Buchrezensionen, Rezensionen

Volker Reinhardt: Geld und Freunde. Wie die Medici die Macht in Florenz eroberten und Susanne Kunz-Saponaro: Michelangelo - Raffael – Bramante. Drei Künstler in der Ewigen Stadt, Audiobooks, WBG Darmstadt 2010

Als packendes Drama in fünf Akten erzählt Volker Reinhardt im ersten Audiobook den Machtkampf der Medici mit Cosimo de Medici als Hauptdarsteller. Susanne Kunz-Saponaro stellt im zweiten Hörbuch drei der berühmtesten Künstler vor, die in Rom lebten und arbeiteten. Neben Biografie und Werk der Künstler werden auch die historischen Bedingungen ihres Schaffens eingehend beschrieben. Walter Kayser hat sich beiden Publikationen gewidmet und war mit dem Ergebnis nicht zufrieden.

Reinhardt | Kunz-Saponaro © Cover WBG Darmstadt
Reinhardt | Kunz-Saponaro © Cover WBG Darmstadt

Das auditorium maximum ist bekanntlich die gute Stube einer jeden alma mater. Dieser Hörsaal ist Festvorträgen, Antrittsvorlesungen, kurzum: den weithin berühmten Koryphäen oder zumindest den sehr nachgefragten Massenveranstaltungen vorbehalten. Wenn nun eine Reihe der „Wissenschaftlichen Buchgesellschaft“ in Darmstadt, die jene seit Jahrzehnten einzigartigen Sammelbände herausgibt, in denen nur die namhaften und sozusagen mit der Weihe des Überzeitlichen geadelten Wissenschaftsbeiträge zu einem Thema versammelt wurden, ihre Audio-CDs „auditorium maximum“ nennt, so müsste das eigentlich programmatisch verstanden werden. Sind hier Glanzstunden der Vortragskunst zu hören? Oder möchte man vielmehr einer Tendenz zur Öffnung der Hochschulen in die breite Masse, zur Senioren- oder Schülerakademie, zum Studium generale entsprechen? - Wohl eher das zweite!

Das offensichtliche versuchte Konzept, dem altehrwürdigen Verlagsprofil ein zeitgemäßes „face-lifting“ angedeihen zu lassen, ist, zumindest im Bereich der Kultur- und Kunstgeschichte, nicht ganz überzeugend gelungen. Obgleich der Verfasser der ersten hier zur Diskussion stehenden CD, Volker Reinhardt, Professor in Freiburg/CH, auf dem Gebiet der italienischen Geschichte namhaft ist, sind seine Ausführungen zum Aufstieg der Medici unter Cosimo il Vecchio enttäuschend. Das liegt nicht so sehr an seinem Manuskript, sondern an der völlig ignorierten Kompatibilität zwischen Manuskript und Medium. Alles wirkt so, als ob dieses Audioprojekt für ihn nicht mehr als ein Nachklatsch gewesen wäre. Ein Abfallprodukt der beiden Bändchen, die er im vergangenen Jahr im Primus-Verlag und 2007 in der lukrativen Paperausgabe „Becksche Reihe“ unter dem Titel „Die Medici, ein Florenz im Zeitalter der Renaissance“ geschrieben hatte. Das scheint die inzwischen üblich gewordene kommerzielle Strategie zu sein, mit einem Nachzügler noch einmal das schnelle Geld abzufischen. Um es auf den entscheidenden Punkt zu bringen: Es ist schon erstaunlich, ja unverständlich, wie man eine Thematik, die so überaus anschaulich ist und so leicht konkretisierbar wäre, derart unanschaulich präsentieren kann. Diese Kritik überrascht gerade bei einem Mann wie Volker Reinhardt, hat er doch oft genug (zuletzt in seiner Biografie über Michelangelo) die Nähe zur Kunstgeschichte gesucht.

Dagegen, dass sich Reinhardt auf die Aufstiegsphase der Medici unter Cosimo „il Vecchio“, wie er später genannt wurde, beschränkt, mithin das entscheidende 15. Jahrhundert der Familiendynastie in den Blick nimmt, ist nichts zu sagen. Im Gegenteil, es hieße das vorgegebene Format überschreiten, wollte man die wechselvollen Zeitläufe von der Einwanderung aus dem Mugello bis hin zum Ende des Großherzogtums 1737 zusammenfassen. Aber die Etappen von den Anfängen des Papstbankiers Giovanni di Bicci de’ Medici über den Aufbau eines überregionalen Netzwerks bis hin zum frühabsolutistischen Staatsoberhaupt einer glanzvollen „gelenkten Republik“ sind gerade unter kunstgeschichtlichen Gesichtspunkten gesäumt von Beispielen großartiger Kunstprojekte. – Nicht eines davon wird erwähnt! Nicht einer der großen Namen dieser Epoche kommt vor: kein Masaccio, kein Brunelleschi, kein Donatello, kein Lippi und kein Botticelli. Und was noch schlimmer ist: Nicht eine einzige Quelle wird auch nur auszugsweise zitiert, welche die Darstellung hätte konkretisieren, auflockern und anschaulich machen können. Stattdessen ergeht sich der Text in italienischen Fachbegriffen (vor allem der Verfassungsgeschichte), die nirgends eingeführt werden und bei denen der Sprecher Martin Falk Mal um Mal an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gelangt. Radebrechend kämpft er sich durch den ihm ganz offensichtlich recht unbekannten Wortsalat. Das lässt dann schon einmal an jenen berühmten Loriot-Sketch denken, wo sich die verzweifelnde Evelyn Hamann als TV-Ansagerin am englischen „th“ einer endlosen Familienserie abmüht.

Dabei hat dieses Thema wirklich alles, was man sich von einer packenden Geschichtsvorlesung erwarten könnte. Eine unglaubliche Aktualität liegt darin, wie Cosimo geschickt Geld in soziale Reputation verwandelt und diese dann mit gerissenem Machtinstinkt und einer Strategie der Unauffälligkeit in politische Macht und Einfluss ummünzt. Machiavellismus pur. Er wusste sich im Spannungsfeld zwischen misstrauischen Mittelschichten und der argwöhnischen Signorie des Patriziats als gesetzestreuer „Republikaner“ und Mäzen mit Blick für das bonum commune darzustellen und dabei rivalisierende Clans wie die Albizzi und ihrer Klientel den schwarzen Peter des aristokratischen Volksverächters zuzuschieben. Insbesondere der verdeckte Kampf um Deutungs- und Darstellungshoheit ist ein bis heute gültiges Lehrstück. (Ein Schelm, wem sich dabei Ähnlichkeiten mit Wladimir Putin und seinesgleichen aufdrängen!) Wie Cosimo, seine Familie und ein Großteil seiner „amici“ für 10 Jahre verbannt werden, wie er seinen Abschied und seinen angeblich verkannten Patriotismus medial inszeniert, wie er sich triumphal zurückkämpft, - das alles könnte man wunderbar packend darstellen. „Exemplum docet“, sagten die alten Lateiner, - eine rhetorische Empfehlung, von der Reinhardt oder die Lektoren des Verlages anscheinend nichts gehört haben.

Ein weiteres Manko: Offensichtlich ist der Text, den der Sprecher Martin Falk zu lesen hat, in viele kurze Abschnitte eingeteilt. Aber statt dass die Zwischenüberschriften im Zwei-Minuten-Takt als Zäsur dienten und dem Leser die Orientierung erleichterten, anstatt sozusagen auf das Kommende mental einzustellen, werden sie vom Sprecher so atemlos an den gerade verklungenen Satz gehängt, dass man sich fühlt, als würde jemand mit der Fernbedienung in der Hand ohne jegliche Ankündigung von Fernsehkanal zu Fernsehkanal zappen.

In ähnlicher Weise, aber in gewisser Hinsicht noch unverzeihlicher, sind die Mängel des Sprechers auf der anderen Audio-CD, die hier zur Diskussion steht. Auch hier tut er, was man von einem gelernten Schauspieler erwarten kann: Er artikuliert klar, laut und deutlich. Dass man aber durchgängig den Namen des Universalgenies Michelangelo mit ch (wie in „der deutsche Michel“) aussprechen kann, - das ist eines wissenschaftlichen Audiobooks schlicht unwürdig!

Freilich, in jeweils einer knappen halben Stunde Bramante, Michelangelo und Raffael (wahrlich ein Dreiklang illustrer Namen!) abzuhandeln und damit zumindest einen Blick auf wesentliche Orte der römischen Hochrenaissance zu werfen, mutet zunächst als ein hoffnungsloses Unterfangen an. Aber genau das gelingt dann doch erstaunlich gut.

Eine Erklärung mag sein, dass die Autorin Susanne Kunz-Saponaro nicht nur promovierte Kunsthistorikern ist, sondern als Wahlitalienerin und Stadtführerin in Rom einen Sinn entwickelt hat für das, was eindrücklich ist und wohl auch nachdrücklich in der Erinnerung ihrer Zuhörer bleibt. Sie beweist den Sinn für das unverzichtbare, sprechende Detail, den Grad an Konkretheit, an den man sich halten muss, damit aus den akustischen Informationen innere Bilder entstehen können.

Im Gegensatz zu der ersten leidet diese Audio-CD allerdings unter einem zuviel an Bildbezug. Es fehlen die Abbildungen eines Booklets, auf das sich die Erläuterungen stets zu beziehen scheinen. Es entsteht eine Art Cicerone für Blinde.

Abgehandelt, oder besser gesagt gestreift werden lauter Kunstwerke von einzigartigem Weltrang: Jedes für sich ist schier unerschöpflich: der so genannte „Tempietto“ des Donato Bramante, jener kleine zentrale Gedenkraum im Innenhof des Franziskaner-Klosters der Kirche San Pietro in Montorio also, der zum Inbegriff der Wohlproportionalität und zum Prototyp seiner Epoche wurde. Die Stanzen des Raffael (- oder sollte man besser aus der Sicht ihrer Entstehung von den Stanzen des Medicipapstes Leo X. sprechen?). Eindrucksvoll wird herausgestellt, inwiefern hier Raffael immer wieder neue Wege bestritt und warum sein Markenzeichen, jenes so Anmutig-Natürliche, eben das Einfache ist, das, frei nach Brecht, so schwer zu machen ist. Geschickt, wie die Autorin mit Verweisen arbeitet, etwa wenn sie das Deckenfresko Michelangelos mit dessen Jüngstem Gericht (ab 1534) in der Capella Sistina vergleicht und nebenbei auf den katastrophalen Aderlass eingeht, den der Sacco di Roma von 1527 darstellte. Sie macht erst gar nicht den Versuch, flächendeckend die Gesamtwerke der Kunstgiganten darzustellen. Stattdessen bindet sie geschickt und in exemplarischer Weise Nebenwerke ein, etwa Michelangelos frühen Kruzifixus für den Konvent von Santo Spirito oder seinen auferstandenen Christus, der heute in S. Maria sopra Minerva zu sehen ist. Entscheidend ist, und darin liegt der Unterschied zu der Audio-CD von Volker Reinhardt, dass sich hier ein zwar lückenhafter, aber in sich doch recht schlüssiger und anregender Vortrag ergibt. Grundsätzlich ist in summa beiden CDs vorzuwerfen, dass sie in keiner Weise das Format treffen, welches man etwa aus der vergleichbaren Reihe „Kunst zum Hören“ des Hatje-Cantz-Verlages kennt.

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