Buchrezensionen

Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Andreas Dehmer (Hrsg.): Italienische Landschaft der Romantik. Malerei und Literatur, Sandstein Verlag 2016

Italien übte im 19. Jahrhundert große Anziehungskraft auf Gelehrte, Adlige und Künstler aus. Und auch wer das Land, »wo die Zitronen blühn«, nicht selbst bereiste, ließ sich von literarischen Reisebeschreibungen zu Kunstwerken inspirieren. So traten Literatur und Malerei in einen Dialog, den der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in bestem Sinne umsetzt. Andreas Maurer hat damit eine kleine Italienreise angetreten.

Ziemlich genau zweihundert Jahre ist es her, seit Johann Wolfgang von Goethe mit dem ersten Teil seiner »Italienischen Reise« dem bel paese des europäischen Südens ein literarisches Denkmal setzte. Seither wurde die berühmte Landschaft Italiens aber nicht nur zum Touristenmagnet, sondern auch zum neuen Ideal für Landschaftsgärten, welche sich beinahe gleichzeitig, ausgehend von England, über den Kontinent verbreiteten. Hermann Fürst von Pückler–Muskau gilt unter Kennern als einer der wichtigsten Protagonisten dieser Bewegung aus Deutschland, und so verwundert es auch nicht, dass die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Rahmen ihres aktuellen Forschungsprojektes der Galerie Neue Meister, für die Ausstellung »Italienische Landschaft der Romantik – Malerei und Literatur« nicht nur in Kooperation mit der Stiftung des Fürst-Pückler-Parks in Bad Muskau traten, sondern die Exponate gleich in den dortigen Räumlichkeiten des Neuen Schlosses präsentieren. Zu sehen sind dabei über zwanzig erlesene Darstellungen der italienischen Landschaft des 19. Jahrhunderts, größtenteils aus den Beständen des Dresdner Albertinum, von denen einige extra für diesen Anlass grundlegend restauriert wurden.

Im Mittelpunkt der Sonderausstellung wie auch des begleitenden Kataloges steht aber nicht allein die rein realistische Abbildung der italienischen Landschaft, sondern vielmehr der Zusammenklang der verschiedenen Medien im Hinblick auf Schilderung und Darstellung der atmosphärischen Eindrücke, welche sich den reisenden Künstlern boten – Maler und Dichter als Wegbereiter eines landschaftlichen Sehens. Gemälde, Skizzen und Kartons (u.a. von Jakob Philipp Hackert, Jacob Wilhelm Mechau, Carl Ludwig Kaaz, Ferdinand Oehme, Carl Gustav Carus, Edmund Hottenroth und Johann Theodor Goldstein) treten hierbei in einen Dialog mit sprachlichen Miniaturen (u.a. von Wilhelm Waiblinger, Friedrich Johann Lorenz Meyer, Johann Wolfgang von Goethe, Victor Hehn, Ferdinand Gregorovius, Charles Dickens und Hermann von Pückler-Muskau) und zeichnen so ein sensibles Bild von jenem Land »wo die Zitronen blühn«, dessen Faszination und Anziehungskraft bis heute ungebrochen scheint.

Italien entwickelte sich nach den napoleonischen Kriegen, als Europa eine neue Ordnung gefunden hatte, zu einem der begehrtesten Reiseziele. Dabei zog es nicht nur Adelige, welche das Land meist im Rahmen einer »Grand Tour« touristisch erkundeten, in Richtung Süden, sondern ebenfalls das kulturinteressierte Bürgertum und die Künstler. Letztere suchten in der Idylle eines vermeintlichen Arkadiens vor allem nach Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen, nach seelischer Bereicherung, wie auch nach dem Schmelz eines neuen Lichtes, welches sie für ihre Werke erobern wollten. Angefeuert durch Veduten und literarische Publikationen, die schon vor der Reise sehnsuchtsvolle Bilder in den Köpfen entstehen ließen, fanden sich Maler und Dichter aus verschiedensten Ländern vor allem in Rom zusammen, um in der Hauptstadt und deren Umgebung die passenden Motive für ihre Werke zu finden.

Dass sogar zeitgenössische Künstler ihre Inspirationen aber immer noch im Süden suchen und dort auch antreffen, beweist gleich zu Beginn des vorliegenden Buches ein Gespräch zwischen Kurator Dr. Andreas Dehmer und dem deutschen Schriftsteller Ingo Schulze. Ein individueller Auftakt, wodurch die Reise durch die Seiten zu einem sehr persönlichen Erlebnis wird. Nach einem einführenden Aufsatz, welcher einzelne Details des vielschichtigen Forschungspanoramas umreißt, gibt es bei diesem Ausflug in den Süden auch mehrere Werke und ihre Schöpfer, die in den letzten Jahrzehnten kaum im internationalen Fokus standen, neu zu entdecken – darunter etwa das Gemälde »Indische Feigenkakteen auf Capri«, aus dem Jahr 1833 von Carl Robert Kummer, Patenkind und Schüler Caspar David Friedrichs.

Zwar bewegten sich die Landschaftsdarstellungen des 19. Jahrhunderts meist weg von konzipierten Gebilden hin zum unmittelbare Gesehenen, zu realistisch erfasster Natur, aber dennoch gelang es einigen Künstlern die Poesie des Südens mit dem Pinsel zu bannen – bemerkenswert dargestellt etwa in Carl Blechens »Galgenberg bei Gewitterstimmung« von 1835, der aber erst mit dem ihm zur Seite gestellten Textzitat von W.K. Lange ein Ganzes ergibt.

Gleichberechtigt stehen die gemalten und geschriebenen Projektionen in dieser schlanken Publikation, wie auch in der Ausstellung, nebeneinander, führen eine temporäre interdisziplinäre Unterhaltung und durchdringen einander in manchen Fällen sogar. Obwohl es im 19. Jahrhundert als große Kunstfertigkeit galt, sich mit literarischen Mitteln dem Medium der Malerei anzunähern, war es dennoch oftmals die bildende Kunst, welche zuerst auf die pittoreske Qualität einer Umgebung hingewiesen hatte. Auf der anderen Seite passierte es aber ebenso, dass Maler ihre Skizzen und Gemälde als Reaktionen auf vorangegangene literarische Darstellungen schufen. So unbestreitbar der gegenseitige Einflussbereich der beiden Gattungen aufeinander auch war, so kamen die Künstler aber trotzdem oftmals zu überraschend unterschiedlichen, äußerst sehenswerten Ergebnissen.

Ausführliche Fußnoten, Querverweise, Personenregister und Beschreibungen befriedigen in diesem Ausstellungskatalog sicher jeden Wunsch nach einem Mehr an Information. Zudem befindet sich im Anhang des Kataloges der Versuch einer Chronologie italienischer Reisen, bei welchem natürlich viele, auch namhafte Künstler fehlen, was aber ob der Menge der kunstschaffenden Gäste des Landes im 19. Jahrhunderts nur logisch erscheint. Trotz der wenigen Seiten schafft es die Publikation aber dennoch exemplarisch auf die gattungsübergreifenden Übereinstimmungen und Unterschiede in den beiden, nicht zu trennenden Medien hinzuweisen, ohne deren individuelle poetische Grundstimmungen vermissen zu lassen. Letztendlich sind es aber die vielen meist ganzseitigen, hochaufgelösten Darstellungen und die feinfühlige Auswahl der Textbeispiele, welche es ermöglichen, dass man mit diesem Buch auf Italienreise gehen kann, auch wenn die Füße stehen bleiben.

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