Ausstellungsbesprechungen

Von Schmetterlingen und Donnerdrachen: Insekten in der Gegenwartskunst

Seit jeher haben sich Künstlerinnen und Künstler mit der Erscheinungsvielfalt von Flora und Fauna beschäftigt. Im Zentrum von drei Ausstellungen im süddeutschen Raum steht aktuell die artenreichste Tierklasse: die Insekten. Neben 24 künstlerischen Positionen in Burgrieden-Rot zeigt auch der Vielbeiner-Spezialist Roland Bentz in Karlsruhe und Plochingen neue Arbeiten. Günter Baumann ist für Sie in die Welt der Krabbelviecher abgetaucht.

Mehrere Ausstellungen, die sich zur selben Zeit Insekten als Protagonisten ausgewählt haben, sind schon ungewöhnlich. Andrerseits üben die leicht zu übersehenden Tiere einen großen Reiz aus, der das Thema gewissermaßen virulent macht. Die einen Arten verbreiten Furcht und Schrecken, die anderen gelten als wahre Helden der Natur, manche übernehmen diese und jene Rolle, andere genießen rundum unser Wohlgefallen. Auf der einen Seite steht eine Legion von lästigen Krabbelviechern, die stechen, Krankheiten übertragen usw., auf der anderen Seite glänzen insbesondere die Bienen, die zwar auch mal stechen, aber das kaum ohne Not. Übergreifend stehen die Spinnen mal für eklige Eindringlinge, mal als nützliche Jäger ihrer Artgenossen. Und die Schmetterlinge erfreuen sich purer Beliebtheit.

Nun hat die Tierwelt insgesamt die Künstler von jeher animiert, ihr nachzuspüren, wobei auch die Insekten ins Blickfeld gerieten: Die Ikonologie verfügt über einen ganzen Katalog an Sinndeutungen, das barocke Zeitalter zählt die Insektenwelt zum Vanitas-Schatz. Dass die gegenwärtige Kunst noch intensiver auf die Insekten schaut, hat sicher mit ihrem wachsenden Interesse an Naturkreisläufen und ihren Irritationen zu tun – jüngstes Beispiel ist die aktuelle Documenta, die unter anderem auf die Fauna setzt und die Insekten nicht außer Acht lässt.

Im süddeutschen Raum kann man den kunstvoll ausstaffierten Vielbeinern gleich mehrfach begegnen: in Burgrieden-Rot und Ochsenhausen sowie in Plochingen. Die Ausstellungen sind nicht auf dem nächsten Weg zu erreichen, aber durchaus empfehlenswert. Die Ausstellungsmacher des Museums Villa Rot haben klar erkannt, dass wir uns in der Informationsgesellschaft, die alles auf den Bildschirm holt, aber keine Zeit mehr hat, die Natur als Lebensraum wahrzunehmen, insbesondere der Tierwelt entfremdet haben. Wenn diese auch noch wenig geeignet ist, als »Knut« oder ähnliches vorgeführt zu werden, oder zuweilen kaum sichtbar ihr (Un-)Wesen treibt, dann sind Künstler umso mehr gefragt, die das Bewusstsein schärfen und zeigen: Es gibt ein Leben neben der medialen Existenz. Da die Insekten bekanntermaßen die artenreichste, zäheste und anpassungsfähigste Klasse darstellen, verwundert es nicht, dass die Kunst längst auf sie aufmerksam geworden ist. Während in der Villa Rot und in Kooperation mit dem Museum auch im Schloss Sommershausen (Ochsenhausen) mehrere Positionen zur Betrachtung einladen, präsentiert die »GARP Business Akademie« in Plochingen den Künstler Roland Bentz (geb. 1950), der bevorzugt Schmetterlinge darstellt, die er während seiner Reisen in exotische Regionen dieser Welt – allen voran nach Bhutan – vorgefunden hat.

Im Kontext streifen die Insekten die menschliche Welt: biologische Lebensprozesse kann man sichtbar machen, kulturelle Deutungsschemata werden durchsichtig gemacht, Metamorphosen und Mutationen stehen sinnbildhaft für Veränderungen, auch Zivilisationskritik kann auf Umwegen geübt werden, ganz zu schweigen von unserem Umweltbewusstsein oder dem Einfluss der Umwelt auf das Artensterben und das ökologische Gleichgewicht. Die Künstler, die sich in der Gruppenausstellung über »Jäger und Gejagte« mit all diesen Problemen auseinander setzen, kommen aus Belgien, China, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Österreich, Polen, der Schweiz, Slowenien, den USA – eine weltumspannende Schau, die Fotografien, Zeichnungen, Installationen, Objekte und Video-Arbeiten umfasst.

Die beteiligten Künstler sind Jennifer Angus, Jana Eske, Jan Fabre, Lili Fischer, Tessa Farmer, Kirsten Geisler, Douglas Gordon, Cornelia Hesse-Honegger, Sanna Kannisto, Susanne Kutter, Cyrill Lachauer, Polonca Lovsin, Joanna Maxellon, Katharina Meldner, Bärbel Rothhaar, Günther & Loredana Selichar, Christa Sommerer & Laurent Mignonneau, Lucy Powell, Eva Teppe, Mark Thompson, Evgenija Wassilew, Liao Wenfeng und Anna Werzowa. Drastisch wie im Videofilm von Cyrill Lachauer oder lautstark wie im Biotoö von Evgenija Wassilew geht es zu im Museum, dass sich so mancher pro forma am Hinterkopf kratzen mag ob der wissenschaftlichen Akribie, die etliche Künstler an den Tag legen. Auf jeden Fall wird man sich als Besucher neu positionieren im Verhältnis zwischen Mensch und Insekt. Am bekanntesten ist sicher Jan Fabre, der schillernde Inszenierungen mit Insekten als Schmuckobjekt präsentiert.

Roland Bentz geht das Thema ganz klassisch an. Er steht im Ruf eines Insektenmalers, und wenn man eines seiner bevorzugten Sujets hervorheben will, kann man ihm durchaus einen Stempel als Schmetterlingsmaler aufdrücken – doch daraus eine Kategorie des Sonntagsmalers zu konstruieren oder die Themen selbst als Freizeitklischees abzutun, wäre zu kurz gesprungen. Freilich, die leichte und oftmals humorvolle Art, in der Bentz den zumal auch exotischen Krabbel- und Flugviechern auf die Fühler schaut, könnte einem die Hobbykunst in den Sinn kommen. In einem anderen Licht erscheint die Kunst des experimentierfreudigen Grafikers allerdings, wenn wir ihn in die Tradition von Maria Sibylla Merian (1647–1717) sehen, die unangefochtene Meisterin des Insektenbilds, die nur wenige würdige Nachfolgerinnen und Nachfolger dieses Genres hatte.

Der 1950 in Bietigheim geborene Roland Bentz gehört dazu. In der Technik bricht der Künstler allerdings aus, was den herkömmlichen Zugang angeht. Er verwendet u.a. bhutanesisches Daphnepapier, mischt Sand oder Rinden bei (womit er eine Tradition in der Papierproduktion des kleinen Königreichs aufgreift), färbt das Papier mit Walnuss ein usw. Damit erzielt er hochinteressante Wirkungen, die nicht nur der Exotik huldigen. Immerhin gehört Bentz zu den wichtigsten Experimentatoren des Materialdrucks in der Region. Obendrein zeigt GARP auch eine Auswahl seines Karikaturen-Schaffens. Seine Bhutan-Arbeiten sind übrigens bis zum 8. Juli auch in einer Ausstellung im Naturkundemuseum Karlsruhe vertreten, die sich im fach- und disziplinübergreifenden sowie interaktiven Sinn »Von Schmetterlingen und Donnerdrachen« – so der Titel – anregen lässt und dem im Himalaya-Gebiet liegenden Königreich gewidmet ist.

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