Ausstellungsbesprechungen

The Guggenheim Collection

Es gibt nicht wenige Menschen, die allein für die Guggenheim-Sammlung einen Ausflug nach New York einplanen würden – na ja, das MoMA könnte auch noch drin sein (aber das war doch auch schon auszugsweise zu Besuch: in Berlin). Die Deutschen dürfen sich nun glücklich schätzen, dass die Sammlung in einer stattlichen Auswahl das gute alte Europa besucht und ausgerechnet in Bonn Station macht.

Über 200 Meisterwerke aus dem gigantischen Guggenheim-Schatz sind bis Anfang des kommenden Jahres in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland zu sehen, bis November begleitet von einer Präsentation der Guggenheim-Museen weltweit. Kandinsky, Mondrian, Picasso & Co., Rothko, Turrell, Warhol und viele andere mehr geben sich die Ehre: eine einmalige Chance, Kunst vom Feinsten »daheim« auf einer Fläche von über 6000 qm zu sehen. Als Premiere ist die Präsentation von Richard Morris’ »Labyrinth« anzusehen, weil die über neun Meter lange und knapp fünf Meter hohe Plastik noch nie öffentlich aufgebaut wurde; es ist ein Raumerlebnis sondergleichen. Selbst einige Turrells und Naumans kommen hier erstmals richtig zur Geltung. Es ist freilich nur ein Bruchteil dessen an den Rhein geschickt worden, was diese schier gigantische Sammlung zu bieten hat (sie umfasst schätzungsweise 2000 Werke), doch trösten darf man sich hier, dass Guggenheim & Co. selbst über die Kontinente hinweg jetten mussten und müssten, um alle Zweigstellen zu erreichen. Und selbst da kann Bonn punkten, denn etliche der Entwürfe von hochkarätigen Architekten, geplant für Orte zwischen New York und Tokio, sind im Modell bzw. im Entwurfsbild stecken geblieben – und die gibt es alle hier in Bonn zu bewundern (bedauerlicherweise nur bis Mitte November).

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Die Wurzeln der Sammlung führen übrigens mitunter nach Deutschland, denn Solomon R. Guggenheim war zwar steinreich, aber zwei weitere Gaben überließ er dem (ganz und gar nicht) schwachen Geschlecht: Seine Nichte Peggy trat forsch in der Öffentlichkeit auf, um diese mit der Sammlung bekannt zu machen – ohne Marketing läuft ja gerade im Kunstbereich vieles in die Leere –; und die deutsche Gräfin und Malerin Hilla von Rebay hatte den sachkundigen Riecher – denn auch da gilt: Geld allein macht noch keinen guten Kunstsammler. Guggenheim wollte von Rebay ein braves Porträt von sich gemalt haben, doch sie nutzte die Gunst der Stunde und faszinierte ihn für die abstrakte Kunst. Er begann zu kaufen, was bis dahin in den USA unter Naserümpfen abgetan wurde: Kandinsky, Klee, Marc und andere mehr. Als das Museum an der Fifth Avenue nicht mehr ausreichte, knüpfte die Baroness die Kontakte zu Frank Lloyd Wright, der von 1944 bis 1959 eines der bekanntesten Museumsbauten des 20. Jahrhunderts baute, in dem sich die Kunst in einer Spirale nach oben schrauben konnte (im Begeisterungstaumel fiel nur wenigen Leuten auf, dass der Aufstieg keine hängefreundlichen Wände mitführte). Die Eröffnung erlebte der Architekt genauso wenig wie der Bauherr, und Hilla von Rebay hatte das Nachsehen, weil die Erben sie ausgebootet hatten – angeblich betrat sie das Gebäude nie. Die Querelen dürften Geschichte sein. Heute hört sich das zumindest freundlich an. Thomas Krens, der Direktor der Guggenheim Foundation, ist sich bewusst, wie er im Interview meinte, »dass Deutschland so etwas wie die zweite Heimat des Guggenheim Museums ist«.

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Peggy Guggenheim kaufte und sammelte unterdessen nahezu rauschhaft weiter – die Sammlung wuchs und wuchs: um den deutschen und dann auch den amerikanischen (abstrakten) Expressionismus, den Futurismus, den Kubismus, Minimal Art, Pop Art um Max Ernst und Jackson Pollock – denen sie nicht nur marktorientiert gewogen war. Beckmann, Flavin, Kelly, Kirchner, Kokoschka, Lichtenstein, Magritte, Manet, Modigliani, Mondrian, Nauman, Picasso, Renoir, Rosenquist, Rothko, Tanguy, Warhol: auf zum fröhlichen Name dropping, hier gibt es ein Who is Who und was nicht alles mehr, was einen ins Schwärmen bringt. Da Erfolg auch attraktiv macht, fanden private Sammlungen (bis zuletzt 1990) den Weg ins Guggenheim-Imperium: Arp, Brancusi, Gris, Schwitters stießen zu ihren Kollegen. Als diese endlich versammelt waren, zogen sie mit Guggenheim-Etikett auch schon in die Welt hinaus, nach Venedig und in die New Yorker Nachbarschaft, nach Berlin, Bilbao und Las Vegas. Und für kurze Zeit geben sich die VIPs der feinen Runde ein Stelldichein in der ehemaligen deutschen Bundeshauptstadt – ganze 10 Millionen EURO kostet das Unternehmen, dass die Ausstellungsmacher ganz froh sind, dass der Bund und die Deutsche Telekom ihre Flügel darüber halten – auch wenn es manchem sauer aufstößt, dass der Hauptsponsor nicht nur für Verlustgeschäfte gerade stehen muss, sondern auch an den Einnahmen verdient, wenn mehr als die erhofften 600000 Besucher kommen. But that\'s bussiness.

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Was die Architektur rund um Guggenheim angeht, hat die Erfolgsgeschichte ein paar Risse und ist doch so faszinierend wie einzigartig. Wright hat mit seinem Bau seinen Platz im Architekten-Olymp gesichert (den Weg hinauf hatte er allerdings schon hinter sich), und O’Gehrys Hauptwerk brachte immerhin den Begriff »Bilbao-Effekt« mit sich, der Architektur zum Touristenziel werden lässt. Rund 25 Projekte für Guggenheim-Museen kann der Besucher ausmachen. Unter den Architekten liest man - neben Wright und Gehry – die Namen von Zaha Hadid, Hans Hollein, Arata Isozaki, REM Koolhaas und Jean Nouvel. Doch kommt der Betrachter dieser Modelle und Entwürfe auch zu der Erkenntnisse, dass dem Willen äußere Grenzen gesetzt sind: Unter vielen der Projekte steht lakonisch »nicht weiter verfolgt«.

 

Der schwergewichtige Katalog schreitet die großformatige Parade der gezeigten Prachtstücke eines Jahrhunderts mit sachkundigen Informationen ab, setzt in rascher Folge die Meilensteine der Moderne – von der europäischen und amerikanischen »Ismen«, die Minimal und Pop Art bis hin zur Gegenwartskunst, und folgt schließlich der spannenden Sammlungsgeschichte in einer umfangreichen Chronologie. Und wo der große Band über die Exponate hinaus eher nebenbei ein Bild von den Guggenheim-Museen entwirft, entfaltet der schmale Katalog zu den vielen Häusern samt den im Entwurf verbliebenen Museumsphantasien die ganze Bandbreite zeitgenössischen Bauens, von Wright bis Gehry.

 

 

 

Öffnungszeiten

So–Do 9–19 Uhr, Fr/Sa 9–22 Uhr

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