Ausstellungsbesprechungen

Werner Pokorny - Skulpturen und Plastiken, Galerie Schlichtenmaier, Stuttgart, bis 10. September 2011

Abstraktion, Geometrie, Materialbedeutung und die Wiedererkennbarkeit der symbolhaften Gegenstände gehen in Pokornys Arbeiten eine vollkommene Symbiose ein. In der Besinnung auf einen der ältesten Bau- und Gestaltungsstoffe, das Holz – teilweise in Verbindung mit Eisen – wählt Pokorny dazu archetypische Gegenstände, die dem Menschen vordergründig zum Gebrauch dienen, wie Leiter, Pflug, Stuhl, Tisch, Axt, Rad oder Wagen. Günter Baumann hat die Symbolik für Sie entschlüsselt.

Das Rad und die Leiter, im weitesten Sinn auch das Gefäß sind die immer wiederkehrenden Chiffren im Werk von Werner Pokorny – und natürlich das Haus, dem der Bildhauer mit philosophischer Tiefe die Qualität des Seins (oder weniger metaphysisch die einer wesentlichen Kategorie) verleiht. Als Silhouette oder Hohlform, schief aufragend oder liegend, einzeln oder im Gruppenverband, so tritt es mal grob geschnitzt, mal in Stahl gegossen und immer auf die Minimalerfordernisse für das bedacht, was man unter einer geistigen Behausung (als Schutz, Vergesellschaftung usw.) fassen kann. Dass es weniger um einen Minimalismus oder gar einen architektonischen Pragmatismus als um hintergründigen Existenzialismus geht, erkennt man nicht zuletzt an der Verweigerung geometrischer Zuverlässigkeit und an der relativen Nutz-Losigkeit. Pokorny strebt keine Symmetrie an und sucht auch nicht nach einer idealen Balance – das Leben gibt beides wohl nicht her: »Das Quadrat ist kein Quadrat«, schreibt Harry Schlichtenmaier im kleinen Galeriekatalog zur Stuttgarter Ausstellung, »das Rechteck kein Rechteck und der Kreis kein Kreis, die Linien der Balken sind gebogen und gekrümmt, die Enden der Geometrie passen nicht aufeinander, so dass eine vollkommene Vollendung der Form kein gangbarer Weg ist.«

Das Leben verläuft nicht immer gradlinig. Andrerseits klagt der Bildhauer damit kein Defizit des Menschen ein, im Gegenteil: was ihn künstlerisch reizt, ist das einer Quadratur des Kreises nahekommende Paradox der Vollendung in der fundamentalen Unstimmigkeit. Seine bis an archaische Urformen heranreichenden, extrem abstrahierten Arbeiten machen das Wesen des rätselhaften wie faszinierenden Menschen sichtbar; sie haben – auch wenn dies in den Titeln anklingt – weniger mit Architektur zu tun. Einmal strotzen seine Hohlformen aus Holz vor innerer Ruhe, ein andermal schwingen sich seine Cortenstahl-Objekte zu einer unbändigen Spannung auf – und der Betrachter steht staunend davor und grübelt über die technische Brillanz, die hinter den überlebensgroßen ausgehöhlten Stämmen oder den kaum durch sichtbare Nahtstellen hinterfragbaren Eisenkonstruktionen steht. Kaum ein Bildhauer beherrscht sein Material so sicher wie Pokorny.

Gibt es in der Stuttgarter Galerie Schlichtenmaier eine kleine Werkschau zu sehen, die auch wunderbare Maquetten zeigt (ein Zeichen dafür, dass der Bildhauer die Klaviatur der Monumental-, der Großplastik und auch der Kleinplastik bedient), präsentiert das Museum Biedermann neuere Arbeiten im bewussten Vergleich zu älteren Werken und im Verein mit anderen plastischen Positionen: des Briten David Nash, des Südkoreaners Jinmo Kang und des Mongolen Unen Enkh, die mit Ausnahme von Nash in Deutschland leben und arbeiten. Gemeinsam ist allen die Suche nach dem Ursprung des plastischen Gestaltens und letztlich dem Wesen der menschlichen Existenz, wobei Kang im Vergleich zu seinen Kollegen fast schon modernistisch erscheint in seiner Nähe zum gegenwärtig beliebten Kitsch (Reh, Geweih) und zur lapidaren Selbstreflexion (Spiegelung) – seine spektakulären Granitarbeiten fügen sich jedoch bestens in das thematische Umfeld ein. Pokorny, Nash und Enkh setzen mehr auf Archaik: »Back to the Roots«, Wurzeln übrigens, die oftmals verkohlt (Nash, Pokorny) oder filigran durch Draht und Rosshaar (Enkh) durchwirkt sind und damit auf verwundbarem oder fragilem Boden stehen. Nash entwickelt dabei eine düstere Stimmung, gegen die sich Pokorny insofern wappnet, als er formalen Aspekten mehr Spielraum lässt – ohnehin suggeriert er mit seinen hohlen Körpern und dynamischen Stahlschwüngen eine Leichtigkeit, die der ältere Kollege selten anstrebt: etwa in seinem »Branch Cub«, der schon im direkten Dialog mit Pokornys »Offenem Quadrat« steht. Die gegenseitige Wertschätzung wird hier offensichtlich.

Noch leichter als dessen Plastiken erscheinen jedoch die Drahtgebilde von Unen Enkh, die mit aufgelegtem Filz oder eingespanntem Haar eine hochsensible Flüchtigkeit übermitteln (und traditionelle Motive aus dem mongolischen Kulturraum aufnehmen), denen gegenüber die Plastiken von Pokorny wiederum an Bodenständigkeit gewinnen. So wandeln sich die jeweiligen Werke im Zusammenspiel mit den anderen, dass der Betrachter mit der Wahrnehmung zwanglos dazu angehalten wird, über das Spannungsfeld von Natur und Kunst, von Werden und Vergehen nachzudenken und sich dem Spielerischen im Schaffen der verschiedenen Positionen hinzugeben. Der ausgezeichnete Katalog zur Ausstellung im Museum Biedermann zeigt die Werkbeispiele im räumlichen Kontext, was auch die »Nachlese« zum Genuss macht.

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