Buchrezensionen, Rezensionen

Uta Degner/Norbert Christian Wolf (Hg.): Der neue Wettstreit der Künste. Legitimation und Dominanz im Zeichen der Intermedialität, transcript Verlag 2010

Mit der Zunahme intermedialer Tendenzen in den Künsten entsteht der Eindruck, der alte "Wettstreit der Künste" sei durch ein neues Miteinander abgelöst worden. Demgegenüber lässt sich Intermedialität jedoch ebenso als Wettstreit verstehen - um Legitimität. Anne Schäfer-Junker hat dieses Konkurrenzverhalten und den Begriff der Intermedialität untersucht.

In diesem Buch sind 13 Beiträge mit hoch diskursiven Gedanken zur Medientheorie und Intermedialität veröffentlicht. Dokumentierte Workshops bergen allerdings erhebliche philosophische und semantische Hürden, wenn man sie nicht als solche liest, was sie sind: Schlaglichter, Momentaufnahmen, aber in Teilen auch sprachlich faszinierende Beschreibungen von Intermedialität. Das gilt besonders für kultur- und medientheoretische Betrachtungen, die meist schlüssig erst dann benannt sind, wenn sie sich dem schnellen Wahrnehmen durch schnelles Entziehen als wichtig erwiesen haben. D. h., wenn sie in der Wahrnahme ihrer Internmedialität konstant Flüchtigkeit verkörpern.

Der recht weltliche Titel dieses Buches ist sicher seiner Vermarktung geschuldet. Es geht weder um die Darstellung der Künste noch um echten künstlerischen Wettstreit zwischen ihnen. Die Texte sind Fachtexte für Medien- und Kulturtheoretiker, denen sich aufgrund der Breite in der Wissenschaftsthematik das endlose Meer der ungelenkten Betrachtungsmöglichkeiten eröffnet. Der klare Verweis auf die Tatsache, dass Intermedialität eines der dominierenden Phänomene in der Kunst des 20. Jahrhunderts darstellt, ist noch kein Beweis im wissenschaftlichen Sinne, der wohl auch nur schwer zu erbringen sein wird. Gelegentlich spülen Seminare oder Workshops Strandgut an Land, das es zu bewahren gilt. Weshalb der Untertitel »Legitimation und Dominanz im Zeichen der Intermedialität« zwar auch stakkatoartige Schlaglichter wirft, aber immerhin einen Pfad zum "Was ist, Was soll dieses Buch" weist. Dass ein Sonderforschungsbereich »Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste« existiert, der mit Mitteln des DFG finanziert wird, macht die Sache nicht einfacher, aber zeigt auf die Entstehungsumstände.

Das Buch erweckt vielleicht beim literarisch interessierten Leser den Eindruck, als ob auf der vom künstlerischen Schaffensprozess abgewandten Seite Dispute aufgebaut werden, die eine wissenschaftlich-kritische Theorie unterbieten, da oft wichtige Bezüge zu Traditionen und Schaffensmerkmalen fehlen. Und an einigen Stellen entsteht die Frage: Findet nicht bereits die Entgrenzung von den spezifischen Merkmalen von Autorenschaften durch Verwendung der Begriffe „Beiträger“ anstelle des Begriffs „Autoren“ statt, indem sich der Disput damit der Verantwortung des Disputierenden entzieht? Entsteht dann trotzdem ein autorisiertes Werk? Sind die Textverfasser dann trotzdem Autoren? Oder legt der in allen Workshop-Beiträgen zentral als Begriff und Erscheinung gefasste Gedanke der Intermedialität ein neues Fundament für die virtuale Unansichtigkeit des Urhebers, des Autors?

Allein das Lesen des Inhaltsverzeichnisses lässt erahnen, dass die Medientheorie zuerst sich selbst als entgrenzt versteht. Entgrenzt von den Regeln der Ästhetik und der Ikonografie, der Bildidee, wie sie im traditionellen Kunst-Schöpfungsprozess unstrittig ist? Die Transformationsebenen werden in den einzelnen Beiträgen unterschiedlich gesetzt. So gerät das Buch auch nicht zum Puzzle, das mit jedem weiteren Steinchen das Bild vervollkommnet, sondern es gefällt sich in der Aneinanderreihung von Falluntersuchungen und Einzelaspekten thematischer Bezüge, die allerdings im Wesentlichen Eines gemeinsam haben: einen fiktiv benutzten ahistorischen Begriff von Kunst zu dementieren und so gut wie keine Entgegnung oder Musterungen zuzulassen. Ja, jede Verantwortung für ein irgendwie geartetes Resümee von vornherein abzulehnen. Jeder Beitrag dieses Workshop-Heftes ist so gesehen sein eigenes Sammelsurium an Deutungen von Intermedialität. Möglicherweise einzige Ausnahme: Jan Röhnert/Weimar/Sofia »Die Transformation der Massenmedien im Gedicht«, als reflektierender und logisch konsequenter Beitrag, der die Axiome des Gedichtes als sprachliche Leistung setzt und Intermedialität als das definiert, was sie ist: das Zusammenwirken von verschiedenen Medien in sich und durch sich. Der Beitrag Burkhardt Wolfs »Welt-Räume der Mediendominanz – Kubricks und Clarkes 2001 als rekursive Odysee« sei hier noch herausgehoben, bezogen auf zahlreiche mediale filmische Beispiele zwischen realer Technik-Geschichte und Filmschöpfung als mediale Interferrenz.

Dass Intermedialität ein Begriff ist, der von vielen Medienwissenschaftlern unterschiedlich definiert wird, ist bekannt. Eine Definitionsmöglichkeit nach Irina O. Rajewski, Literaturwissenschaftlerin an der FU Berlin, besteht darin, Intermedialität als »Mediengrenzen überschreitende Phänomene« zu beschreiben, »die mindestens zwei konventionell als distinkt wahrgenommene Medien involvieren«. Im Mittelpunkt steht dabei die Beziehung zwischen Medien. Die Art der Medienformen ist sehr mannigfaltig, weshalb der Begriff Intermedialität sich potentiell auf jedes Medium beziehen kann.

Mehrheitlich jedoch scheint mir die einmalige Leistung dieses Buches in folgendem zu bestehen: Es führt uns die Unerreichbarkeit einfacher Gedanken- und Sprachleistungen zu intermedialen Formen neuer Medien mit nur einer schöpferischen Idee vor Augen. Ein Zwitschern und Quasseln in ungeordneten Räumen ist ein intermediales Produkt. Sprache als Vermittler wirkt da fast wie ein lineares Gerichtet-Sein.

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