Ausstellungsbesprechungen

Street and Studio – Von Basquiat bis Séripop, Kunsthalle Wien, Halle 1, bis 10. Oktober 2010

Wien präsentierte sich in diesem Jahr im Zeichen der Street Art. Dabei hat zwar der Regen die eine oder andere Veranstaltung sabotiert, doch die zentrale Veranstaltung war glücklicherweise von Ausstellungsbeginn an unter Dach und Fach: »Street and Studio« führt Straßen- und Museumskunst zusammen und findet dabei interessante Zwischenklänge, meint auch Günter Baumann.

Es geht dabei um die Bedingungen der Kunst in der Straße – Mobilität, Urbanität – und deren Einfluss auf die Gegenwartskunst. Über 30 Künstler aus fast 20 Ländern sind angetreten, um sich auf Augenhöhe zu begegnen: Auf der einen Seite die Künstler und Aktivisten, die sich explizit der Straße verschrieben haben (Blek le Rat, Mark Jenkins), und auf der anderen Seite diejenigen, die ihre Wurzeln auf der Straße hatten und die Mauern der Stadt gegen die Wände der Museen eingetauscht haben (Francesco Clemente, Andy Warhol) sowie die Künstler, die keinen Unterschied erkennen lassen, d.h. die die Hauszeile zur Galerie und die Museumswand zum Straßenbild werden lassen (Banksy, Keith Haring). Die Wiener Ausstellung ist schon deshalb faszinierend, weil sie in eine Zeit fällt, wo die Museen an Strahlkraft für Künstler verlieren, die mehr und mehr wieder nach draußen drängen: Der Puls der Zeit pocht in den Straßen.

Bezeichnend sind die Wegmarken, die sich die Kunsthalle Wien im Titel gesetzt hat: Jean-Michel Basquiat, der frühverstorbene Szeneguru, der in diesem Jahr anlässlich seines 50. Geburtstages schon vielfach gefeiert wurde, steht für die Macht der Straße, die die zeitgenössische Museumskunst nachhaltig geprägt hat, während Séripop (aka Yannick Desranleau und Chloe Lum) weitgehend der Straße verpflichtet blieb. Es mag eine Nuance sein, aber der Unterschied zwischen der Straßen-, sprich Graffiti-Kunst, die im Museum heimisch geworden ist, und der an sich museablen Plakat- und Posterkunst, die sich als »Haut einer Stadt« empfindet, ist dennoch nicht gering. Andererseits verneigt sich das Wiener Museum vor den Kunstschaffenden der 1980er Jahre, die in der Grenzzone von Straße und Atelier neue Impulse schufen. Dabei versuchten die Ausstellungsmacher gar nicht erst, ein künstliches Straßenambiente zu inszenieren – Nacht, Wind, Wetter, Illegalität sind authentisch nicht herbeizuzaubern –, sondern sie zeigen Kunsträume, die dem Betrachter alle Facetten der Straßenkunst zwischen »Street« und »Studio« ans Herz legen und die Augen zu öffnen für die Kunst außerhalb der Institutionen. Denn ob Video, Foto oder Installation, ja sogar Malerei: Künstler arbeiten zunächst im privaten, dann aber immer öfter auch im öffentlichen Raum – das Museum ist sozusagen nur das Endlager. Kaum ein Jahrzehnt hat die Räume so phantasievoll vervielfältigt wie das der 80er, andererseits scheinen sich in den jüngsten Jahrzehnten mehr Künstler denn je von der etablierten Kunstwelt abzuwenden (und vielen ist der Weg dorthin so steinig oder gänzlich verbaut, dass sie notgedrungen alternativen Pfaden folgen müssen).

Was sich als urbane Kunst in die Feuilletons geschrieben hat, ist möglicherweise das schwer überschaubare Terrain, auf dem zukünftig Kunstgeschichte inszeniert wird. Hier dürfte sich auch die akademische Laufbahn eines Künstlers schnell verlieren, der sich vielmehr mit der Ignoranz der Zeitgenossen herumschlagen muss, die hinter mancher Streetart-Nummer eine Sachbeschädigung wittern. Glaubt man Mario Grubisic, künstlerischer Leiter der eben zu Ende gegangenen Viennabiennale, geht die Zahl der kreativen »Grenzgänger« in die Hunderte. Eine Art Bestandsaufnahme ist diese Ausstellung »Street and Studio« in der Kunsthalle, die somit auch eine Vorreiterrolle einnimmt. Flankiert wird die Schau noch von der Ausstellung »Street« mit Arbeiten der Konzeptkünstlerin Phyllida Barlow (BAWAG Contemporary, bis 24.10.) oder der »Escape 2010«, der ersten »Internationalen Ausstellung für Urban Art« (auch bis 24.10.).

Die Liste der teilnehmenden Künstler: Rita Ackermann, Charlie Ahearn, Eric Andersen, Kader Attia, Banksy, Jean-Michel Basquiat, Dara Birnbaum, Blek le Rat, BLU, Sophie Calle, Francesco Clemente, Jane Dickson, Brad Downey, Christian Eisenberger, Futura, Dani Gal, Ingo Giezendanner (GRRRR), Shaun Gladwell, Keith Haring, Jenny Holzer, Mark Jenkins, Leopold Kessler, Lady Pink, Sol LeWitt, Basim Magdy, Ari Marcopoulos, miz JUSTICE, Ramm:ell:zee, Robin Rhode, Evan Roth, Séripop, Rita Vitorelli, Andy Warhol.

Öffnungszeiten:

Täglich 10 - 19 Uhr
Donnerstag 10 - 21 Uhr

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