Jedes Jahr zeigt das European Media Art Festival EMAF spannende aktuelle Positionen der Medienkunst zu jeweils einem Thema. 2016 sind Zukunftsvisionen das Thema der Schau und zeigen sich erstaunlich düster und pessimistisch. Susanne Braun hat sich die Ausstellung angesehen.
Grellbunte Führungspersönlichkeiten aus mehreren Jahrhunderten, umgeben von stoisch knipsenden Fotografen und einer bedingungslos jubelnden Menschenmasse empfangen den Besucher beim Eintritt in die Ausstellung. Gegenüber verschwinden dunkelhäutige Menschen, regungslos und wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen, einer nach dem anderen in den Fluten des Meeres, während ein Glamrockstar mit schwarzem Stern auf dem einen Auge aus dem Hinterteil eines Schafes erstaunlich altbackene Phrasen im Stil einer politischen Ansprache brüllt und ein mangaartig aussehender Actionheld namens Uterusman seinen Feinden wütend »Eizellen-Lichtwellen« oder Föten entgegenschleudert, um sich zu verteidigen.
In der abgedunkelten Kunsthalle Osnabrück flimmern vor allen Dingen Filme auf großen Leinwänden, die weit über den Köpfen der Besucher im Raum schweben. Der Sound dröhnt fast durch die ganze Halle aus den Kopfhörern, die die Besucher aufsetzen müssen, um den Ton richtig verstehen zu können. Entlang der Wände des Kirchenschiffs der ehemaligen Dominikanerkirche befinden sich endlos lange Holzbänke, die an Kirchengestühl erinnern. Von dort aus lassen sich die Filme, sitzend und in regelrecht ehrfürchtiger Pose, verfolgen. Der Zuschauer hat keinen direkten Einfluss auf Start und Stopp der Filme, fast unwillkürlich sucht man nach der Fernbedienung und findet sie nicht. Manchmal scheint sich der Start durch die Annäherung an die Leinwand auslösen zu lassen, ein anderes Mal funktioniert das wieder nicht.
Doch mit etwas Geduld lässt sich in dem Film »Die Geschichte des Himmels/The Extension of the Heaven« von Esteban Rivera die Geschichte des Kosmonauten Gennady Baranov verfolgen, der trotz jahrelanger Vorbereitung nicht in das Weltall fliegen durfte, weil er mit dem Papst den genauen Bereich des christlichen Himmels aushandeln musste. »Die Mauer - Der Vertikale Horizont« von Rotraut Pape zeigt in Endlosschleife fünfzehn Einstellungen desselben Abschnitts entlang der ehemaligen Berliner Mauer und wie er sich bis zur Fünfundzwanzig-Jahr-Feier der Maueröffnung entwickelt hat.
Von Menschen, die künstlich gealtertes Porzellan in Gegenden vergraben, die jenseits der eigenen Staatsgrenze liegen, handelt »In the Future They Ate from the Finest Porcelain« der palästinensischen Künstlerin Larissa Sansour und ihrem dänischen Kollegen Søren Lind. Das Vergraben ist eine Form des Protests. Das Porzellan wird zum exemplarischen Ausdruck einer jeden Hochkultur erhoben und die Funde sollen nachträglich Gebietsansprüche und Grenzen verwässern. In unmittelbarer Nähe wird der Zuschauer in einem Wirrwarr aus bunten Farben und abstrakten Formen Zeuge, wie bei einer Demonstration im Iran auf einen Menschen geschossen wird. Der deutsch-iranische Künstler Ali Chakav erinnert in »Frozen Time« an die Geschichte eines Freundes, dem von einem Scharfschützen in den Kopf geschossen wurde und der zwei Jahre später von den Fragmenten der Kugel in seinem Kopf doch noch getötet wurde.
Zentrales Thema von »The Future of Visions‘« sind filmische Erzählformen und visuelle Darstellungskonzepte. »How to Nature« zeigt verschiedene auf ihr Wesentlichstes reduzierte bewegte Formen und Bilder, während Britta Thie in ihrer sechsteiligen Web-Serie »Transatlantics«, deren unterschiedliche Episoden auf unterschiedlichen Monitoren zu sehen sind, mehrere Leben in verschiedenen Kulturkreisen und Sprachen zeigt, wodurch die Verständigung auf unterschiedlichen Ebenen sehr schwierig ist und viele Erwartungen unentschlüsselbar bleiben. In unmittelbarer Nähe stellt Jennifer Lyn Morone ihre Firma vor, mit deren Hilfe sie die von ihr erzeugten Daten selbst vermarkten möchte und das Programm von Martin Backes lässt einen Computer schrill und blechern Number-One-Hits der neunziger Jahre intonieren.
Im Rahmen des European Media Art Festival (emaf) stellen jedes Jahr MedienkünsterInnen ihre Arbeiten in Osnabrück vor und kommentieren kritisch aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Technik und Gesellschaft. In diesem Jahr finder das emaf unter der Überschrift »Don’t Expect Anything« statt, trägt so einer »zunehmenden Skepsis und teilweisen Verunsicherung gegenüber einer sich verändernden globalen Welt«, wie es im Katalog zum Festival heißt, Rechnung und wirft viele sehr beachtenswerte Fragen nach der Zukunft auf.