Buchrezensionen, Rezensionen

Stefan Lüddemann: Blockbuster. Besichtigung eines Ausstellungsformats. Hatje Cantz 2011

Sie verzeichnen mehrere hunderttausend Besucher, locken mit Bildern, die wie prominente Showstars eingeflogen werden und sind Lieblinge von Medien, Kulturpolitikern und Sponsoren: Rekord-Ausstellungen wie »Das Moma in Berlin«, »Monet« in Wuppertal oder »Matisse« in Düsseldorf. In seinem Buch »Blockbuster« unternimmt der Kunstkritiker Stefan Lüddemann den Versuch, das Prinzip der Mega-Schauen systematisch zu beleuchten und stellt interessante, streitbare Thesen auf. Cornelia Lütkemeier hat das Buch gelesen.

Mindestens 200.000 Besucher, eine große Marketing-Maschinerie, ein üppiges Rahmenprogramm, sowie breite Medienresonanz: Das sind die Faktoren, an denen Stefan Lüddemann eine Blockbuster-Ausstellung festmacht. Die Schauen haben in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung für die deutsche Museumslandschaft gewonnen: »Für das Jahr 2009 meldet[e] der deutsche Museumsbund knapp 107 Millionen Museumsbesuche. [...] Die hohen Besucherzahlen verdanken sich vor allem Sonderausstellungen und dabei insbesondere den Blockbustern«, so der Autor.

Die Vorteile der „Jahrhundert-Ausstellungen“ liegen auf der Hand: Die Museen nehmen mit Eintrittsgeldern und Andenken dringend nötiges Geld ein. Zudem lassen sich Sponsoren leichter für eine Matisse-Retrospektive gewinnen als für eine Ausstellung zu Julius Schnorr von Carolsfeld. Kunst wird — auch durch eine aufwendige PR-Maschinerie — erfolgreich in den Medien platziert und rückt so in den Mittelpunkt der Gesellschaft. Durch die ungewohnt große Resonanz gelingt es den Blockbustern, auch Publikumsschichten für Kunst zu begeistern, die nicht zu den klassischen Museumsgängern gehören. »Wie kommt man zur Kunst? Durch Großausstellungen«, brachte es schon Jan Hoet, Leiter der documenta 9, auf den Punkt.

Der Preis von Popularität und schönen Zahlen: Wie immer — der Tiefgang. Kunst dient nur noch als kulturindustrielles Produkt, schlimmstenfalls als nette Motivvorlage für Tassen im Museumsshop. Künstlernamen verkommen zu bloßen Labeln. Museen geraten an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit: Die reguläre Forschungsarbeit leidet, ständige Sammlungen werden ins Depot umgeparkt. Räumlichkeiten stoßen ob der Besuchermassen an die Grenzen ihrer Kapazitäten. Nicht zuletzt besteht die Gefahr, dass Blockbuster anderen Ausstellungen sowohl Besucher als auch Finanzen abgraben.

Um sich dem Phänomen zu nähern, beleuchtet Lüddemann im Galopp auf 150 Seiten die Genese des Begriffs, befragt fünf Macher erfolgreicher Großausstellungen nach ihren Erfahrungen, zählt alle Elemente auf, die aus seiner Sicht einen Blockbuster ausmachen und fragt schlussendlich nach Konsequenzen und Perspektiven der aktuellen Entwicklung. Nachteil der engagierten Agenda: Das Buch hetzt nur so von Thema zu Thema. Das ist schade — etwa dann, wenn Lüddemann Kuratoren und Museumsdirektoren nach Mechanismen und Motiven ihrer Blockbuster-Ausstellungen befragt, man jedoch merkt, dass nur Fragebögen versendet wurden, weil ein Nachhaken an spannenden Stellen ausbleibt und immer nur dieselben Fragen beantwortet wurden.

Viele Aussagen werden nicht näher begründet – zum Beispiel, dass es sich bei Blockbustern immer um Ausstellungen der klassischen Moderne handle. Allein Publikumserfolge wie »Goya — Prophet der Moderne« und »Gesichter der Renaissance« in Berlin oder die Botticelli-Ausstellung in Frankfurt strafen diese Eingrenzung Lügen. Auch bleibt ein Beleg der spannenden These aus, dass Blockbuster-Ausstellungen »einen Reisetourismus der Kunstwerke in Gang gesetzt« haben, der »als gefährlicher Verschleißprozess beunruhigt«.

Die große Stärke des Buches: Viele Stellen lesen sich wie eine leidenschaftliche Streitschrift und sind sehr unterhaltsam formuliert. Zum Beispiel wenn es heißt: »Blockbuster sind Resteverwerter der Avantgarde, weil sie den stürmischen Impuls der Neuerer in ein Geschäftsmodell verwandelt [...] haben.« Oder der Autor die Frage stellt: »Provozieren Blockbuster-Tourneen die Abnutzung der Kunstwerke?« Solch pointierte Spitzen, zu einem Essay destilliert, hätten das Zeug zum Klassiker.

Fazit: »Blockbuster« liest sich eher als Streitschrift denn als Analyse. Das Buch versammelt auf unterhaltsame Art, neben manch selbstverständlicher Beobachtung, viele interessante Perspektiven und Denkanstöße und bietet für 14,80 Euro eine kurzweilige Lektüre.

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