Reisen nach Italien gehörten bis in das 19. Jahrhundert hinein zu den Pflichtübungen angehender Künstler. Die Ausstellung führt den Besucher chronologisch durch die Geschichte der italienischen Künstlerreise von 1770 bis 1880. Der Schwerpunkt liegt bei der Landschaftsmalerei, die in den unterschiedlichsten Variationen vorgestellt wird. Günter Baumann hat sich für Sie alles angesehen.
Das waren Zeiten: Einst zogen Heerscharen von Künstlern aus Deutschland gen Süden, dahin, wo die Zitronen blühten. Dies war nicht nur als Kür dem schönen Wetter geschuldet (das bis heute die Menschen ans Mittelmeer lockt), sondern Pflicht, feste Programmetappe für die Ausbildung zum Künstler. Ohne Italien lief da nichts – von Dürer bis Feuerbach war das Ziel nahezu konkurrenzlos. Die Ausstellung in Karlsruhe hat sich die Zeit zwischen 1770 und 1880 herausgepickt, um sich der Italienreise der Künstler zu widmen. Die Zeitspanne bot sich sicher aufgrund des Sammlungsbestandes in der Kunsthalle an, deren Fundus überraschend viele einschlägige Motive aufweist. In Zeiten schmaler Budgets ist der Griff in die Bestände ein Gebot der Stunde – die Stuttgarter Staatsgalerie weiß ein nicht immer klangvolles Lied davon zu singen. Und wenn dort eben erst eine sehr beachtliche Ausstellung mit Arbeiten aus der grafischen Sammlung zu Ende ging, so dürfte doch die Karlsruher Schau ein Glücksfalle in der Not sein: Mit rund 150 Werken, insbesondere Skizzen und Studien, Zeichnungen, auch mit Gemälde und Plastiken holt die Kunsthalle ihre Italienbilder ans Licht, sofern sie nicht zum Vorzeige-Inventar gehören. Denn die Namen lassen sich auf internationalem Parkett sehen und lassen manch anderes Haus vor Neid erblassen: Rudolf von Alt, Carl Blechen, Arnold Böcklin, Heinrich Bürkel, Camille Corot, Anselm Feuerbach, Jean-Honoré Fragonard, Carl Ludwig Frommel, Jakob Philipp Hackert, Alexander Kanoldt, Joseph Anton Koch, Claude Lorrain, Johann Friedrich Overbeck, Hubert Robert, Carl Rottmann, Julius Schnorr von Carolsfeld, Hans Thoma, Bertel Thorvaldsen, Anton Alexander von Werner und manch andere, die auch im zweiten Glied ein gutes Bild abgeben.
Im Grunde gibt es zwei Schwerpunkte in der Ausstellung zu beobachten: einmal die französischen Künstler, die als Stipendiaten der Académie Française mit staatlicher Förderung Italien erkundeten, zum anderen die vielen deutschen Künstler, die als Individualisten in den Süden reisten, nicht ohne sich schon auf dem Weg in der Gruppe oder vor Ort in Kreisen und Bünden zu organisieren. Selbst Querverbindungen unter den Kunstschaffenden beider Nationen wurden in Rom geknüpft. In der Interessenlage trafen sie sich freilich schnell – wichtig war ihnen das Landschaftliche, das sich innerhalb der Metropolen einmal im kultivierten Park, einmal im Grotten- und Ruinenidyll zeigte, und darüber hinaus in der unverbauten Natur genügend Motive bot: vom Gebirgsmassiv über Wasserfälle bis hin zur Uferregion. Neben der stilbildenden Ruinenromantik eines Hubert Robert schuf vor allem Carl Blechen hinreißende Naturschauspiele, die auf deutschem Boden so nie hätten entstehen können. So wurde nicht ohne Grund ein Motiv von ihm für das Katalog-Cover ausgewählt.
Ein weiteres Thema ist die Kunstgeschichte, die den zugereisten Künstlern sozusagen vor den Füßen lag: Die Deutschen rezipierten die italienische Frührenaissance, imitierten Raffael und entdeckten bzw. illustrierten die große italienische Literatur, etwa von Ariost. Nicht zu unterschätzen ist auch die Beschäftigung mit der Architektur, ein Thema, das gerade in Karlsruhe naheliegt: Die Innenstadt mit ihren Weinbrenner- und Hübsch-Bauten gibt ein lebendiges Zeugnis der Italien-Rezeption ab. Hier bietet die Schau umfangreiches Material, das man fast als Kabinettausstellung bündeln könnte.
Der Katalog deckt das Thema umfassend ab, in Wort und Bild – erstklassige Kenner(innen) wie Steffi Röttgen sind mit Beiträgen beteiligt –, selbst die kritische Sicht auf die Italomania wird nicht ausgespart. Der Bildteil schließlich ist eine Fundgrube ersten Ranges. Ein Besuch auch zur Finissage lohnt sich nicht zuletzt wegen des Konzerts, das am 28.11. um 17 Uhr beginnt: »Rosen aus dem Süden oder Sehnsucht nach Italien in Liedern, Klavierstücken und Texten« mit der Mezzosopranistin Györgyi Dombradi und am Klavier Lambert Bumiller.
Der Katalog zur Ausstellung ist leider bereits vergriffen.