen, grafischer Musik, Collagen, Objekten, Skulpturen und Installationen werden der Prozess und die Entwicklung der »Sonorisierung des Kunstobjektes« untersucht. Visuell und ästhetisch, mit Musik und Stille, Fühlen und Hören. »Sound Art?«: ein Spiel mit den Sinnen.

Rolf Julius: Singing, 2000-2005 © Fundació Joan Miró, Barcelona Foto Davide Camesasca
Rolf Julius: Singing, 2000-2005 © Fundació Joan Miró, Barcelona Foto Davide Camesasca

»Eyes Listen« – das erste Thema der Ausstellung – fokussiert auf die Rolle der Musik als wichtiger Faktor des Übergangs von der Figuration zur Abstraktion. Wie Noten auf einer Linie tanzen da die Bäume in Mikalojus Konstantinas Čiurlionis (1875–1911) Werk Fugue. From the Diptych »Prelude. Fugue«. Die Inspiration durch die Musik ist in den Werken des Komponisten, Dichters und Malers deutlich zu erkennen. Ebenso in den Arbeiten des deutschen Künstlers Rolf Julius (1939–2011), der als einer der Pioniere der Klangkunst gilt. Singing, eine Installation aus sieben Lautsprechern, welche von der Decke schwingen, verbindet dazu Hören und Sehen. Julius´ eigene künstlerische Welt, die aus oft gefundenen Objekten besteht, die er miteinander kombiniert, wird darin ebenso erfahrbar wie die Tatsache, dass der deutsche Künstler keinen Unterschied zwischen Augen und Ohren machte. Seine Werke, angesiedelt zwischen Skulptur, Installation, Bild und Musik, bezeichnete er selbst als »Small Music«. 

In den bunten Zeichnungen von Léopold Survage (1879–1968) findet sich wiederum eine ganz andere bildnerische Übersetzung von Musik und abstraktem Rhythmus: Coloured Rhythm soll als musikalische Komposition für die Augen in Form einer Animation betrachtet und der erste abstrakte Farbfilm werden.
Andere Werke wie das leuchtende Bild Chanteurs de flamenco von Sonia Delaunay (1885–1979) veranschaulichen, wie untrennbar die beiden Sinne Sehen und Hören miteinander verbunden sind: der gesehene Flamencotanz wird in schreiend leuchtende Farben übersetzt.

Laurie Anderson: Handphone Table, 1978. Musée d’art contemporain de Lyon © Laurie Anderson, 2019. View of the installation at the exhibition Sound Art? at Fundació Joan Miró Foto: Oriol Clavera
Laurie Anderson: Handphone Table, 1978. Musée d’art contemporain de Lyon © Laurie Anderson, 2019. View of the installation at the exhibition Sound Art? at Fundació Joan Miró Foto: Oriol Clavera

Nur ein paar Schritte weiter, im nächsten Raum der Ausstellung, untersucht Music on Paper wie traditionelle Musiknoten und Akkorde durch grafische Elemente abgelöst wurden. Viele KomponistInnen und KünstlerInnen experimentierten Mitte des 20. Jahrhunderts mit der bestehenden Schreibform der musikalischen Linien und Noten, darunter Dick Higgins (1938–1998) und Milan Knížák (*1940). Gerade diese beiden brachen radikal mit den Standardregeln der Notation – welche ursprünglich den Ton als stille, geschriebene Form präsentierte – indem sie die Noten mit schwarzer Farbe teilweise unkenntlich machten (Milan Knížák: Broken Music) oder sie überhaupt durch grafische Elemente ersetzten (Terry Fox: The Berlin Wall Scored for Sound A).

Michaela Melián: Mannheim Chair, 2015-2016 © Fundació Joan Miró, Barcelona Foto Davide Camesasca
Michaela Melián: Mannheim Chair, 2015-2016 © Fundació Joan Miró, Barcelona Foto Davide Camesasca

Trotzdem: Ganz ohne Musiklinien und Noten erinnert auch das Second Choirbook IV – ein gezeichneter geometrischer Code von Pablo Palazuelo (1916–2007) – stark an eine musikalische Komposition. »... Ich sah den Parallelismus zwischen grafischen Zeichen und der Musik, weil ich glaubte, dass die Musik durch Zeichnungen transkribiert werden könnte. Es gab keinen Grund, dass ein gezeichneter geometrischer Code nicht in Musik verwandelt werden könnte...«, hielt der Künstler dazu fest.

Sound Bodies, das Thema eines weiteren Raumes, verspricht den BesucherInnen eine interaktive ganzkörperliche Erfahrung. Fast wie ein Wohnzimmer eingerichtet – mit Tisch, Stühlen, Fernseher und Sessel – bieten dort drei Installationen eine Sound–Erfahrung jenseits der Ohren. Sitzend, im hängenden Mannheim Chair von Michaela Melián (*1956), kann man, begleitet von Meliáns Kompositionen, gemütlich entspannen. Für alle, die mehr Konzentration suchen: diese wird von Laurie Andersons (*1947) Headphone Table eingefordert. Die Ellenbogen auf den Tisch gestützt und die Hände an die Ohren gelegt, hören die BesucherInnen nur zwei Töne, welche durch die Vibration zugänglich werden. Einen weiteren Schritt Richtung Reduktion macht schließlich Nam June Paiks TV Experiment (Mixed Microphones): Mittels Stimme werden abstrakte Formen auf einem TV Bildschirm visualisiert.

John Baldessari: Beethoven’s Trumpet (With Ear) Opus 133, 2007 © Fundació Joan Miró, Barcelona Foto Davide Camesasca
John Baldessari: Beethoven’s Trumpet (With Ear) Opus 133, 2007 © Fundació Joan Miró, Barcelona Foto Davide Camesasca

Doch was wäre der Ton ohne die Stille und umgekehrt? Nicht hörbar? Nicht existent? Joan Miró (1893–1983) sah etwa in der Stille die Ablehnung von Lärm. Sein gleichnamiges Werk Silence steht daher gemeinsam mit anderen Arbeiten unter dem Thema: The Secret Sounds of Silence, welches den konzeptionellen Aspekt des Nicht–Klingens untersuchen. Die ausgewählten Arbeiten funktionieren dabei nach dem Prinzip »hören, schauen und denken« und versuchen Unhörbares sichtbar zu machen. Neben Marcel Duchamps With Hidden Noise, in dem sich Ton und Stille abwechseln, bis hin zu einem Objekt von Joseph Beuys mit übereinander gestapelten Filmrollen des Leinwanddramas The Silence von Ingmar Bergmans, spannt sich der Bogen bis hin zum amerikanischen Komponisten John Cage, für den die Stille eine Variable war (siehe: 4’33").

»Sound Art?« ist aber nicht nur der Titel der Ausstellung, sondern auch jener des letzten Raumes. Das perfekte Ende einer Reise, welches mit ihren Skulpturen, Installationen und Zeichnungen, das Fragezeichen nochmals in den Mittelpunkt stellt. Musikalische Zeichnungen des Komponisten und Künstlers Chiyoko Szlavnics (*1967), die den Sound in ihrer Stille präsentieren, werden genau so gehört wie John Baldessaris Skulptur Beethoven’s Trumpet (With Ear) – bestehend aus einem riesigen Ohr, das an der Wand hängt und an dem ein Hörrohr befestigt ist. Das Werk ist still bis sich der Besucher in das Hörrohr spricht, Beethoven antwortet dann (posthum) mit seiner Musik.
Doch obwohl am Schluss der Ausstellung die Stille im Mittelpunkt steht, so ist es die Fähigkeit der ausgewählten Kunstwerke, sich dennoch verständlich zu machen, sich Gehör zu verschaffen und in ihrer Stille laut zu sein.

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