Buchrezensionen

Unterberger, Siegfried; Billeter, Felix; Strimmer, Ute (Hrsg.): Die Scholle. Eine Künstlergruppe zwischen Secession und Blauer Reiter, Prestel Verlag, München 2007.

Anfang des 20. Jahrhunderts hatten Künstlervereinigungen Hochkonjunktur. Doch noch vor der Gründung der Künstlervereinigungen »Brücke« (1905) und »Blauer Reiter« (1911) schloss sich in München die Gruppe »Die Scholle« als progressive Ausstellungsgemeinschaft im Jahr 1899 zusammen.

Erstmals wird diese lose verbundene Vereinigung – mit Leo Putz als prominestestem Vertreter – ausführlich in der von Siegfried Unterberger, Felix Billeter und Ute Strimmer herausgegeben Publikation »Die Scholle. Eine Künstlergruppe zwischen Secession und Blauer Reiter« umfassend gewürdigt. Der opulente Bildband - über 300 Seiten und über 280 Abbildungen - beinhaltet zahlreiche Kapitel von knapp zwanzig Experten, darunter der bekannte Münchner Professor Christian Lenz, die Leo-Putz-Expertin Ruth Stein und die Londoner Kunstberaterin Sabina Fliri. »Die Zeit von 1899 bis 1911 erfährt mit der Neuerscheinung über die Künstlergruppe »Die Scholle« eine Neubewertung als großartige Münchner Kunstepoche«, formuliert Hartfrid Neunzert, Leiter der städtischen Museen Landsberg am Lech. Denn bislang ist »die »Scholle« in der bayerischen Kunstgeschichte in ihrer Bedeutung noch nicht erkannt worden«, so Wolfgang Baumann, Kunsthändler aus Regensburg.

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Unter Zeitgenossen war die Kunst der »Scholle« gleichbedeutend mit temperamentvoller Malerei in leuchtenden Farben und im großen Format, ganz abseits der Akademie. »Für den heutigen Betrachter liegt in den Arbeiten der »Scholle« ein bemerkenswerter Schritt in das 20. Jahrhundert mit ihrer Stimmungshaftigkeit, ihrer Tendenz zu flächiger Verschränkung von Figur und Raum und der Verselbständigung der Farbe«, so Veronika Schroeder in ihrem Beitrag »Die Scholle im Spiegel der Jugend«. Die viel beachteten Ausstellungen der »Scholle« in Wien, Berlin, Leipzig, Dresden, Düsseldorf und Paris galten als der »eigentliche Tummelplatz der neuen Talente«. Aufmerksamkeit erregten die Maler zunächst als Illustratoren der Münchner Wochenschrift »Jugend«. 

Nachdem sich die meisten Mitglieder im Kunstbetrieb etabliert hatten, löste sich die »Scholle« im Januar 1911 auf. Zu den Mitgliedern zählten Gustav Bechler, Reinhold Max Eichler, Fritz und Erich Erler, Max Feldbauer, Walter Georgi, Adolf Höfer, Adolf Münzer, Walter Püttner, Leo Putz, Franz Wilhelm Voigt und Robert Weise. Die Parole der jungen, erfolgsorientierten Gruppe war das individuelle Prinzip, wie die Gruppe selbst in der »Jugend« von 1903 festschrieb: »Jeder bebaue seine eigene Scholle, die freilich auf keiner Landkarte zu finden ist«. 

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Die Rekonstruktion der ganzen Künstlergruppe war mehr als eine große Fleißarbeit. Wie alle Artikel zeigen, waren die Autoren neben Archivrecherchen vielfach auf zeitgenössische Beiträge in Kunstzeitschriften angewiesen. Im Gegensatz zu Leo Putz, dem prominentesten Vertreter der »Scholle«, war das Wirken der übrigen elf Künstler bislang weitgehend unbekannt oder nur vereinzelt bearbeitet. Aber sogar die einzelnen Wohn- und Atelieradressen der Künstler in München und Umgebung konnten in Erfahrung gebracht werden. Einige Scholle-Maler wählten als Zweitwohnsitz das beschauliche Holzhausen am Ammersee.

 

Alles in allem ist der Band ein sehr gelungenes Werk, das auch durch sein großzügiges, modernes Layout und die hervorragende Qualität der Abbildungen besticht. Das Buchkonzept entwarfen Ute Strimmer, leitende Redakteurin bei der Münchner Zeitschrift Weltkunst (Zeitverlag), und Felix Billeter, der zuletzt am Max-Beckmann-Katalog der Pinakothek der Moderne mitarbeitete. Siegfried Unterberger sammelt seit über dreißig Jahren Münchner und Tiroler Kunst des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts und fördert Forschungsprojekte. Die Herausgeber haben damit ein Standardwerk geschaffen, dem sicher weitere Publikationen zu diesem Forschungsfeld folgen werden.

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