Ausstellungsbesprechungen

Wilhelm Dachauer - meisterhafte Zeichnungen, Studien & Gemälde - Museum Innviertler Volkskundehaus bis 14. September

Philatelisten kennen ihn als berühmten Briefmarkenmaler, seine Bildwerke sind heute aber nur noch wenigen bekannt. Dem österreichischen Künstler Wilhelm Dachauer (1881-1951) ist nun eine Ausstellung im Innviertler Volkskundehaus in Ried im Innkreis in Oberösterreich gewidmet. Anstatt mit Worten wird die komplizierte Vergangenheit des Künstlers mit Werken thematisiert. Denn: Dachauer war auch Mitglied der NSDAP und verwies als Akademieprofessor etwa die Malerin Maria Lassnig seiner Klasse. Andreas Maurer war für das PortalKunstgeschichte vor Ort.

Wilhelm Dachauer: Der Frühling © Museum Innviertler Volkskundehaus Wilhelm Dachauer: Die Riesen © Museum Innviertler Volkskundehaus Wilhelm Dachauer: Blumenpflückerin © Museum Innviertler Volkskundehaus Wilhelm Dachauer: Selbstporträt © Museum Innviertler Volkskundehaus
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 Die Rieder Ausstellung mit Zeichnungen, Studien, Ölskizzen und Gemälden Wilhelm Dachauers wirft einmal mehr die Gretchen-Frage der Kunstgeschichte auf: dürfen Biografie und Werk eines Künstlers getrennt voneinander betrachtet werden?
Denn: Nur wenige Texte erklären die rund 160 ausgestellten Arbeiten die sich auf zwei Etagen des Innviertler Volkskundehauses ausbreiten. Die Bilder sprechen für sich. Dachauers Biografie folgend, bewegt sich die Schau von frühen Zeichnungen und Aktstudien über die Symbolistische Phase des Künstlers (darunter das Gemälde »Die Riesen«) hin zu Dachauers starkem Realismus. Besonders spannend: einige Werkreihen - zusammengesetzt aus Leihgaben aus Privatbesitz und aus der Sammlung des Museums Innviertler Volkskundehaus - lassen den künstlerischen Schaffensprozess von der Zeichnung über die Ölskizze bis zum fertigen Bild nachempfinden.
Die Themen der meisten Bilder: ländliche Idylle. Bereit 1913 tritt Dachauer erstmals mit solchen Gemälden in der Wiener Secession an die Öffentlichkeit, 1923 wird er Mitglied der neugegründeten Innviertler Künstlergilde (der auch Alfred Kubin angehört). Das Innviertel, die Felder und die schaffende Landbevölkerung gehören zu seinen bevorzugten Sujets. Bald lässt er den »Secessionismus mit Heimatstil« aber hinter sich und wendet sich dem Realismus zu. Die Inhalte bleiben jedoch die gleichen: romantisierte Bäuerlichkeit, Verherrlichung des Landlebens, die Frau als Hausfrau und Mutter - die Heldenmutter. Sujets die gut zur NS-Kunstauffassung, zur Blut-und-Boden-Ideologie passen (z.B. das Gemälde »Die Fruchtbarkeit« - die Frau als Mutter, blond, tatkräftig, umringt von einer Schar Kinder wird monumental ins Bild gesetzt). Dennoch: Das in der Ausstellung gezeigte Gemälde »Erde und Bauer«, welches typisch für die Denkweise der Nationalsozialisten scheint, stammt bereit von 1923.
Parallel zu seinen Malwerken wird Dachauer - eher unbewusst - einem breiteren Publikum bekannt: Er gestaltet mehrere österreichische Briefmarkenausgaben, darunter die Nibelungensage-Serie (1926) die in Philadelphia als »schönste Briefmarke der Welt« ausgezeichnet wird.
Vom Innviertel wird Dachauer schließlich zurück nach Wien, an die Akademie der bildenden Künste berufen. Nicht ohne Gegenstimmen. Der Architekt und Bühnenbildner Clemens Holzmeister tritt entschieden gegen den »neuen« Professor auf. Er stößt sich vor allem an Dachauers Tradition verhafteter Kunst und dessen politisch nationaler Einstellung. Er sollte recht behalten: Während des Zweiten Weltkrieges beginnt Maria Lassnig an der Akademie in Dachauers Klasse zu studieren. Der Professor hat für die expressiven Arbeiten der jungen Malerin nichts übrig: »Sie malen ja ganz entartet«, soll Dachauer gesagt haben, Lassnig wechselte daraufhin die Klasse.
1944 soll Dachauers NS-Karriere ihren Höhepunkt erreichen - das Gemälde »Und aus den Opfern des Krieges entsteht das neue Europa« wird von höchster Stelle in Auftrag gegeben. Hitler will es Mussolini zum Geschenk machen. Das Werk wird in München ausgestellt und von der Reichskanzlei angekauft. Das Ende des Krieges macht dem Geschäft aber einen Strich durch die Rechnung. Das Bild ist heute verschollen. In der Rieder Ausstellung sind die Ölskizze und die Lithografie des fertigen Werkes zu sehen. Vor allem die Vorstudie samt Hakenkreuz und Faszienbündel greift deutlich auf Elemente des damals verpönten Jugendstils zurück. Beide - Skizze und Lithografie - sind an der Wand des Treppenaufgangs des Museums gehängt worden. Die NS-Zeit Dachauers kann so vielleicht als Übergang, als Durchgang in der Biografie des Künstlers gelesen werden.
Nach Kriegsende wird Wilhelm Dachauer seines Lehramtes an der Akademie enthoben. Ein Jahr später wird er zwar im Zuge des NS-Registrierungsverfahrens als »minderbelastete Person« rehabilitiert, sein Ruf ist aber nachhaltig zerstört.
In den folgenden Jahren entstehen noch Porträtaufträge, Entwürfe für Banknoten und Briefmarken. Große Gemälde bilden aber die Ausnahme. Darunter sei vor allem der »Narrenzug« erwähnt, in dem Dachauer die Vergangenheit künstlerisch verarbeitet: die Gerechtigkeit sitzt mit verbundenen Augen auf einer Trage, allegorische Figuren tragen sie durch die Stadt. 1951 stirbt Dachauer an Speiseröhrenkrebs. Auf dem Wiener Zentralfriedhof wird ihm ein Ehrengrab zuteil.

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