Porträts

Spiel mit dem Lichtglanz der Tiefe. Ein Porträt der Kunstmalerin Angela Volland

Jeder Charakter ist einzigartig und beinhaltet ganze Welten an Gedanken und Gefühlen, Höhen und Tiefen. Angela Volland holt das Verborgene dieser Welten auf ihre Leinwände. Was entsteht, ist eine individuelle und lebendige Kunst, die den Betrachter dazu einlädt, sie zu erkunden. Franz Siepe hat die Künstlerin für PKG porträtiert.

Angela Volland © Foto: Franz Siepe Angela Volland, Die Hafenbraut, 2007 © Angela Volland Angela Volland, Das Labyrinth VII, 2011 © Angela Volland Angela Volland, Whirlpool Galaxy, 2009 © Angela Volland
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Seit 2010 lebt und arbeitet Angela Volland im schweizerischen Bülach im Zürcher Unterland. Zur Welt kam sie im sauerländischen Warstein, nur ein paar Kilometer entfernt von meinem Geburtsort. Zum ersten Mal aber traf ich sie 1983 hier in Marburg. Sie war damals ein kleines Mädchen, das ausgiebig mit bunter Modelliermasse und Strasssteinen spielte. Heute bin ich stolz, in der Reihe ihrer allerersten Förderer zu stehen; gab ich damals doch für ein paar Pfennige ein Werk in Auftrag, das heute noch unsere Haustüre ziert: ein ovales Schild mit rotem Schriftzug »Siepe« auf blauem Grund und natürlich mit Strasssteinchen.

Vor wenigen Monaten begegnete ich ihr wieder. Man sucht alte Freunde und findet sie im Internet. Ich fand die Seite www.angela-volland.ch/, wo mir zunächst ein animiertes um ein Zentrum rotierendes Sternenhimmel-ähnliches Gebilde in die Augen fiel, und dann sogleich, wie als ein sinnlichkeitsreizendes Entree, »Die Hafenbraut«: Eine über die Maßen wohlproportionierte, wild gelockte Schönheit räkelte sich mir entgegen, ganz so, als hätte die Künstlerin eines jener zu allem bereiten Mädchen eingefangen, die im ubiquitären Netz der Verführungen qua Webcam Kunden locken.

Die — so stand es auf dem Leib der offenbar Allesgewährenden — »Hafenbraut Zürich« zwinkerte mir lasziv mit einem Auge zu und zog, zehntelsekundenlang, ihre vollen, prallroten Lippen mit einem unwiderstehlichen »Du verstehst schon«-Lächeln nach oben. Solche Dinge produzierte jetzt also Angela Volland?

Ich hatte mich aber von der Sirene täuschen lassen. Ihr Augenzwinkern wollte mich keineswegs vom Pfad tugendhafter Sittsamkeit abbringen, sondern signalisierte: »Lass dich nicht vom schönen Schein der Oberfläche blenden. Hebe und senke deinen Blick, und sieh mit mir in die hohen und tiefen Tiefen meiner, deiner, unserer Welt-Existenz. Geh mit deiner Augenlust zur Mitte der Erscheinungen; schau hin und entdecke: Dorthin sollst du, weil es dich dahin zieht.«

Das Labyrinth, genauer: das Labyrinth der Kathedrale von Chartres, ist ein von Angela Volland bevorzugtes Motiv. Dabei handelt es sich wohlgemerkt nicht um einen Irrgarten, der so konstruiert ist, dass man sich ständig verläuft, sondern um einen anscheinend unendlich in sich verschlungenen Pfad, der unweigerlich ins Zentrum führt, auch wenn du unterwegs meinst, dich vom Ziel zu entfernen.

Von einer Vorlage hatte die Künstlerin die Form des Chartres-Labyrinths für »Labyrinth VII« auf die Leinwand übertragen und war dann mit dem Einsetzen der zahllosen Strasssteinchen den Weg Stück für Stück bis ins Zentrum (»Blüte«) gegangen. Man kann sich gut vorstellen, wie der Prozess der Bild-Herstellung ein im Wortsinne meditatives (»in die Mitte gehendes«) Geschehen war.

Das Verhältnis von Peripherie und Zentrum wird in auffallend vielen und besonders beeindruckenden Werken Angela Vollands variierend thematisiert. So auch in der 2009 entstandenen »Whirlpool-Galaxy«, die ein reales astronomisches Objekt (M51) in wunderbarer Weise auf die Leinwand zaubert. Hier lag eine Aufnahme des Hubble-Teleskops zugrunde. Auf die Arbeit an diesem Bild geht auch die Idee zurück, Strasssteine einzuarbeiten, welche die Künstlerin bis heute mit großer Experimentierfreude und Erfindungslust weiterverfolgt. »Durch die Steinchen kann farbige Tiefe entstehen; sie zwinkern, bei bestimmtem Licht beginnen sie zu leben, doch können sie auch die Augen schließen und schlafen«, sagt sie, in die Betrachtung von »Whirlpool-Galaxy« versunken. Das Eintauchen in ihre Bilder ist die Art der Rezeption, die sie sich auch vom Betrachter wünscht. Die Erzeugung kühler Distanz ist ihr Metier nicht.

Ein wenig reflektiert sich in der künstlerischen Technik Angela Vollands ihre Ausbildung zur Typografin/Schriftsetzerin. Sie sieht ihr bildliches Vorstellungsvermögen auch geprägt durch die lange Erfahrung mit der digitalen Bildbearbeitung. Viele Jahre hatte sie in ihrem erlernten Beruf gearbeitet, dabei immer auch nebenher gemalt, hatte aber eigentlich niemals die Ambition verspürt, ihre Existenz auf ein Künstlerdasein zu gründen. Bis sie schließlich 2005/06 einige Arbeiten in einem Friseursalon ausstellte und zu ihrer eigenen Überraschung begeisterte Interessenten und einige Käufer fand. Daraufhin entwickelte sich der Kontakt zur Kunstgalerie En Beauregard in Montreux, die ihr 2010 die Gelegenheit bot, im Rahmen einer Ausstellung eine Auswahl von Bildern einem größeren Publikum zu unterbreiten. Zur En-Beauregard-Galeristin Eve Asciutto besteht seitdem ein »schönes Vertrauensverhältnis«; ebenso zu dem Künstlerkollegen Yo-Xarek Wolter.

Als ein bisheriger Höhepunkt ist Angela Vollands Ausstellung in der Montreux Art Gallery (MAG) 2011 zu werten. Diese Galerie, de facto eine Kunstmesse mit einem breiten Angebotsspektrum moderner Kunst, ist ein hoch angesehenes Zentrum für Aussteller und Käufer insbesondere aus der Schweiz. Angela Volland erinnert sich: »Das waren fünf Tage mit sehr sympathischen und hilfsbereiten Künstler-Nachbarn. Die Organisation der MAG war sehr professionell und alle beteiligten Personen auch sehr freundlich und entgegenkommend. Es sind Freundschaften und Kontakte entstanden, und durch die Masse der Besucher konnte man einen Eindruck gewinnen, welche Bilder von welchen Personen bewundert wurden. Die Zeit war in jeder Hinsicht wertvoll.« Jetzt ist sie dabei, die bestehenden Kontakte zu erweitern und zu intensivieren und würde sich auch über Verbindungen zu deutschsprachigen Galerien freuen.

Nun bin ich keineswegs ein Fachmann für moderne bzw. zeitgenössische Kunst und kann mir generell kein objektiv-sachhaltiges Kunsturteil anmaßen. Nichtsdestoweniger kann ich sagen, was mir an den Arbeiten Angela Vollands besonders gefällt: Es ist einerseits ihre Gabe, den Betrachter zu einem hintergründig-freundlichen Spiel mit ihrer manchmal unbändigen Lust an der Buntheit der Farben (so z. B. »Die Tukanine«) einzuladen. Andererseits zeichnen sich ihre Schöpfungen aus durch großen gestalterischen Ernst. Sie geleiten uns in einen Raum, in dem Elementarphänomene wie Licht, Weite, Tiefe und Höhe zur hin- und mitreißenden Anschauung gelangen.
Angela Vollands handwerkliche Meisterschaft steht wohl ohnehin außer Frage. Gewiss ist sie eine Künstlerin, die dem sich öffnenden, geduldigen Auge nahe und ferne Welten erschließen kann.

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