Interviews

Texte am laufenden Meter. Portalautor Günter Baumann über die Kunst und den Drang, über sie zu schreiben

Ob Barock, Realismus, Impressionismus, Expressionismus, Dada, Op Art, Eat Art oder Gegenwartskunst; Malerei, Skulptur, Grafik, Installation, Keramik oder Objektkunst; Rubens, Renoir, Tatlin, Léger, Moore, Riley, Giacometti, Fleck oder besonders Voré – unser Autor Günter Baumann weiß, allen gerecht zu werden. Anlässlich seines 10-jährigen PKG-Jubiläums hat Rowena Fuß ihn zum Interview getroffen und über das Autorendasein befragt.

Porträt Günter Baumann © Foto: Günter Baumann
Porträt Günter Baumann © Foto: Günter Baumann

Lieber Herr Baumann, Sie schreiben seit 2002 Ausstellungs- und Buchbesprechungen für das Portal. Was reizt Sie daran, für uns zu schreiben?

Mich reizt das Schreiben an sich. Dass ich schon 10 Jahre dabei bin, überrascht mich selbst. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich auf 4 oder 6 Jahre tippen. 10 Jahre sind tatsächlich eine lange Zeit – was nur dafür spricht, dass es sehr viel Spaß macht, dass ich weder müde werde, noch dass ich es lassen kann. Ich bezeichne das Portal gern als meine „Spielwiese“, da es mir sehr viele Möglichkeiten bietet, Texte zu platzieren.

In der Tat bekomme ich von Ihnen fast täglich einen neuen Beitrag. Wo finden Sie die Zeit, ihre Besprechungen zu schreiben?

Mein Brotberuf als Verlagsredakteur nimmt den Großteil meiner Zeit in Anspruch, so dass ich hauptsächlich am Spätnachmittag, in der Nacht und am Wochenende schreibe. Manchmal wird die Zeit trotz aller Bemühung knapp und ich kann meine Ausstellungsbesprechung erst kurz vor dem Laufzeitende einreichen.

Gut, dass unsere User selbst nach dem Ende der betreffenden Ausstellung noch auf die Rezension zurückgreifen können.

Ja, ich finde das großartig. Diese Mehrfachverwertung kann ein Buch nicht leisten. Besonders Ausstellungskataloge sind schnell vergriffen.

Wie sind Sie auf das Portal aufmerksam geworden?

Wenn ich das noch wüsste. Ich denke, es war ein Autorenaufruf. Aber fragen Sie mich nicht, wo ich darauf gestoßen bin.

Gab es diese Affinität zum Schreiben, besonders über Kunst, schon immer?

Diese Kombination gibt es seit meiner Schulzeit, wobei sich die Kunst und das Schreiben immer die Waage gehalten haben. Mein Ziel ist es, das, was ich sehe, in Sprache zu übersetzen.

Mir gefällt an ihren Texten die einmalige Verbindung von kunsthistorischem Fachwissen und einer lockeren Sprache. Sie sind nie dröge, immer leicht verständlich und dennoch lehrreich. Verraten Sie mir ihren Trick?

Ich habe zusätzlich zu meinem Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in Stuttgart eine journalistische Ausbildung absolviert. Es ist jedoch immer wichtig, sich vor Augen zu führen, für wen man schreibt.

Worauf legen Sie besonderen Wert?

Mir geht es nicht um eine Schilderung persönlicher Vorlieben, sondern ich möchte dem Künstler gerecht werden. Dazu setze ich mich mit ihm auseinander und versuche eine Beziehung aufzubauen. In der Regel besuche ich den Künstler zu Hause sowie im Atelier und spreche mit ihm über die Arbeiten. Was ich in diesem Zusammenhang wenig mag, ist der Begriff Kritik. Dieser kann auch eine negative Wertung meinen, die ich vermeiden möchte. Wenn sich ein Künstler lange mit einem Thema beschäftigt hat, sollte man dies auch würdigen.

Sie haben noch nie einen Verriss geschrieben?

Ich glaube, nur ein Mal. Das war über eine Ausstellung mit kommerziellem Rahmen zu Salvador Dali. Für mich war nicht ersichtlich, ob die präsentierten Werke echt waren oder Reproduktionen. Das hat mir ganz und gar nicht behagt.

Es lag also nicht daran, dass Ihnen Dali nicht gefällt?

Nein, ich kann mich für viele Künstler begeistern.

Haben Sie denn einen Lieblingskünstler?

Während meiner Schulzeit war es tatsächlich mal Dali, danach Caspar David Friedrich. Mittlerweile zählen Brancusi und Morandi zu meinen „Hausgöttern“. Mich fasziniert, wie Künstler ihre Welt ausdrücken, mit welcher Vielfalt an Medien dies geschieht.

Gibt es ein Werk, das Sie besonders berührt hat, als Sie es zum ersten Mal sahen?

(überlegt lange) Es gibt einen Künstler: Voré. Er arbeitet installativ. Sein Werk entwickelt sich aus der Ausstellung heraus bzw. aus archäologisch anmutenden Fundstücken oder älteren Werkphasen, die er zusammenbaut. Indem Voré seine Arbeiten immer wieder abwandelt und dem jeweiligen Raum anpasst, entstehen jedes Mal neue Zusammenhänge. Daher habe ich immerzu den Eindruck, ich würde ihn neu sehen. Mich ärgert nur, dass er relativ wenig bekannt ist. Aus der älteren Kunstgeschichte war es die Begegnung mit Leonardos »Dame mit dem Hermelin«, als sie im letzten Jahr in Berlin zu sehen war.

Ist es denn schon einmal vorgekommen, dass Sie einen Künstler durch ihre Berichterstattung zum Durchbruch verholfen haben?

Ich wage nicht zu behaupten, dass ich jemandem zum Durchbruch verholfen hätte. Allerdings konnte ich einigen jungen Künstlern die Unsicherheit nehmen. Zu nennen wäre hier die Zeichnerin Käthe Schönle. Als ich sie 2010 kennen lernte, zweifelte sie noch ein wenig an sich. Durch meine Besprechung ihrer Ausstellung in der Stuttgarter Galerie Hollenbach, die im Portal erschien, sah sie ihren Weg jedoch bestätigt. Seitdem hat sie schon einige erfolgreiche Schauen gehabt und wir stehen auch weiterhin in Verbindung.
Das ist ja gerade das Tolle: Mit der Zeit ergeben sich viele Kontakte zu Künstlern und Galerien – ein ganzes Netzwerk, das inzwischen eng gestrickt ist.

Das hört sich für mich so an, als wären Sie permanent unterwegs zu Ausstellungen bzw. Künstlern. Wie bringen Sie ihre Tätigkeit als Verlagsredakteur und ihr Engagement für das Portal unter einen Hut?

Beide Tätigkeiten sind leider nicht sehr kompatibel. Vielmehr sind es zwei getrennte Bereiche. Doch wenn ich auf der Arbeit fremde Texte lese, ist der Drang groß, selbst etwas zu schreiben.

Diese Disziplin, mit der Sie trotz allem beides meistern, erinnert mich an einen Leistungssportler. Tatsächlich sind Sie passionierter Marathonläufer.

Für mich funktioniert nur diese Dreiteilung: Beruf, Kunst und Marathon. Schon um mein Gehirn mit genügend Sauerstoff zu versorgen, laufe ich. Es baut mich auf, wenn die Nacht mal wieder zu kurz war. Während ich laufe, lege ich auch richtige Bewusstseinspausen ein.

Kommt es trotzdem vor, dass Sie nicht gänzlich abschalten und über Formulierungen nachdenken?

Das kommt auch vor. Manchmal hilft es richtiggehend, den Stift wegzulegen, eine halbe Stunde zu laufen und den Text rein gedanklich zu erfassen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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