Ausstellungsbesprechungen

The Kaleidoscopic Eye: Thyssen-Bornemiszia Art Contemporary Collection. Mori Art Museum, Roppongi Hills Mori Tower, Tokyo. 4. April – 5. Juli 2009

Bei einem Besuch in Tokyo kommt man an dem imposanten Roppongi Hills Mori Tower einfach nicht vorbei. Der stylische 238m hohe Wolkenkratzer ist nicht nur für uns Europäer beeindruckend und ein Muss für jeden Tokyobesucher, sondern er ist auch ein beliebtes Ausflugsziel der modernen Tokyoter. - Unsere Autorin Anett Göthe war dort!

Es ist ein grauer, kühler Tag in Tokyo – Wolken und Nebel hängen über der Stadt. Trotzdem möchte ich mir den einmaligen und vielgerühmten Blick über die Wahnsinnsmetropole Tokyo nicht entgehen lassen. Mit dem Lift geht es in rasanter Geschwindigkeit in die Höhe – so schnell, dass der Druck auf die Ohren fast schon unangenehm wird. Wir rasen durch die 54 Etagen des Towers, der u.a. Kinos, Restaurants, Cafes, Läden und Niederlassungen von Goldman Sachs, TV Asahi, Konami, Yahoo! Japan, das Hotel Grand Hyatt Tokyo und – ich halte den Atem an – das Mori Art Museum beherbergt.
In luftiger Höhe angekommen fesselt mich jedoch der Blick über Tokyo nicht lange. Wie zu erwarten war, verschwindet die Stadt in einem weißen, milchigen Nebel. Die aktuelle Ausstellung im Mori Art Museum „The Kaleidoscopic Eye“ reizt da schon mehr und ich drücke mir nicht weiter die Nase am Fenster der Aussichtsetage platt.

Nach dem Grau der dunstverhangenen Aussicht erwartet den Besucher des Mori Art Museums blendendes Licht und optisch reizvolle Imagination. Extremer könnte der Kontrast nicht sein. Magisch wird man durch ein imposantes Atrium in die Schau aus Licht, Farbe und Klang gesogen.
Die erste Arbeit der Ausstellung ist eine Installation von Carsten Höller, die den Besucher durch Röhren von insgesamt 960 Glühlampen führt. Durch aufgestellte Spiegel wird die Illusion eines Labyrinthes erzeugt, was im ersten Augenblick irritierend doch niemals beängstigend wirkt. Das helle Licht beginnt eine euphorisierende Wirkung zu entfalten.
Man lässt sich gerne durch die Ausstellung führen und täuschen – von Raum zu Raum, von Illusion zu Illusion. Vorbei an einer optischen Installation mit farbigem Licht von Olafur Eliasson, der spätestens seit seiner Sonnen-Installation „The Weather Project“ 2003 in der Tate Modern ein Fixstern der zeitgenössichen Lichtkunst ist, und einer Sound-Installation von Florian Hecker gelangt man in den Bann der Arbeit von John M Armleder: „Global Domes XII“. In einem abgedunkelten Raum werden zwölf rotierende Discokugeln angestrahlt, die das Zeitgefühl und die Bodenhaftung des Betrachters scheinbar aus den Angeln heben. Ganz unwillkürlich fühlt man sich durch die schwirrenden Lichtpunkte in ein Schneegestöber oder, passend zu Ort und Zeit, inmitten herumwirbelnder Kirschblüten versetzt. Was für ein Traum!

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Auch ohne sich vorher mit dem Thema der Ausstellung speziell auseinandergesetzt zu haben, wird dem Besucher schnell klar, dass hier die Frage nach der Realitätswahrnehmung und Illusion erörtert wird. Es ist eine grundlegende Fragestellung unserer menschlichen Existenz und Erkenntnis, die immer wieder in Religion, Philosophie, Kunst und Wissenschaft diskutiert wird. Diese Ausstellung regt an, vom gewohnten Weg, der zur alltäglichen Routine geworden ist, hin und wieder abzuweichen, die Perspektive von Zeit zu Zeit zu wechseln und immer wieder einen neuen Blickwinkel einzunehmen.
Die in dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten erzählen von Sinnesfreuden und
-erfahrungen. Sie erzählen von der Sicht der einzelnen Künstler auf die Welt und der Suche nach der Antwort auf die Frage: „Woher wissen wir, was Wirklichkeit ist?“ Die Ausstellung befasst sich mit dem kaleidoskopischen Blick, dem Verhältnis zwischen Temporalität und materiellem Kunst-Objekt. Dabei wird die Frage nach dem Momenthaften der Dinge, ihrer Bedeutung, Funktion und Realität aufgeworfen. Das Momenthafte ist der Zustand, in dem Dinge vor unserem Auge erscheinen – es ist die augenblickliche Form. Realität ist demnach ein Serie momentaner Ereignisse, die nicht nur von der Außenwelt bestimmt werden, sondern sich auch aus einer komplexen Verknüpfung von Auge und Geist ergeben.
Das Wort „Kaleidoskop“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „schöne Formen sehen“. The Kaleidoscopic Eye fungiert als Metapher für das Konzept der Ausstellung. Die gezeigten Arbeiten verwischen die Grenzen zwischen Sichtbarem und Wahrnehmbaren und beanspruchen dabei alle Sinne. Wie bei einem Kaleidoskop wird die Sichtweise immer wieder geändert, und neue Bilder entstehen.

„The Kaleidoscopic Eye“ beinhaltet eine hervorragende Auswahl von Arbeiten bedeutender zeitgenössischer Künstler mit weltweiter Reputation, wie Janet Cardiff, Olafur Eliasson, Tracy Emin, Florian Hecker, Carsten Höller, Sarah Lucas und Carsten Nicolai. Die gezeigten Arbeiten untersuchen und hinterfragen Wahrnehmungsgewohnheiten und Repräsentationsmuster. Auf vielfältige Weise verbinden die großformatigen Installationen in der Ausstellung Licht, Spiegelung und Klang und evozieren Erinnerungen und Imagination zu einer spielerischen und interaktiven Erfahrung. Vertreten sind Arbeiten aus Video, Film, Skulptur, Malerei und vor allem Installation.
Das 2003 eröffnete Mori Art Museum in luftiger Höhe hat keine eigene Sammlung. Doch dem Engländer David Elliott, der von 2003 bis 2006 der erste ausländische Kurator eines bedeutenden Museums in Japan war, gelang es, mit spektakulären Ausstellungen zeitgenössicher Kunst Hunderttausende anzuziehen. Seit 2006 ist wieder ein Japaner Direktor des Mori Art Museums – Nanjo Fumo – der die Tradition der exzellenten Schauen in der Topetage des Roppongi Hills Mori Towers erfolgreich fortsetzt. David Elliott blieb dem Museum allerdings als Mitglied des International Advisory Commitee erhalten, das ein Netzwerk aus bedeutenden, hauptsächlich westlichen, Museumsdirektoren und -kuratoren darstellt. So finden sich in der Liste der beratenden Mitglieder Namen wie: Dr.Glenn D.Lowry, Direktor des Museum of Modern Art, New York, Prof. Dr. Peter-Klaus Schuster, Direktor der Staatlichen Museen zu Berlin und Sir Nicholas Serota, Direktor der Tate Gallery, London.
 

Auch mit der aktuellen Ausstellung „The Kaleidoscopic Eye: Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Collection“ ist Nanjo Fumo und seinem Team wieder eine herausragende Ausstellung von internationaler Bedeutung gelungen. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit zwischen dem Mori Art Museum und der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Collection konzipiert.

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