Ausstellungsbesprechungen

Sven Drühl : Shin-Hanga. Japanische Landschaften, Stadtgalerie Kiel, bis 25. Mai 2015

In den Fernen Osten entführt derzeit die Stadtgalerie Kiel. Sven Drühl rezipiert in seiner Malerei gerne andere Künstler – nun ist der Shin-Hanga, eine im 20. Jahrhundert entstandene Form des japanischen Holzschnitts dran! Wie das aussieht, verrät Ihnen Freya Leonore Niebuhr.

Sven Drühls Werke sind untrennbar mit der Shin-Hanga-Kunst, dem sogenannten japanischen »New Print Movement«, verbunden. Diese Kunstrichtung erfreute sich in den 1950er Jahren großer Beliebtheit in den Vereinigten Staaten, Kanada sowie Australien. Im Japan des frühen 20. Jahrhunderts wurde der traditionelle Farbholzschnitt während dieser Bewegung neu interpretiert. So erhielten ausgewählte Elemente westlicher Kunst der Romantik und die Lichtgesetze des Impressionismus Einzug in die Holzschnitttradition.

Unmittelbar neben Drühls Werken hängen in den Ausstellungsräumen zum Vergleich zahlreiche kleinformatige Farbholzschnitte auf Papier, die vorrangig aus den 1920er bis 40er Jahren stammen. Sie sind Teil der Shin-Hanga-Sammlung, die sich im Privatbesitz des Künstlers befindet. Darauf zu sehen sind Küsten, Seen, Berge und Tempel aber auch Schiffe und Menschen. Am Rand dieser Schnitte lassen sich japanische Schriftzeichen entdecken, die die Bilder in ihrem Kulturkreis verorten.

Orientiert an den Shin-Hanga-Werken, aus denen er seine Bildelemente entlehnt und sie auf seine eigene Weise neu kombiniert, entwickelt Sven Drühl seine beeindruckenden japanischen Landschaftsansichten. Gleichermaßen greift er hierfür auf Elemente zeitgenössischer europäischer Kunst zurück. Dennoch hat der Künstler seine eigene Herangehensweise gefunden, japanische Landschaften darzustellen. Statt diese im Medium Holzschnitt abzubilden, bedient er sich verschiedener Materialien unserer Zeit, die auf den ersten Blick ungewöhnlich sind: Zwar nutzt er einerseits klassische Ölfarben, doch verwendet er andererseits auch Lack und Silikon. Als Bildträger dienen ihm vorrangig großformatige Leinwände, die er bemalt. Durch die Verwendung dieser Materialien schafft er etwas Neues, für seine Kunst Charakteristisches.

In dicken Schichten und nahezu reliefartig trägt Drühl die Farben auf die Leinwand auf. Steht man direkt vor seinen teils mehrere Meter hohen und breiten Werken, lässt sich der Pinselduktus sehr gut nachvollziehen. Von den lackierten Flächen im Bild geht Glanz aus, dünne Konturen aus Silikon hingegen unterstreichen die Linienhaftigkeit der Bilder. Mit der Nebeneinanderpositionierung lackierter Flächen und erhabener Silikonkonturen gelingt es ihm, den Kontrast von glatter Fläche und rauer Linie zu betonen. Folglich kreiert er in seinen Arbeiten eine abwechslungsreiche Oberflächenstruktur. Die Beschaffenheit von Baumrinde oder die Struktur von Blättern werden so für den Betrachter nachvollziehbar.

Drühls Landschaften wirken monumental und imposant. Statt vieler minutiös ausgearbeiteter Details zeigen sie vielmehr reduzierte Formen. So beschränkt er sich in seinen Arbeiten auf wenige Bildelemente wie z.B. Wasser, Bäume, Himmel und eine Bergkette. Die Landschaften, die Drühl zeigt, sind von vielfältiger Natur: Das Werk mit dem Titel »T.Y.« aus dem Jahre 2013 zeigt eine Eismeerlandschaft, »H.Y.« (2013) ein schneebedecktes Felsmassiv in Blau-, Braun-, Grau- und Weißtönen. Eine Vorgebirgslandschaft mit Bäumen, dargestellt in Beige-, Braun- und Grüntönen dagegen zeigt »K.H.S.B.T.Y.« aus dem Jahre 2014.

Für einige Werke verwendet Drühl ausnahmslos helle Farben. Aus dem Jahre 2015 z.B. stammt das Bild »T.Y. (Bastard)«. Landschaften, die lediglich in dunklen Tönen gemalt wurden, werden von Sven Drühl mit dem Wort »undead« betitelt. Untot und damit lebendig, weil die Landschaft in ihnen – und das, obwohl sie in schwarz gemalt ist – optisch aus der Tiefe heraustritt und nicht nur dunkel und starr dort liegt.

Drühl überträgt sein Prinzip der Konturen auch auf andere Medien als auf die Leinwand. So stellt er Linien auf einer Plexiglasplatte dar, lässt sie in einem Türkiston von Neonröhren anstrahlen (»K.H.K.H. (Neon)«, 2014) und erzielt hierdurch eine besondere Wirkung im ansonsten unbeleuchteten Ausstellungsraum.

Drühls Werke haben starken Wiedererkennungswert und stehen für sich ohne dabei ihren japanischen Ursprung zu verbergen. Die Shin-Hanga-Holzschnitte hingegen sind starke Inspiration für Drühl und ermöglichen ihm, diese in Europa bislang nur marginal thematisierte Kunst stärker in den Vordergrund zu rücken. Ein Besuch der Ausstellung ist aus diesen Gründen absolut lohnenswert.

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