Ausstellungsbesprechungen

Stephan Kaluza – Demarkation / Transit, Ludwig Museum im Deutschherrenhaus Koblenz, bis 18. März 2018

Die Bilder des Düsseldorfer Künstlers Stephan Kaluza bilden alle auf die ihnen eigene Weise die Natur ab. Landschaften hält er in gegenständlicher Form mittels Fotografien fest, deren Interpretation mit Farbe und Pinsel auf Leinwänden. Dazwischen hängen szenische Darstellungen menschlicher Interaktionen. Spätesten hier wird erkennbar: Die Idylle trügt. Susanne Braun hat in der Ausstellung die geschichtliche Dimension von Landschaften entdeckt, die das Bild zunächst nicht sichtbar werden lässt.

Sie wirken ruhig und friedlich, die Äcker, Wiesen und Bäume. Genauso wie die Sandstrände an Fluss und Meer, an denen Badegäste unbeschwert ausspannen. Doch sieht man auf das kleine unscheinbare Schild mit dem Namen des Bildes, dann ahnt man Unheilvolles. Kommentarlos und ohne Schnörkel steht dort: »Waterloo«, »Seelow« oder »Auschwitz« – alles Schauplätze der verheerendsten Massensterben auf europäischem Boden überhaupt.

Stephan Kaluza hat das heutige Aussehen dieser geschichtsträchtigen Orte fotografiert. Der Kontrast zu den historischen Ereignissen, für die sie berühmt sind, könnte größer kaum sein. Dort, wo in dem belgischen Städtchen Waterloo früher die vernichtende Schlacht gegen die Armee Napoleons tobte, scheint auf dem Bild die Sonne mild vom blauen Himmel über dem menschenleeren Ackerland. Ganz ähnlich wirken die Fotografien aus der kleinen brandenburgischen Stadt Seelow. An diesem Ort gelang es der Roten Armee am Ende des Zweiten Weltkriegs, die verlustreiche und entscheidende Schlacht um Berlin zu gewinnen. Doch noch unfassbarer wirken die Bilder, auf denen unbeschwert badende Urlauber in einer Flussidylle gezeigt werden. Sie sind in unmittelbarer Nähe des früheren Konzentrationslagers Auschwitz aufgenommen worden. Auschwitz gilt – allerspätestens seit der vieldiskutierten Aussage Theodor W. Adornos, dass nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben barbarisch sei – als Inbegriff des systematischen Massenmordes und damit des schwersten Zivilisationsbruchs in der Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Wie lassen sich die historischen Ereignisse, auf die die Bilder verweisen, mit der gezeigten Idylle in Einklang bringen? Sollen diese Bilder verharmlosen? »Nein«, sagt Stephan Kaluza, »das möchte ich natürlich überhaupt nicht. Bisher hat das auch niemand so verstanden. Die Besucher meiner Ausstellungen kennen den geschichtlichen Hintergrund. Die Fotografien sollen einerseits auf den Gang der Geschichte hinweisen und andererseits dazu anregen, sich die historischen Ereignisse noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. Ich möchte nicht nur das Schöne zeigen, sondern auch die unangenehmen Seiten berücksichtigen«.

Sich mit Kriegen und deren Gräueln auseinander zu setzen, hat in der Malerei eine lange Tradition. Viele Kriegsmalereien verherrlichten den Krieg und die siegreiche Armee, manche hatten eher dokumentarischen Charakter wie etwa das Gemälde William Sadlers von der Schlacht von Waterloo. Den Schwarz-Weiß-Fotografien der Roten Armee in der Schlacht von Seelow und erst recht denen aus Auschwitz fehlt hingegen jegliche Pracht, sie wirken eher wie die von einem Trauerflor überzogenen Dokumente des Schreckens. Die Landschaftsfotografien von Stephan Kaluza wiederum deuten den unerbittlichen Gang der Geschichte an: Die Natur wächst und gedeiht, fast als ob nichts geschehen sei. Und doch bleiben diese Bilder meist seltsam menschenleer.

Ergänzt werden diese inhaltlich widersprüchlichen Landschaftsfotografien durch mehrere kleine, aneinandergereihte Fotografien, die Handlungen von Menschen zeigen. Zu sehen sind beispielsweise Männer und Frauen, die, auf engstem Raum zusammengepfercht, um den zum Überleben notwenigen Platz zu kämpfen scheinen. Die einzelnen Szenen wirken wie Bildsequenzen eines Films. Auf den Bildern nimmt die Anzahl der Menschen mehr und mehr zu, sie winden sich zunehmend um- und übereinander, bis schließlich nur ein Mann übrig bleibt und den schmalen Platz für sich beanspruchen kann.

»Gewalt wird oft als ›irrational‹ bezeichnet. Gleichwohl mangelt es ihr nicht an Beweggründen; ja sie findet sogar sehr gute Gründe, um sich entfesseln zu können«, schreibt der Gewaltforscher René Girard in seinem Hauptwerk »Das Heilige und die Gewalt«. Damit scheint er auch eine mögliche Begründung für die in dieser Bildserie angedeuteten Kämpfe zu geben. »Diese Bilder sind sehr geplant entstanden«, erklärt Stephan Kaluza, »Ich habe jede Szene genau arrangiert und ausgeleuchtet. Ja, vielleicht können sie ein paar Erklärungen für die Ereignisse liefern, die in den anderen Fotografien mitschwingen«.

Der Teil der Ausstellung, in dem diese Fotografien zu sehen sind, nennt sich »Demarkation«. Angedeutet werden soll hier eine Grenzziehung, die »alles Einende und Verbindende negiert«, wie Prof. Beate Reiffenscheid im sehr beachtenswerten Katalog zur Ausstellung schreibt. Als eine Verbindung zwischen dem Sichtbaren und Unsichtbaren fungiert der Ausstellungsteil mit dem Namen »Transit«. Der Maler, Fotograf, Schriftsteller und Theaterregisseur Stephan Kaluza setzt sich seit Jahren intensiv mit der Landschaft auseinander. Für sein »Rheinprojekt« beispielsweise ist er den Fluss acht Monate lang abgewandert und hat die Flusslandschaft lückenlos fotografisch festgehalten.

Auf den Gemälden gibt er überwiegend streng geometrischen Formen kontrastreiche Farben und unterschiedliche Oberflächen. Die Palette reicht von einem sehr einheitlichen Farbauftrag bis hin zu sehr kontrastreichen Farben, die einander abzustoßen scheinen. Das gibt den Gemälden mal eine ruhigere und dann wieder eine sehr grelle und dramatische Note. Dabei geht es inhaltlich immer um die Landschaft, wie Stephan Kaluza versichert, kombiniert mit allem, was darin mitschwingt.

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