Ausstellungsbesprechungen

The Corsini Collection. A Window on Renaissance Florence, Auckland Art Gallery Toi o Tāmaki, bis 21. Januar 2018

In Europa sind großangelegte Schauen zur Kunst der Renaissance äußerst beliebt, aber keine Seltenheit – die zahlreichen Sammlungen verteilt über den Kontinent machen es möglich. Anders sieht es da in Übersee aus, wo allein das Heranschaffen der Werke mit einigem Mehraufwand verbunden ist. Darüber hinaus ist der Blick auf die Kunst Europas freilich immer ein wenig anders. Berenike Knoblich war in Auckland unterwegs, wo sich ihr ein Fenster in die Renaissance geöffnet hat.

Sonderausstellungen zu den großen Meistern der Kunst sind in Europa und vor allem in Deutschland keine Seltenheit. Doch wer kann schon behaupten, mal einen Botticelli oder Caravaggio in Neuseeland gesehen zu haben? Der Auckland Art Gallery Toi o Tāmaki ist es in Zusammenarbeit mit der Art Gallery of Western Australia gelungen, ca. 100 Werke der florentinischen Privatsammlung der Familie Corsini als Leihgaben zu erhalten. Zum ersten Mal übertreten Gemälde, Zeichnungen, Kostüme und Mobiliar der Privatsammlung die italienische Grenze. Seit dem 2. September können sich interessierte Besucher wie durch ein Fenster der florentinischen Kunst und Lebensweise hingeben. Mit großen Namen wie Botticelli, Tintoretto, Pontormo und Caravaggio, locken die Ausstellungsmacher Kunstliebhaber und Interessierte in die Ausstellung.

Ähnlich wie die Medici waren auch die Corsini eine einflussreiche Familie, die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts in Florenz lebte. Zu Beginn der Ausstellung werden den Besuchern die Mitglieder in einem Stammbaum von 1995 vorgestellt, der bis ins Jahr 1271 zurückreicht. Der Stammbaum ermöglicht den Besuchern, die wichtige Rolle der Corsini zu verstehen, die bald zu den einflussreichsten Familien Italiens zählten. Begannen sie ihre Karriere noch im Woll- und Seidengewerbe, machten sie schnell auch als Bänker, Juristen und Politiker von sich Reden. Im 18. Jahrhundert stellten sie sogar Papst Clemens XII. Die Privatsammlung wird im Palazzo Corsini in Florenz beherbergt und ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Ein interessantes Stück Familiengeschichte ist ein Porträt Guercinos von 1630, das den Heiligen Andrea Corsini zeigt. Ebendieser war im 14. Jahrhundert Bischof von Fiesole und wurde später heiliggesprochen. Corsini wird in demütiger Haltung mit einem Kruzifix in der Hand gezeigt. Die Stirn in sorgenvolle Falten gezogen, rollt ihm eine Träne die Wange hinab, die die Qualen der Kreuzigung Christi verdeutlicht. Als die Deutschen 1944 in Italien waren, musste schnell gehandelt werden: Prinzessin Elena Corsini höchstpersönlich brachte Werke der Privatsammlung im Familienanwesen Le Corti in Chianti in Sicherheit. Guercinos Werk wurde zum Schutz vor die anderen Gemälde gehängt. Und tatsächlich: Es schützte die anderen Gemälde vor dem Schaden der Nazis. Das Werk zeigt bis heute zwei Einschusslöcher, eins davon an der Stirn des Heiligen. Man entschied sich bewusst gegen eine Restaurierung, da diese Spuren Teil der Familiengeschichte sind.

Neben diesem sind viele weitere Porträts – nicht nur von Familienmitgliedern – zu sehen. In einem toten Winkel des Renaissance-Raumes, meint der geneigte Kunstkenner Raffaels Vorzeichnung zum Porträt Papst Julius’ II. zu erkennen. Doch weit gefehlt: Es handelt sich um eine Kopie. Weiter also zu einem Original von Michelangelo Merisi da Caravaggio aus dem Jahre 1597, das im Barock-Raum ausgestellt ist. Es zeigt Maffeo Barberini, der im 17. Jahrhundert als Papst Urban VIII. bekannt wurde. Das Gemälde gelangte erst im 19. Jahrhundert in den Besitz der Corsini, nämlich mit Anna Barberini Colonna, die Tommasso Corsini heiratete. Caravaggio zeigt Barberini im Gewand der römischen Kurie an einem Tisch sitzend, die Hand auf ein aufgeschlagenes Buch gelegt, den Blick außerhalb des Bildes gerichtet. Dieses Porträt, das nicht unbedingt zu Caravaggios besten Werken gehört, war lange Zeit Gegenstand der kunsthistorischen Diskussion und erst 2014 konnte es dem berühmten Barockmaler sicher zugeschrieben werden. An der Tischkante sind Blumen in einer Vase angeordnet, die an Caravaggios ausgezeichnete Stillleben erinnern. Besucher, die die enorm kontrastreichen Gemälde des Künstlers kennen, könnten von diesem Werk enttäuscht sein. Zwar ist die Vase detailliert dargestellt und die Falten des Gewandes sind mit feinen Pinselstrichen bearbeitet worden, doch man bleibt etwas ratlos vor diesem Porträt zurück. Gleichwohl, so will man meinen, sollte man froh sein, europäische Kunst in Ozeanien sehen zu können.

Eines der Hauptwerke und ältestes Bild der Schau ist das Tondo der Madonna und Kind mit sechs Engeln, das Botticelli mit seiner Werkstatt um 1500 in Tempera und Öl schuf. Erst Ende des 17. Jahrhundert gelangte es aus der Villa Medici in den Besitz der Corsini. Das Werk ist von tiefer Traurigkeit geprägt und zeigt die Mutter Gottes mit dem Christuskind, die links und rechts von je drei Engeln flankiert werden. Während die himmlischen Wesen die Folterinstrumente der Passion halten, verharrt die Madonna, mit dem Wissen um die Zukunft ihres Sohnes, mit halbgeschlossenen Augen in tiefer Einkehr. Das Kind drückt sein Gesicht gegen das der Mutter und blickt sie wissend an. Bedrückung beherrscht das farbreiche Gemälde und der Betrachter wird durch den direkten Blickkontakt der Engel in diese Emotion involviert. Wie viele andere Künstler jener Zeit wandte sich auch Botticelli sakralen Themen zu. Gerade in Florenz herrschte Ende des 15. Jahrhunderts unter dem Prediger Girolamo Savonarola eine Hetze gegen Werke mit klassisch mythologischen Bildthemen. Im selben Raum wie Botticellis Werk hängt das Gemälde eines florentinischen Künstlers nach Francesco Rosselli: Die Hinrichtung Savonarolas, das ursprünglich um 1498 gemalt wurde. Mit diesem Werk erhalten die Besucher einen Ausblick auf die Piazza della Signoria des 15. Jahrhunderts, als würden sie aus einem Fenster blicken. Im Zentrum findet die Hinrichtung Savonarolas sowie zwei weiterer Mitstreiter simultan statt. Einzelne Figuren laufen umher, tragen weiteres Brennzeug heran oder sind in Gruppen ins Gespräch vertieft. Das Geschehen wird von der heute noch recht ähnlichen Architektur umrahmt: der Dom, der Turm des Bargello, der damalige Palazzo della Signoria sowie der Loggia dei Lanzi.

Der Titel der Ausstellung – »A Window on Renaissance Art« – könnte als Portal verstanden werden, durch das die Besucher am anderen Ende der Welt einen Blick auf Florenz und dessen einflussreiche Familie werfen können. Die Schau ermöglicht einen flüchtigen Einblick in das Leben der damaligen Zeit. Nicht nur durch Zeichnungen und Gemälde, sondern auch durch Kostüme, Münzen und einen Essbereich gelingt es den Kuratoren, einen möglichst facettenreichen Einblick zu bieten. Gerade für Besucher, die noch nie in Italien gewesen sind, ermöglicht die Schau zumindest einen virtuellen Abstecher nach Europa. Für verwöhnte Kenner der europäischen Kunst mag die Schau etwas enttäuschend sein und wenig Überraschendes bieten, da ein großer Teil der Werke auf unbekannte Künstler zurückgeht – was nicht heißen soll, dass diese weniger bedeutend sind. Doch in Kombination mit dem vorab gebotenen Marketing kann der Eindruck entstehen, schon vor dem eigentlichen Besuch das vermeintlich Wichtigste gesehen zu haben. Doch auch wenn rund 19.000 km zwischen Italien und Neuseeland liegen: Kunst verbindet Menschen und lässt uns näher zusammenrücken. Einmal mehr wird deutlich, dass Kunst imstande ist, Grenzen zu übertreten. Mit dem Erlös der Eintrittsgelder aus Neuseeland und Australien kann die Privatsammlung der Corsini auch zukünftig sicher aufbewahrt und gegebenenfalls restauriert werden.

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