Meldungen zum Kunstgeschehen

Verschwundene Kunstwerke im Pariser Wildenstein-Institut entdeckt

Bei einer Durchsuchung des Wildenstein-Instituts in Paris Anfang Februar diesen Jahres beschlagnahmte die Polizei rund dreißig gestohlene oder als vermisst gemeldete Kunstwerke. Medienberichten zufolge hatte die Witwe des vor zehn Jahren gestorbenen Kunstsammlers Daniel Wildenstein seine Söhne, insbesonders den französischen Kunsthändler Guy Wildenstein, bereits mehrfach der Hehlerei bezichtigt und angezeigt.

Seit dem Tod von Daniel Wildenstein besteht zwischen der Witwe Sylvia Roth-Wildenstein und den Söhnen aus erster Ehe, Alec und Guy Wildenstein, ein langjähriger Erbstreit um das Vermögen. Die Söhne Alec und Guy hatten 2001 große Bestände des Gemäldeinventars auf die Cayman-Islands verlagert, um ihrer Stiefmutter Sylvia Roth-Wildenstein einer geringere Summe auszahlen zu müssen. Den Vorwurf der somit begangenen Steuerhinterziehung, der 2009 von der Anwältin der Klägerin an das französische Finanzministerium ging, wurde nicht weiter verfolgt.

Verschiedenen Presseberichten zufolge sollen sich in europäischen und amerikanischen Banktresoren der Familie Wildenstein zahlreiche Gemälde von Künstlern wie Pierre-Auguste Renoir, Gustave Courbet, Vincent van Gogh, Paul Cézanne, Paul Gauguin, Édouard Manet, Claude Monet, Sandro Botticelli, Rembrandt van Rijn, Peter Paul Rubens, El Greco, Jacopo Tintoretto Jean-Honoré Fragonard, Antoine Watteau und Pablo Picasso befinden. Der Wert der Sammlung wird auf bis zu zehn Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Bilder sind teilweise seit Jahrzehnten der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die Familie Wildenstein steht zudem in der Kritik, über Mittelsmänner Geschäfte mit den Nationalsozialisten getätigt und während des Zweiten Weltkriegs Kunstwerke mit zweifelhafter Provenienz erworben zu haben.

Der Historiker Hector Feliciano schrieb 1998 in seinem Buch „Das verlorene Museum“ von einer Verbindung von Georges Wildenstein und Hitlers „Chef-Einkäufer“ für Kunstobjekte, Karl Haberstock. Über einen französischen Mittelsmann soll der Sohn des Firmengründers Nathan Wildenstein aus dem amerikanischen Exil Geschäfte mit den Nazis gemacht haben, die von erheblichem Umfang gewesen sind. Eine Klage gegen den Autor durch die damaligen Geschäftsinhaber der Galerien Wildenstein & Company, Daniel, Alec und Guy Wildenstein (Sohn und Enkel von Georges) wurde abgewiesen, da offizielle Dokumente als unwiderlegbare Beweise für eben diese Geschäftsaktivitäten vorgelegt wurden.

Seit wenigen Tagen sieht sich der jetzige Vorstand, Guy Wildenstein, nun erneut mit Vorwürfen zu dubiosen Geschäftsmethoden konfrontiert: In einem Tresor des Wildenstein-Instituts in Paris, einer kunstwissenschaftlichen Institution, die eigentlich unabhängig von den Wildenstein-Galerien sein soll, wurden 30 Gemälde von der französischen Kunstpolizei OCBC sichergestellt, die schon lange als verschollen oder gestohlen galten.

Ein Landschaftsbild stammt aus dem Nachlass der Kunstsammlerin Anne-Marie Rouart. Die Großnichte des bekannten Malers Edouard Manet hatte 1993 verfügt, dass ein Teil ihres Erbes ihrem Neffen Yves zukommen und der größte Teil ihrer Sammlung an die Académie des Beaux-Arts gehen sollte, das diese Sammlung als Dauerleihgabe an das Musée Marmottan in Paris geben sollte. Als Testamentsvollstrecker wurden Guy Wildenstein und François Daulte von Rouart eingesetzt. 29 Gemälde fanden damals jedoch nicht den Weg ins Museum und galten als verschollen.

Nach dem Tod von Daulte 1998 fanden seine Erben in einem Tresor in der Schweiz 17 der verloren gegangenen Werke; man einigte sich mit den rechtmäßigen Erben dann außergerichtlich. Eines, der noch fehlenden Werke, das Gemälde "Kate in der Normandie" von Berthe Morisot, wurde jetzt im Tresor des Wildenstein-Instituts gefunden. Daneben wurden Werke aus der Sammlung Joseph Reinachs gefunden, die sich die Nazis im Zweiten Weltkrieg angeeignet hatten. 1972 wurden die Reste der Sammlung geschätzt und unter den damaligen Erben verteilt. Als Verwalter und für die Schätzung sowie Aufteilung der Werke im Nachlassprozess fungierte dabei u.a. Daniel Wildenstein.

Die Nachforschungen, die die Witwe Sylvia Roth-Wildenstein zwecks ihrer Erbansprüche anstellen ließ, machten diese spektakulären Funde erst möglich. Obwohl sie im November 2010 verstorben ist, gehen die Untersuchungen weiter. Ihre Anwälte wurden auch für den Fall ihres Ablebens damit beauftragt, ihre Nachforschungen so lange weiter zu betreiben, bis auch das französische Finanzministerium eigene Schritte einleitet.

Die sich immer wiederholenden Vorwürfe gegen die Wildensteins, die sich bisher entweder bestätigten oder doch zumindest nicht widerlegt werden konnten, geben Anlass zu der Hoffnung, dass auch von offizieller Seite Untersuchungen beginnen werden, die weit über die internen Erbstreitigkeiten der Familie hinaus gehen. Ob die bisherigen Entdeckungen den auf dubiose Weise erworbenen Besitz der Familie restlos darstellen oder nur die Spitze des Eisberges sind, muss im Interesse der internationalen Kunstszene als auch der potentiellen um ihr Erbe gebrachten Menschen aufgeklärt werden. In jedem Fall ist der Name Wildenstein nachhaltig geschädigt.

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