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Tagung: Material Culture. Präsenz und Sichtbarkeit von Künstlern, Zünften und Bruderschaften in der Vormoderne, vom 25. bis 28. Februar 2016 in München

Die soziale Einbindung von Künstlern in die Stadtgesellschaft der Vormoderne ist das Forschungsthema des Projekts »artifex«. In ihrer internationalen Tagung wollen die Wissenschaftler daher die Einbindung von Künstlern in die Struktur der städtischen Gesellschaft untersuchen und wie diese in der materiellen Kultur der Stadt sichtbar wird.

In den vergangenen Jahren hat der „material turn“ in zahlreichen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen zur Stimulanz neuer Fragen, neuer Forschungsbereiche und neuer Forschungsperspektiven geführt. Das vielzitierte „thinking through things“ ist gerade im Bereich der Sammlungs- und Museumsgeschichte essentiell. Dennoch sind trotz der dem Fach Kunstgeschichte immanenten Objektgebundenheit – etwa im Vergleich zu Archäologie und Kulturanthropologie – erstaunlicherweise zahlreiche Forschungsthemen noch kaum bearbeitet, obgleich sie einen zentralen Bereich des vormodernen Künstlerselbstverständnisses bilden: Die Rede ist von jenen Objekten materieller Kultur, die die städtischen Berufsverbände im Handwerk und Gewerbe repräsentierten und so das Zunft- Gilde- und Bruderschaftswesen im städtischen Kontext visualisierten. Sämtliche in diesem Bereich angesiedelten Objekte stehen hierbei im Zentrum des Interesses, der Begriff material culture des Zunft- und Gildewesens wird auf der Tagung in breitest möglicher Dimension verstanden, vom mehrflügeligen Altar bis zum schlichten Zunftschrank, der die Kerzen für die städtischen Prozessionen beherbergte. Von Interesse sind die Form, Wirkung und Funktion dieses Objekt in seinem sakralen oder profanen Umfeld.

Die wichtigsten Akteure sind hierbei vor allem die städtischen Gilden. In ähnlicher Weise agieren die zünftischen Bruderschaften, die sich um die sozialen und religiösen Belange ihrer Gilde kümmern. Auch die offiziellen Vertreter der Stadt konnten auf in der Gestaltung ihres Rathauses und des Stadtbildes Einfluss nehmen, um die soziale Struktur ihrer Gemeinschaft ins Blickfeld zu rücken. Wann kommt es zu konkurrierenden Projekten zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen? Inwieweit wird dem Individuum Raum für persönliche Stiftungen gewährt? Der Bildende Künstler oder auch der Architekt spielt bei der Selbstdarstellung der Zünfte, aber auch von Einzelpersonen und generell bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes eine zentrale Rolle. Er ist derjenige, der Gemälde, Fahnen, Glasfenster, Handschriften, etc. nach den Vorgaben des Auftraggebers entwirft und ausführt. Seine Kunstfertigkeit verleiht den Gilden Glanz, seine visuellen Angebote übersetzen den Darstellungswillen der Gruppe in konkrete Bildbotschaften. Wer ist für die Ausgestaltung zünftischer Räume verantwortlich? Welche Künstler werden für diese Aufträge herangezogen und wie gehen sie mit der jeweiligen Aufgabe um?

Die Räume, in denen sich die gemeinschaftlichen Aktivitäten abspielen, können unterschiedlichster Art sein. Der städtische Raum bildet quasi die Bühne, auf der sich die Handwerksverbände bewegen und ihre Realien zur Schau stellen können. Hierbei kann es sich um den zentralen Platz, das Rathaus, die Kirche mit verschiedenen Gildenkapellen oder auch das individuelle Zunfthaus handeln. Neben diesen verortbaren Räumen bilden die unterschiedlichsten ephemeren Räume einen ebenso zentralen Bereich: ob kommunale Festzüge, kirchliche Prozessionen, festliche Herrschereinzüge oder Totenfeierlichkeiten, wann immer die verschiedenen städtischen Gruppen in der Öffentlichkeit auftraten, mussten sie als Vertreter ihres Standes erkennbar sein. Hierbei spielten Realien wie Zunftkerzen, berufsspezifische Wappen und Standarten mit Zunftmotiven eine wichtige Rolle. Ebenso konnte die Reihenfolge, in der die jeweilige Gruppe an einer Prozession teilnahm, den Status der Zunft im städtischen Kontext signalisieren. Hierbei handelt es sich um ephemere Prozesse, die in schriftlicher oder bildlicher Form festgehalten werden konnten. Die Zunftkapellen dienten als öffentlich zugängliche Bereiche, in denen die Gemeinschaft ihr Erscheinungsbild nach eignen Vorstellungen prägen konnte.

Neben den unterschiedlichen Akteuren und Räumen soll die Tagung herausarbeiten, inwieweit das spezifische Objekt in der Vormoderne zur Repräsentation, zur Machtsicherung aber auch zum Wissenstransfer eingesetzt wurde und inwieweit es heute – oftmals seines Kontextes vollständig beraubt – zum Verständnis des Gilde- und Zunftswesens dienen kann. Die interdisziplinär angelegte Tagung möchte hierbei die visuellen und haptischen Dimensionen des Objekts ebenso einbeziehen wie etwa auch wissenschaftsgeschichtliche Fragen an das Thema.

Programm

Donnerstag, 25. Februar 2016

18.00 Uhr Eröffnung

Grußworte
Prof. Dr. Ulrich Pfisterer, Direktor des Zentralinstituts für Kunstgeschichte

Zur Tagung
Prof. Dr. Wolfgang Augustyn, Leiter der Forschungsstelle Realienkunde

Zu artifex
Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke, Dr. Birgit Ulrike Münch, Prof. Dr. Dagmar Eichberger (alle Universität Trier, artifex)

Eröffnungsvortrag
Prof. Dr. Suraiya Faroqhi (Istanbul): Sultansbefehl oder Selbstdarstellung? Handwerkerprozessionen im XVI. und XVII. Jahrhundert

Anschließend Umtrunk

Freitag, 26. Februar 2016

9.00 Uhr
Sektion 1: Städtische Räume: Antwerpen als Bühne für Künstler und Zünfte
Chair: Prof. Dr. Nils Büttner (Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart)

Prof. Dr. Nils Büttner (Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart): Introduction to the conference themes: Peter Paul Rubens

Prof. Dr. Dan Ewing (Barry University): Guild Work, Guild Glory: Sixteenth-Century Antwerp Painters' Work for the St. Luke's Guild

Pause

Dr. Petra Maclot (KU Leuven): Status and all' antica architecture: artists' homes, the town hall and guildhouses in Antwerp between 1560 and 1585

Dr. Beatrijs Wolters van der Wey (Antwerp): Corporate Splendour Indoors. The Role of the Furnishing of the Guildroom in the Formation and Expression of the Guilds’ Identity and Status in Seventeenth- and Eighteenth Century Antwerp

14.00 Uhr
Sektion 2: Bruderschaften und Gilden als Auftraggeber
Chair: Prof. Dr. Dagmar Eichberger (Universität Trier / Universität Heidelberg)

Dr. Ingrid Falque (Université catholique de Louvain): Visualizing Cohesion, Identity and Piety: Portraits of Guilds and Brotherhoods in Early Netherlandish Painting

Prof. Dr. Henry Martin Luttikhuizen (Calvin College): Kindred Spirits: Geertgen tot Sint Jans and the Haarlem Brotherhood of Saint John the Baptist

Pause

Megan C. Blocksom (University of Kansas): Representation and Ritual in Adriaen van Nieulandt’s The Procession of Lepers on Copper Monday, 1633: Extolling Civic Virtues

Prof. Dr. Pascale Rihouet (Rhode Island School of Design): The Material Culture of a Confraternity’s Public Life: the Annunziata in Perugia (Italy), 14th-17th c.

Samstag, 27. Februar 2016

9.00 Uhr
Sektion 3: Konkurrenz im Kirchenschiff

Chair: PD Dr. Martin Gaier (Universität Lüneburg)

Prof. Dr. Stefan Bürger (Universität Würzburg): Hinweise auf bruderschaftliches und zünftiges Engagement in spätgotischen Kirchen Sachsens und angrenzender Regionen

Prof. Dr. Philipp Zitzlsperger (Hochschule Fresenius - AMD, Standort Berlin): Anton Pilgrams letzter Streich. Hinterlist und Selbstdarstellung eines Künstlers im Wiener Stephansdom

Pause

Dr. Gabor Endrödi (Budapest): Objekte und historische Überlieferungen in der Auseinandersetzung der deutschen und italienischen Baumeister in Wien im 17. Jahrhundert

Matthijs Jonker, PhD Candidate (Amsterdam): The Cappella di San Luca: A Crossing Point of Religious and Professional Activities of Artists in Pre-modern Florence

14.00 Uhr
Sektion 4: Zünfte und Repräsentation I – Das marginalisierte Objekt
Chair: Prof. Dr. Sabine von Heusinger (Universität Köln)

Dr. Vera Henkelmann (Eschweiler): Das Beleuchtungswesen der Bruderschaften und Zünfte im Spätmittelalter – Gestaltung und Funktion im Spiegel der tradierten Sachkultur und Schriftüberlieferung

Dr. Jens Kremb (Bonn): Zunftscheibe, Zunfttafel, Totentafel oder Meistertafel? Die runden Wappenschilde der Zünfte

Pause

Audrey Ginoux (Lyon): Der Malstock zwischen Zunfteingebundenheit und künstlerischer Emanzipation: Zur visuellen Kulturgeschichte eines bisher wenig beachteten Werkzeugs

Prof. Dr. Marc Jacobs (Director of the Flemish Interface for Cultural Heritage - FARO): Small dramaturgy of a procession of artefacts: about the movable and intangible heritage of early-modern guilds in the Southern Netherlands

Sonntag, 28. Februar 2016

9.00 Uhr
Sektion 5: Zünfte und Repräsentation II – Gemalte Bild-Räume
Chair: Prof. Dr. Eva-Maria Seng (Universität Paderborn)

Dr. Martin Roland (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien): Die Funktion des Bildes bei mittelalterlichen Bruderschafts- und Zunft-Urkunden

Dr. Michael Roth (Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz): Die „Augsburger Malerbildnisse“ des Meisters mit dem Zeichen BB zwischen Freundschaftsalbum, Ehrentafel und historischer Fiktion

Pause

Danica Brenner M.A. (Darmstadt): Material culture der Augsburger Malerzunft: Die Funktion zünftischer Insignien und ihre Aneignung durch Karl V. als Symbol der kaiserlichen Machtübernahme im Kontext des „Geharnischten Reichstages“

Dr. Martin Möhle (Kantonale Denkmalpflege, Basel): Gelehrte Fassadenmalerei: Bildliche Repräsentation der Basler Schmiedenzunft im 17. Jahrhundert

Tagungsende 13 Uhr

Tagungsort:
Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Vortragsraum 242, II. OG
Katharina-von-Bora-Straße 10
D-80333 München

Die Teilnahme ist kostenlos. Wir bitten um Ihre Anmeldung unter: guilds(at)uni-trier.de

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