Buchrezensionen

The World of Tim Burton, Hatje Cantz Verlag 2015

Er ist der Meister des Skurrilen und Unheimlichen, ausgestattet mit diversen Filmpreisen, seine Filme seit vielen Jahren mit einer festen Fanbasis versehen – Tim Burton. Ihr Merkmal ist ein ganz bestimmtes Design, das zugleich den Künstler Tim Burton repräsentiert. Im Katalog zur Ausstellung kann man ihn näher kennenlernen. Stefanie Handke hat das getan.

An dieser Stelle muss ich ein Geständnis machen: Ich liebe Tim Burton. Ja, ich liebe diese schlaksigen Figuren aus »Nightmare before Christmas« und »Corpse Bride«, ja ich liebe Ringelsocken und skurrile Spiralmuster, diese Mischung aus kräftigen Farben und düsteren Inhalten und Beetlejuice war der Held meiner Kindheit!

Umso begeisterter war ich, als mir der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in Brühl unterkam, konnte ich mich so doch in aller Ruhe in die Kunst des Regisseurs vertiefen und die Ideen hinter meinen liebsten Helden studieren und auch jenseits von Burtons Filmkunst einige hinreißende Werke kennen lernen. Vorangestellt sind ihnen Worte von Achim Sommer, dem Direktor des Max Ernst Museums in Brühl, der Kuratorin Jenny He und des Künstlers selbst. Obendrein erzählt Tim Burton in einem Interview mit Margaret Keane davon wie ihn seine Jugend in der amerikanischen Provinz geprägt hat, seiner Faszination für Horrorfilme und skurrile Zirkusfiguren und natürlich davon, warum er Außenseiterfiguren so gern hat. Abgerundet wird das Ganze mit einer ausführlichen Biografie im Anschluss an den Bildteil des Buches.

Begibt man sich in Tim Burtons Bildwelten hinein, so trifft man auf die aus seinen Filmen bekannten schrägen Gestalten und ihre Verwandten. Da sitzt ein »Blaues Mädchen mit Wein« in einem von rotem Stoff dominierten Raum, ausgestattet mit Knopfaugen und zahlreichen Narben. Ein niedliches kleines Wesen ist »Das Letzte seiner Art« (1994) und alle Augen, symbolisiert durch einen aus einer roten Spirale kommenden Pfeil, der das kleine Wesen mit der Knubbelnase regelrecht zu erdrücken droht, richten sich natürlich darauf.

Sodann begegnen in diesem Katalog natürlich zahlreiche Entwürfe und Skizzen rund um die Filme des Regisseurs: Der Pinguin aus »Batmans Rückkehr« ist da zu entdecken ein schlaksiger, mit einer regelrechten Wespentaille versehener »Edward mit den Scherenhänden« (1990), die »Corpse Bride (um 1995-98) und natürlich auch »Beetlejuice« (1988).

Interessanter aber als diese (Vor-)Ideen für Filmfiguren und Filmdesigns sind Burtons Auseinandersetzungen mit der der für ihn charakteristischen Formgebung: In der Serie »Geschöpfe« begegnet ein Wesen mit zwei Mäulern voller spitzer Zähne, kurzen, dünnen Ärmchen und einer einem geheimnisvollen Zweck dienenden Antenne. Auch Märchen sind ein Thema für den Regisseur. Die Tuschezeichnung »Ohne Titel (Totkäppchen)« (1981) macht aus dem unschuldigen Mädchen mit dem roten Cape und dem bösen Wolf einen Geist im Stile eines Jack Skellington, der mit seinen riesigen Klauen einen verschlafenen Wolf heimsucht. Nicht nur überträgt Burton hier den ohnehin fantastischen Märchenstoff in seine surreale Bildwelt (natürlich fehlen die unvermeidlichen Kringel und Schachbrettmuster nicht), nein er dreht auch die Situation vollkommen um und der einst böse Wolf wird zum Opfer, während das einst bedrängte Rotkäppchen nun die eigentliche Bedrohung darstellt.

Die Serie »Wahre Liebe« bewegt sich oberflächlich in einem alltäglichen Milieu: Protagonist ist ein kleiner Junge, der sich auf einer Therapiecouch wiederfindet. Der Therapeut, ein regelrecht an ein Bergmassiv erinnernder alter Mann, an dessen Wänden sich Bilder von bösartigen Clowns und kinderfressenden Monstern, bedrängt den Jungen. In einer anderen Zeichnung findet sich der Junge dann festgeschnallt auf einem Bett, dessen Himmel dem Inneren einer Eisernen Jungfrau, des Folterinstruments, zu entstammen scheint. Die »Wahre Liebe« scheint sich hier in den übereifrigen Versuchen zu erschöpfen, das Kind zu therapieren – warum, erfährt der Betrachter nicht. Die Gründe kann man sich aber gut vorstellen, wenn man Tim Burtons Filmfiguren kennt: Der Junge entspricht nicht den Vorstellungen eines »normalen« Kindes, ist introvertiert, in den Bildern gar ängstlich, und passt ob seiner Andersartigkeit nicht ins Schema.

Wer die Filme von Tim Burton kennt, wird hier altbekanntes neben bisher unbekannten Themen finden, doch immer in vertrauter Form. Die surrealen Bildwelten des Amerikaners sind jederzeit als sein Werk zu erkennen. Am überraschendsten ist wohl ein Polaroid »Ohne Titel (Seepferdchen auf rosafarbenem Baum)« (um 1992-1999), allzumal man hier sonst vornehmlich gemaltes und gezeichnetes entdecken kann. Das Repertoire, so sagt auch Burton selbst, ist begrenzt. Das tut dem Vergnügen beim Betrachten seiner Kunst aber keinen Abbruch – ausdrücklich ist das Buch aber eine Empfehlung für Fans und alle, die surreale Bildwelten lieben.

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