Buchrezensionen

Stefan Schweizer: André le Nôtre und die Erfindung der französischen Gartenkunst, Wagenbach 2013

Vor vierhundert Jahren wurde André le Nôtre, der Gartenkünstler des Sonnenkönigs, geboren. Sein Ruhm verbreitete sich bereits zu Lebzeiten in ganz Europa. Der untrennbar mit seinem Namen verbundene französische Garten revolutionierte die Landschaftsarchitektur. Le Nôtres Raumkonzepte beeinflussten die Städteplanung des 19. Jahrhunderts und wirken fort bis in die Gegenwart. Ein trefflicher Anlass für eine Würdigung des Künstlers, der trotz allem etwas im Schatten der Kunstgeschichte steht. Ulrike Schuster verrät Ihnen mehr.

Bei der vorliegenden Monografie des deutschen Gartenhistorikers Stefan Schweizer handelt es sich um ein kleines, feines Büchlein aus der Reihe SALTO des Wagenbach Verlags. Das schöne Design dieser Bücherserie im roten Leineneinband soll bei dieser Gelegenheit einmal ausdrücklich gewürdigt werden. Es erinnert an Zeiten, als die Menschen noch Taschenbücher mit sich trugen anstelle von Smartphones.

Der ansprechenden optischen Aufbereitung entspricht der gehaltvolle Inhalt. Auf knapp 140 Seiten beschreibt Schweizer die Geschichte von André le Nôtre (1613–1700), dem großen Gartenarchitekten, der einer ganzen Epoche das Gesicht verlieh. Er ist zwar nicht, wie oft kolportiert, der Erfinder der französischen Gartenkunst, brachte diese jedoch auf ihren glanzvollen Höhepunkt. Seine Garten- und Parkanlagen wurden zum Vorbild für prächtige Gärten in ganz Europa, beispielsweise Herrenhausen, Nymphenburg, Schönbrunn und Peterhof in Russland. Sein Name wurde genau genommen sogar zu einem Synonym für die barocke Gartenkunst.

Dennoch zählt er, nach Einschätzung des Autors, zu den noch immer unentdeckten Künstlern des Barock. Obgleich es ihm zu Lebzeiten an Ruhm und Ehre nicht mangelte. Er wurde 1613 als Sohn von Jean le Nostre geboren. Diese ältere Schreibweise des Familiennamens ist zuweilen noch in der älteren Fachliteratur anzutreffen. Der Vater wirkte als Jardinier du Roi im Tuileriengarten. In das familiäre Umfeld einer Dynastie von Berufsgärtner eingebettet, lernte der Sohn das Metier von Kindesbeinen an.

Dennoch war der soziale Status des Landschaftsgärtners im frühen 17. Jahrhundert sehr niedrig. In einer Agrargesellschaft, in der sich große Teile der Bevölkerung selbst mit den nötigsten Nahrungsmitteln versorgten, zählten die Erwerbsgärtner oftmals zu den ärmsten und am wenigsten angesehenen Handwerkern. Dies änderte sich allerdings mit der zunehmenden Bedeutung der Blumenzucht, beispielsweise der Tulpomanie, die ab den 1630er Jahren aus den Niederlanden über Europa hinweg schwappte. Zudem begann sich jedoch die Botanik als eigenständiger Zweig der Wissenschaft zu etablieren. Infolge dessen stiegen die Gartenbauberufe in der Rangfolge der Berufe auf.

Le Nôtre profitierte neben seiner profunden handwerklichen Ausbildung jedoch in besonderem Maße von der Nähe zum Louvre. Ihm wurde ein besonderes Privileg zuteil, denn er durfte einige Jahre in der Werkstatt des Hofmalers Simon Vouet verbringen. Dort traf er mit anderen Künstlern zusammen, etwa den Maler Charles le Brun oder den späteren Kupferstecher Gabriel Pérelle. Er dürfte in dieser Zeit Unterweisungen in Proportions-, Perspektiv- und Farbenlehre erhalten haben, bekam aber auch ein umfangreiches ikonografisches Wissen übermittelt.

Die kleinen, biografischen Splitter, die Schweizer über Le Nôtre zusammentragen konnte, zeigen denn auch einen umfassend gebildeten Menschen fernab von der Figur eines schlichten Gärtners. So besaß dieser eine erlesene Kunstsammlung, die er gegen Ende seines Lebens dem König vermachte. Sie umfasste mehr als 20 Ölgemälde von Domenichino, Nicolas Poussin, Claude Lorrain, Pieter Breughel, Bronzestatuetten von Giovanni da Bologna und François Girardon. Er sammelte Antiken, Stiche von Rembrandt und Silvestre, Medaillen und anderes mehr. Dieses Detail verrät die große Kennerschaft Le Nôtres, ein breites künstlerisches Interessensspektrum und nicht zuletzt auch ein großes Vermögen: Ihm sei es vergönnt, dass ihn seine Kunst wohlhabend machte.

Schweizer stellt in übersichtlicher und gut fassbarer Form die wichtigsten Gartenanlagen des Meisters vor. Vom bereits erwähnten Tuileriengarten, wo er die Nachfolge seines Vaters antrat, führte ihn sein Weg nach Vaux-le-Vicomte, wo er sein großes Talent unter Beweis stellte und zu frühem Ruhm gelangte. Seine berühmteste Schöpfung ist natürlich der Schlosspark von Versailles, der ihn mehr als ein halbes Jahrhundert in Anspruch nahm. Schloss und Garten bildeten über das 17. und 18. Jahrhundert hinweg ein work in progress, was ein erstaunliches Faktum ist angesichts der Tatsache, dass die Anlagen für uns heutzutage wie aus einem Guss geformt erscheinen.

Man erfährt zudem, dass sich die Komposition eines barocken Parks keineswegs in einer Abfolge von spiegelsymmetrischen Anlagen erschöpft. Vielmehr zeigt sich das Werk Le Nôtres als unerschöpfliche Quelle von überraschenden Einfällen. Er beherrschte die Kunst der großen Vielfalt im Rahmen einer künstlerischen Einheit, der gebändigten Asymmetrie, der Verschmelzung von Park und Landschaft. In manchen Punkten war er seiner Zeit schlicht voraus. So erfand er im Park von Versailles ein Quellenbosket, in dem sich natürlich schlängelnde Bäche zu einem dichten Wassernetz formierten. Er wiederholte diesen Einfall später in Trianon, aber in beiden Fällen hat sich nichts davon erhalten: die artifizielle Imitation von wilder Natur en miniature traf nicht den Geschmack der Zeitgenossen.

Kompetent und kurzweilig beschrieben, lädt Schweizers Lektüre dazu ein, die Gartenanlagen im Spiegel des Barockzeitalters zu betrachten. Fast wie von nebenher ergeben sich darüber hinaus fesselnde Einblicke in das Arbeitsgebiet der Landschaftsarchitektur. Als einziges Manko ließe sich monieren, dass die Bebilderung des Buches etwas kleinlich ausgefallen ist. Umso intensiver gestaltet sich dafür die in den Pressetexten versprochene »Reise zu den phantastischen Gärten im Kopf des Lesers«.

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