Meldungen zum Kunstgeschehen

Trendy – Das Ausstellungsprogramm der Kunsthalle Erfurt 2011

Nachdem die Wirtschaftskrise im letzten Jahr das Budget für das Ausstellungsprogramm in der Kunsthalle Erfurt dezimiert hatte, weswegen eine Ausstellung sogar ganz gestrichen werden musste, schaut die Kunsthalle dieses Jahr optimistisch auf die Ausstellungsplanung. Rowena Fuß hat sich auf der Jahrespressekonferenz in Erfurt ein Bild von der Lage gemacht.

Wie heißt es doch so schön: Man soll aus der Not eine Tugend machen! Genau das hat man sich in der Erfurter Kunsthalle zu Herzen genommen und mit einem weiterhin dezimierten Budget die Ausstellungen für 2011 geplant. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem zurzeit bei vielen Ausstellungshäusern beliebten Thema Fotografie. In der Kunsthalle hat der Direktor Kai Uwe Schierz sein Augenmerk zudem auf Südkorea gerichtet

So sind ab der zweiten Jahreshälfte die Ausstellungen »Kyungwoo Chun - Thousands«, »Min Oh – Wie die Dinge eigentlich sprechen. Und singen.« und »Sparkling Silence. Junge Fotokunst aus Korea« zu sehen.

Das Werk des koreanischen Künstlers Kyungwoo Chun kreist um Begriffe wie Repräsentation, Zeit, Bewegung und Interaktion; es umfasst extrem lang belichtete Porträts mit charakteristischen Bewegungsunschärfen, partizipatorische Performances und Videos. Seit 1995 lebt und arbeitet er nicht nur in Seoul, sondern auch in Bremen. Hier wurde ihm auch die Beschäftigung mit der eigenen Identität und Herkunft zum Thema, das er als Fotoprojekt mit 1.000 Mitwirkenden realisierte.

Grenzüberschreitende Geschichten von alltäglichen Dingen und deren Bedeutung erzählt Min Oh in ihren Videos und Performances. Diese sind jedoch nie eindeutig, sondern aufgeladen durch die Spannung zwischen widersprüchlichen Charakteristika. Min Oh‘s Arbeiten beziehen den Besucher-Betrachter in das Geschehen mit ein. Ihre für die Eröffnung der Erfurter Ausstellung geplante visuelle Performance „A Dialogue“ wird das auf besondere Weise deutlich machen.

Mit der Ausstellung »Sparkling Silence« präsentiert Walter Bergmoser, der seit Jahren deutsche Fotografie in Korea lehrt und letztes Jahr mit einer Ausstellung in der Kunsthalle vertreten war, eine Werkauswahl von Studierenden des Fachbereichs Fine Art Photography der Chung-ang Universität Seoul. Die vorgestellten Positionen stehen stellvertretend für die junge Generation von Fotokünstlern Koreas, die ihre Bildvorstellungen im Spannungsfeld zwischen modernster Medientechnik und konfuzianischen Familientraditionen, dem hektischem Alltag einer Millionenmetropole und der Sehnsucht nach spiritueller Besinnung, zwischen märchenhafter Opulenz von Farben, Oberflächen und Emotionen und der nüchternen Bestandsaufnahme gegebener, jedoch genau beobachteter Situationen entwickeln.

»Sparkling Silence« kann somit als Fortsetzung zur Schau »Frank Darius: Willkommen im Garten«, die vom 30.01. - 13. 03. 2011 in der Kunsthalle präsentiert wird, gesehen werden. Vordergründig offerieren uns die Bilder von Frank Darius Blicke in die Natur oder auf unspektakuläre Situationen, wie sie uns im Alltag begegnen: scheinbar flüchtige Beobachtungen, festgehalten mit der Kamera; nichts Gestelltes, keine Retuschen. Doch sind diese Blicke selbst das Besondere. Darius thematisiert mit fotografischen Mitteln die Übergänge zwischen Welten –Natürlichem und Kultiviertem, zwischen Wahrnehmung und Vorstellung, dem paradiesischen, ursprünglichen Garten und den Orten unserer Vertreibung jenseits dieses mythischen Ideals.

Ungewöhnliche Blickwinkel, so flächig wie detailreich, auf Außenräume und Interieurs kennzeichnen auch die seit 2002 entwickelte Werkgruppe „Supervisions“ des Düsseldorfer Fotografen Andreas Gefeller. Seine Arbeiten sind parallel zu Frank Darius zu sehen.

Dem Schwerpunkt an den neuen künstlerischen Methoden Fotografie, Video und Performance stellt man in Erfurt „alte“ Techniken wie den Farbholzschnitt in der Ausstellung »Uta Zaumseil & Peter Mell: Mangelnde Gewinnerzielungsabsicht« (20. 03. – 25. 04. 2011) gegenüber. Uta Zaumseil verkörpert die heute wieder hochaktuelle Suche nach zeitgemäßen künstlerischen Ausdrucksformen für alte Techniken wie den Farbholzschnitt. Das zeigt sich nicht nur in den außergewöhnlich großen Formaten und der Arbeit mit Unikaten, sondern auch in der Verschmelzung fotografischer Momentaufnahmen mit dem langwierigen Entstehungsprozess des Farbholzschnitts.

Ihre gedankliche Fortsetzung findet diese Ausstellung in der Schau von »Hans Scheuerecker: Verloren im Paradies« (04. 12. 11 – 22. 01. 12). Der Cottbuser Maler, Grafiker, Aktionskünstler und Plastiker zählte in den 1980er Jahren, sowohl mit seinem expressiven Schwarz-Weiß-Stil als auch mit der sich daraus entwickelnden Aktionsmalerei, zu den prägnanten Erscheinungen der ‚anderen‘ Kunstszene in der DDR. Aus seiner überbordenden neoexpressiven Figurenwelt entwickelt Hans Scheuerecker seit Mitte der 1990er Jahre neue Formen des teilweise wandumspannenden Tafelbildes.

Ganz verschiedenen Medien wendet sich der in Leipzig lebende Künstler Sebastian Gögel zu. Der Zeichner, Tätowierer, Maler und Bildhauer stellt in seinen Werken existenzielle Fragen, Ängste, Bedürfnisse und Zustände dar. Als Spiegel der gegenwärtigen Gesellschaft erzählen die ausgewählten Werke große und kleine Geschichte/n. Gögels gegenständliche, farbintensive und mitunter großformatige Malereien sind somit ein ‚gefundenes Fressen‘ gleichermaßen für Kunsthistoriker sowie Liebhaber oder Fans einer bestimmten aktuellen Strömung innerhalb der deutschen Gegenwartskunst. Die Erfurter Ausstellung »Pharao’s Horse« bringt den gebürtigen Thüringer vom 24. 03. - 25. 04. 2011 nun in einer Überblicksschau in seine „alte Heimat“ zurück.

Wer nun meint, dass diese Ausstellungen bereits das Budget der Kunsthalle sprengen müssten, soll beruhigt sein. Über Engpässe im Ausstellungsbudget hilft die separat finanzierte Sonderschau »ROM sehen und sterben ...« (08. 05. – 17. 07. 2011) hinweg. Die kulturhistorisch zentrierte Schau zeigt Rom als Ort der positiven wie negativen Projektion all jener, die von außen, als Reisende, auf sie sahen und sehen, von den Zeiten der Romreise Luthers bis in die Gegenwart.

Zur finanziellen Entspannung in der Geldbörse der Kunsthalle trägt auch »Nude Visions - 150 Jahre Körperbilder in der Fotografie« (11. 09. – 27. 11. 2011) bei. Nach ihrer Erstpräsentation in München ging die Schau auf Wanderschaft und erreicht nach Stationen in Hamburg, Leipzig, Würzburg und Wien im Herbst 2011 Erfurt. Die Ausstellung beschäftigt sich mit der historischen, ästhetischen und weltanschaulichen Entwicklung von Körperbildern in der Fotografie. In sieben Kapiteln widmet sich die Schau der Bedeutung und der Funktion des unverhüllten menschlichen Körpers in der Fotografie und erzählt die Geschichte des Mediums: „Akademien und Exotik des 19. Jahrhunderts“, „Kunstfotografie um 1900 (Piktoralismus)“, „Avantgarden der 20er und 30er Jahre“, „Künstlerische Positionen nach 1945“, „Freikörperkultur“, „Der männliche Akt“ und „Der Glamourakt“.

Das Ende des Ausstellungsjahres 2011 bilden die Metall-Plastiken von Thomas Lindner. Lindner nutzt geometrische Verfahren zur Konstruktion von Bildwelten. Bei seinen Mobiles geht es um die Visualisierung von Balancen, die sich einstellen, wenn bestimmte Kräfte aufeinander treffen. Dazu muss die Gewichtung verschiedener Elemente und die Art ihrer Montage in besonderer Weise bedacht werden – hier liegen die für ihn entscheidenden kreativen Potentiale. Auch in der Verknüpfung des freien Entwerfens mit angewandten Aufgaben – von der baubezogenen Plastik bis zum liturgischen Gebrauchsgegenstand – folgt Lindner dem Anspruch des Klassischen Konstruktivismus, Gestaltungsaufgaben im gesamten Lebensumfeld des Menschen zu übernehmen.

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