Ziel der Tagung ist es, die strikte Opposition von Abstraktion und (figurativer) Körperlichkeit in Frage zu stellen und zu einem umfassenderen Verständnis des Körperhaften in der modernen Kunst zu gelangen.
Seit dem Eintritt in die Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheinen Körperlichkeit und Abstraktion einen Gegensatz zu bilden, der unterschiedliche künstlerische Positionen markiert. Auf der einen Seite stehen Ansätze, die sich der Abstraktion verschreiben und sich programmatisch vom Figurativen, Narrativen und Illusionistischen abwenden; auf der anderen Seite Ansätze, die dem Prinzip der Repräsentation verpflichtet bleiben. Die abstrakte Kunst sagt sich gemäß diesem dichotomischen Schema von körperhafter Darstellung los.
Seit den Avantgarden besinnt sich der Modernismus auf die Autonomie des jeweiligen Mediums und vollzieht einen Prozess der Reinigung und Reduktion, der teilweise mit einer Wende nach Innen einhergeht (Clement Greenberg). Während figurative Kunst auf eine Welt außerhalb ihrer selbst bezogen bleibt, wird der abstrakten Kunst nur mehr Referenz auf sich selbst zugeschrieben. Die konsequente Reduktion aller außerweltlichen Bezüge führt die Kunst an die Grenze der Selbstauflösung, die sich in stets neuen ‚letzten Bildern' und in der fortwährenden Rede vom ‚Ende der Kunst' artikuliert. Dies lässt scheinbar nur die Wahl zwischen der positiven Bewertung der Abstraktion als einer Kritik des Illusionismus oder einer Ablehnung der Abstraktion als reinem Formalismus.
Das schließt einen anderen Begriff von Abstraktion ein, die nicht allein als Reduktion (Abziehung, Abwesenheit, Abwendung) bestimmt werden darf. Zwar wird in abstrakten Kunstwerken das Körperliche nicht mehr auf figurative Weise zur Darstellung gebracht, es findet aber – so die These – auf zwei anderen Ebenen wieder Eingang in die Kunst: zum einen als das Physisch-Körperhafte des Materials in seiner sinnlichen Konkretion, zum anderen in der leiblichen Erfahrung des Rezipienten, die zum integralen Bestandteil des Kunstwerks selbst gemacht wird.
Donnerstag, 20.10.2011
Ort: Tagungsraum K 7, Universität Konstanz
09:00–09:15
Begrüßung und thematische Einführung
Olga Moskatova
Moderation: Prof. Dr. Bernd Stiegler
09.15-10:15
Toni Hildebrandt (Basel)
Leiblichkeit, Abstraktion, Privation. Zum Corpus der Zeichnung bei Laura Lio
10:15-10:45
Kaffeepause
10:45-11:45
Kathrin Schönegg (Konstanz)
Die Dinge verschwinden lassen, um ihnen näher zu kommen. Autogenerative Photographien als Intensivierung des „Realen“
11:45-12:45
Dietmar Kohler (Halle)
Konkretion und Reflexion. Zur Phänomenalität der Silver-Serie von Wolfgang Tillmans
12:45-14:15
Mittagessen
Moderation: Olga Moskatova
14:15-15:15
Alexander Schwan (Berlin)
Kryptische Diagramme – Körperlich vermittelte Abstraktion im Postmodern Dance
15:15-16.15
Kristina Köhler (Zürich)
„Rosa und hellgrüne Bänder wehten tänzerisch über die Fläche.“ Zum Abstraktionsbegriff im ‚absoluten’ Film und Tanz der 1920er Jahre
16:15-16:45
Kaffeepause
16:45-17:45
Kristin Wenzel (Paderborn)
Stille. Zur Interdependenz von Leiblichkeit, Stille und Kunst aus kulturhistorischer Perspektive
ab 18:15
Hörsaal A 703, Universität Konstanz
Abendvortrag von Prof. Dr. Monika Wagner (Hamburg): „Das Auge ward Hand, der Lichtstrahl Finger“. Zur Aktivierung des Betrachterraums
Moderation: Dr. Marius Rimmele
Freitag, 21.10.2011
Ort: Tagungsraum K 7, Universität Konstanz
Moderation: Prof. Dr. Juliane Vogel
09:00-10:00
Berit Callsen (Berlin)
„L´Hourloupe“, „Réalisme radical“ und „Simulacres“: Überlegungen zur Dialektik von Körperlichkeit und Abstraktion bei Jean Dubuffet
10:00-10:30
Kaffeepause
10:30-11:30
Tomoko Mamine (Berlin)
„Als sich Geist und Material die Hand reichten“. Die frühen Arbeiten von Gutai
Moderation: Dr. Ursula Ströbele
11:30-12:30
Sandra Beate Reimann (Konstanz/Wien)
Als der Raum sich krümmte. Topologische Konfigurationen im jüngeren Œuvre Richard Serras
12:30-14:00
Mittagessen
14:00-15:00
Viola Rühse (Hamburg)
Die phänomenologische und utopische Avantgarde-Ästhetik von Maria Nordman
ab 15:00 Abschlussdiskussion
Die Tagung wird ausgerichtet vom DFG-Graduiertenkolleg "Das Reale in der Kultur der Moderne" an der Universität Konstanz. Eine Anmeldung für die Konferenz ist möglich per E-Mail an: Koerperderabstraktion@googlemail.com.