Buchrezensionen

Tacke, Andreas (Hrsg.): Lucas Cranach d. Ä. Zum 450. Todesjahr. Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Bd. 7, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2007.

Im September 2003 traf sich in der Lutherstadt Wittenberg eine Expertenrunde anlässlich des 450. Todesjahrs Lucas Cranachs des Älteren unter der Leitung des Trierer Cranachkenners Andreas Tacke, der nun, fast vier Jahre danach, den Tagungsband herausgibt und ein spärliches Vorwort beisteuert.

Diesem ist zu entnehmen, dass das Zustandekommen des Buches nicht nur in finanzieller Hinsicht eine schwere Geburt war, sondern auch wegen, so Tacke, »widriger Umstände«, welche die Aufnahme dreier in Wittenberg gehaltener Vorträge in den Band verhinderten.

Es besteht bei derartigen Tagungsbänden immer die Gefahr, dass Leser, die nicht zum inneren Zirkel der jeweiligen Spezialisten zählen, von der Fülle des inhaltlich Vorausgesetzten abgeschreckt werden. Man sollte aber zumindest im Falle dieses Buches gelassen an die Lektüre herangehen und sich an dem freuen, was man erfährt und lernen kann.

So gleich beim ersten der insgesamt fünfzehn Aufsätze, in dem Heiner Borggrefe eine Neuinterpretation der Cranachschen Porträts des Humanisten Cuspinian vorbringt: Selbst derjenige, der nicht einmal die älteren Interpretationen kennt und daher den Wert der neuen Sicht nicht recht würdigen kann, mag sich von der kenntnisreichen ikonographischen Analyse, die die Grenzen des Sujets souverän überschreitet, unterhalten und belehren lassen.
 

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Borggrefe führt uns in die Gefilde der Symbolik der Vogelwelt (Falken, Eulen, Papageien und Kraniche) und schlüsselt eine Reihe von Anspielungen an die antike Göttermythologie (Apollo, Venus und Mars) auf, die er in den Cuspinian-Bildnissen aufspürt. Schade nur, und das gilt für das ganze Buch, dass die Abbildungen oft von minderer Reproduktionsqualität sind.

Es gibt, grob eingeteilt, zwei Gruppen von Beiträgen: solche, die sich mit weltlichen, und solche, die sich mit religiösen Werken befassen, wobei die beiden Sphären gerade im Fall Cranachs sich häufig überschneiden.

Hinsichtlich der profanen Bildproduktion war beim Wittenberger Kongress die Analyse von Funktion, Bedeutung und Gehalt der zahllosen Porträts aus der Werkstatt des Künstlers ein Themenschwerpunkt. Es ergab sich, dass das mitunter gerügte Maskenhafte (»Ikonische«) der Bildnisse durchaus nicht als Mangel verstanden werden muss, sondern mit der Bildauffassung Luthers (Abwertung alles Realistischen) korresponiert, dass also das Stilmerkmal des Schematischen, das überdies die effiziente Massenproduktion erleichterte, kein Kriterium dafür an die Hand gibt, ob der Meister selbst oder seine Mitarbeiter am Werk waren.
 

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Besonders lesenswert im Zusammenhang mit der Frage der Serienproduktion ist auch der Beitrag Sabine Fasterts, der diese gewinnträchtige Herstellungsweise aus medientheoretischer Perspektive im Licht der Aura-Theorie Walter Benjamins reflektiert. Jedoch: Während die Überschrift des Aufsatzes lautet: »Die Serienbildnisse aus der Cranach-Werkstatt«, läuft über den gesamten Text die falsche Kopfzeile: »Die Selbstbildnisse ...«. – Nun hatte es doch schon nahezu vier Jahre bis zum Erscheinen des Bandes gebraucht; und es war offenbar immer noch zu wenig Zeit, um derartige Schnitzer eliminieren zu können! Man hat zu vermuten, dass, wie so häufig, das Publikationsunterfangen anfangs nicht recht in die Gänge kommen wollte und dass es dann »hopphopp« gehen musste.

Wer eine Vorliebe für Cranachs weibliche Akte hat, wird neben Berthold Hinz’ Ausführungen über die vielen »Venusse« und »Paris-Urteile« besonders Franz Matsches Aufsatz über die Quellnymphen mit Gewinn studieren. Matsche fand die Vorlage dieses Motivs der nackten liegenden Venusschwester in einer ungarischen Brunnenfigur und gelangt rezeptionsästhetisch zu der überraschenden Auffassung, diese unbekleideten Schönen hätten den Betrachter zur Affekt- und Körperkontrolle erziehen sollen.

Was die religiösen Bildthemen angeht, steht der in den letzten Jahren wiederentdeckte »katholische« Cranach etwas im Hintergrund. In erster Linie nämlich geht es um Bildwerke mit dezidiert protestantischem Gepräge, und da liegt der Akzent erstens auf ihrer Funktion als »Bekenntnis und Memoria« (Doreen Zerbe), d. h. als Inbildsetzung der lutherischen Konfession und als Erinnerung an die Hauptfiguren der Reformation (z. B. Luther und Melanchthon).
 

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Zweitens ist – religiös – die Kontrastierung von »Gesetz und Gnade«, also die Gegenüberstellung von Kernerzählungen des Alten Testaments mit den Kardinalaussagen des Neuen Testaments ein spezifisch protestantisches und damit Cranachsches Bildthema. Diesem wendet sich der Schlussbeitrag zu. Er verdankt sich dem Dissertationsprojekt der Autorin Miriam Hübner, das sich mit dem »Bildtypus ›Gesetz und Gnade‹« in der dänischen Reformation abmüht.

Also auch am Ende: Das Ritual wissenschaftlicher Profilbildung rangiert vor dem Wunsch nach Unterrichtung eines breiteren Publikums. Mithin darf sich der eher interessierte als in die Tiefen und Verästelungen der Cranachforschung involvierte Leser in der Rolle des Zaungastes einrichten. Doch auch von dieser Warte bekommt man ja nicht selten gute Einblicke.

 

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