Buchrezensionen

Stiftung Situation Kunst (Hrsg.): Gott ist tot!? Ein Gespräch über zwölf Werke europäischer Malerei um und über Jesus Christus. Reihe: art&forum im Kerber-Verlag, Bielefeld 2007.

Das Entsetzen über einen »tollen Menschen«, der am helllichten Tag mit einer Laterne in der Hand herumgeistert, hält sich heutzutage, wo in jeder Fußgängerzone merkwürdige Zeitgenossen (auch ohne fernen Handypartner) laut vor sich hinreden, in Grenzen. Die Erkenntnis, dass Gott tot sei, die dem zur Rede gestellten »tollen Menschen« bei Nietzsche als Begründung seines auffälligen Tuns einfiel, ist mittlerweile ein Gemeinplatz des Feuilletons geworden.

Wenn nun ein Buch den Titel trägt »Gott ist tot!?« (sic: Rufzeichen, Fragezeichen!), so ist das kaum noch als Fanal geeignet, um Totgeglaubte aufzuwecken.

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Tatsächlich geht es in dem kleinen Bändchen, das der Verlag Kerber in seiner Reihe »art&forum« herausgegeben hat, um eine wichtige Frage: um das Verhältnis von Religion und Kunst in säkularer Zeit. Der Untertitel »Ein Gespräch über zwölf Werke« deutet an, dass es hier um eine Podiumsdiskussion geht, welche im Rahmen einer Ausstellung stattfand. Die »Stiftung Situation Kunst«, den Kunstsammlungen der Bochumer Ruhr-Universität inkorporiert, hat vor gut einem Jahr anhand einiger Bilder aus Privatsammlungen thematisiert, wie religiöse Inhalt heute noch adäquat künstlerisch darzustellen seien. Die Auswahl von gerade einmal zwölf Bildern ist klein, die Qualität eher zweitrangig, aber manchmal lässt sich ja gerade an Epigonen das Typische besonders gut zeigen. So suchte man mit interdisziplinären Kräften im Zufälligen das Repräsentative. Unter der Leitung von Hilke Wagner, die damals die Stiftung betreute und mittlerweile die Direktorin des Kunstvereins Braunschweig geworden ist, diskutierten zwei Kunsthistorikerinnen, zwei Theologen und ein Philosoph – konkret: Prof. Dr. Valeska von Rosen vom Kunsthistorischen Institut der Ruhr-Universität Bochum, Dr. Reinhard Hoeps, Arbeitsstelle für christliche Bildtheorie, theologische Ästhetik und Bilddidaktik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der Religionswissenschaftler Prof. Dr. Volkhard Krech und der Philosoph Prof. Dr. Gunter Scholtz, beide Ruhr-Universität Bochum.

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Darf man ein Baby kreuzigen? – Will sagen: Inwiefern hat ein Andachtsbild wie das des Paduaner Spätmanieristen Varotari, in welchem das Jesuskind im Beisein anderer süßer nackter Putti-Knaben ans Kreuz geschlagen ist, so sehr seinen religiösen Verständnishorizont verloren, dass es heute nur noch als perverse Sadomaso-Fantasie gelten kann? Wie verändert sich ein Bild, wenn es in einem neuen räumlichen Zusammenhang präsentiert wird? Was heißt überhaupt Blasphemie in einer Zeit, der kein Tabu mehr heilig, und nichts Heiliges mehr als verbindlich gilt? – Es geht also, ausgehend von einem Aquarell, das George Grosz im Jahre 1928 ein Gerichtsverfahren einbrachte, um interessante Fragen von großer Reichweite.

Ist Kunst zu einer Art Ersatzreligion geworden, hat sich Andacht ins Museum verlagert? Wie sehr ist Religion auf Bilder angewiesen? Wie streng hat sie dem 2. Gebot zu folgen und sich selbst immer wieder mit einem Ikonoklasmus zu reinigen? – Zu grundsätzliche Dinge werden hier angeschnitten, zu selbstverständliche Erkenntnisse breit getreten. Dass die Lesarten von Kunst, die Fülle an ikonologischen Bezügen und theologischen Implikationen der Historizität unterworfen sind; dass Bilder grundsätzlich polyvalent und dennoch für jeden Betrachter unmittelbar sind, – das alles ist nun wahrlich nicht neu. Lediglich die Kunsthistorikerinnen werfen manchmal ein erhellendes Detail in die Debatte; ansonsten plätschert die Diskussion wie eine Talk-Runde, bei der niemand niemandem wehtun will und jeder jedem großzügig den Raum zur Selbstdarstellung gewährt.

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Darf man einen Arnulf Rainer in die Kirche hängen? Ist der österreichische Künstler, der seit 1953 sich selbst, Totenmasken und eben auch Kreuzesdarstellungen übermalt, zu sehr in die Auseinandersetzung mit berühmten Vorbildern seiner Zunft involviert, zu wenig mit den drängenden Fragen des christlichen Glaubens? Sind seine Übermalungen als Verhüllen, Bewahren, als spirituelle Wiederbelebung zu verstehen oder doch nur als ein Auslöschen des Gegenstandes?

 

Ein bisschen Hegel, ein bisschen Nietzsche, und gelegentlich, wo man gedanklich nicht weiter kommt, wo, wie es so schön in der Schülerszene des »Faust« heißt, »Begriffe fehlen / da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein« (v. 1995). Für Volker Krech ist es das Wort »Anmutung« (S.41). – Das ist dann schon nicht mehr anmutig, eher eine Zumutung. – Fazit: Klein das Bändchen, zu klein die Schrift, viel zu klein die Zahl der zur Diskussion stehenden Bilder und Abbildungen; und auch der Auftritt des Podiums nicht eben groß.

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