Buchrezensionen

Ullrich, Wolfgang: Gesucht: Kunst! Phantombild eines Jokers, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2007.

Wenn Wolfgang Ullrich sich unauffällig an den Begriff der Kunst, so wie er seit dem 19. Jahrhundert brav eingeübt worden ist und spätestens seit der Moderne als selbstverständlich gilt, heranpirscht, dann bleibt kein Stein des Kunstverständnisses auf dem anderen.

Hier wird fleißig an der Autonomie der Kunst gerüttelt, wo andere es nicht wagen würden zu denken, dass die Kunst von einer Vielzahl von Un-Freiheiten unterlaufen wird. Ullrich führt vor allem die begriffliche Schwierigkeit »der Autonomie der Kunst« ins Treffen, die zu einem »Willen zur Kompromisslosigkeit und zur großen Geste« verkommt. Die Ablehnung einer Anpassung an Publikumsgeschmack, ökonomische Bedingungen und die Möglichkeiten einer nachträglichen Instrumentalisierung führen zu einer eigenen »Autonomie-Ästhetik«, die Paradoxie, Vieldeutigkeit, Rätselhaftigkeit und Andersartigkeit von der Kunst erwartet. Die Autonomieproblematik spiegelt sich vor allem auch an den Kunstakademien wieder, da Freiheit und Unabhängigkeit per se schwer in einen Studienplan zu zwängen sind. So polemisiert Ullrich: »Eine Akademie ist vielmehr Vakuum – ein Raum, in dem die Freiheit lebensbedrohliche Ausmaße angenommen hat […]«.

Mit der einmal kritisierten Autonomie der Kunst, leitet Ullrich den Leser zur eigentlichen Unbeschreibbarkeit der Kunst weiter. Kunst existiert – und hier wird eine Parallele zur Religion aufgezeigt – vorwiegend »via negationis«. Bei Ad Reinhardt heißt es im Manifest der »Kunst-als-Kunst« (1962) etwa: »Der einzige […] Weg, zu sagen was […] Kunst-als-Kunst ist, liegt darin, zu sagen, was sie nicht ist.« Kunst wird demnach oft mit »Un-Worten« beschrieben, sowie: unendlich, unerschöpflich, unaussprechlich, unausdeutbar, unbezahlbar, unerschöpflich, unglaublich, unbestimmbar; Die Untugenden der Kunst, so Ullrich, werden gerade im Kunsthandel augenscheinlich, da es hier ja gilt das Unbeschreibbare einem ökonomischen Maßstab gegenüber zu stellen.

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Auch die Frage der künstlerischen Qualität findet bei Ullrich Eingang. Hier konstatiert der Autor, dass sich Künstler zunehmend anmaßen, Experten in den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern zu sein. Da es immer wieder darum geht, für etwas überraschend Neues in der Kunst zu sorgen, werden von den Künstlern Tätigkeiten ausgeführt, die mit ihrer eigentlichen Profession nur lose in Verbindung stehen. Künstler übernehmen Rollen von Unternehmern, Wissenschaftlern, Kuratoren, Ethnologen und versuchen mimetisch zu agieren, ohne aber über dieselben Kompetenzen zu verfügen, wie die entsprechenden Profis. Ullrich sieht in der Geste des Dementis, also in einem Propagieren des Ursprungs und Neufangs, auch einen Verzicht auf Professionalität.

Der Mangel an gültigen Qualitätskriterien führt zu einer Verunsicherung des Publikums. Wobei sich Laien und Experten eigentlich nur an der gestellten bzw. vermiedenen Frage: »Und das soll Kunst sein?« scheiden. Wobei der Kunstrezipient bei Ullrich »immer ein bisschen dumm« dasteht. Er übt sich in andächtiger Betrachtung oder aber vermag mit der geboten Freiheit und der Möglichkeit einer Partizipation mittlerweile nichts mehr anzufangen.

Und natürlich schildert Ullrich auch den Beitrag, den die Künstler – aber auch die Sammler selbst – zum skizzierten Phantombild der Kunst leisten. Insgesamt ein gelungenes Werk, das mit Witz nicht spart und sich leicht zwischendurch liest, dem Leser aber trotzdem nicht den notwendigen Tiefgang erspart, um Einsichten über das heutige Kunstverständnis zu erlangen.

 

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