Buchrezensionen

Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen (Hrsg.): Abstract Art Now – Bücher gegen eine vergessene Kunst

Dank des schon nicht mehr neuen Malerei-Booms hat sich die Kunst massiv ins gegenständliche Lager begeben, was manche Kritiker schon wieder nervös werden ließ. Doch natürlich hat es weder je einen Tod der figurativen oder überhaupt einer Malerei gegeben, wie es auch in Zukunft keinen Verlust des Ungegenständlichen in der Kunst zu beklagen geben wird.

Glücklicherweise ist Raum für Vieles, und schaden kann es auch nicht, zwischendurch die Hand auf die Schulter selbsternannter Totengräber zu legen. Zur feierlichen Neu-Inthronisierung der abstrakten Kunst hat das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen im Jahr 2006 eine Doppelausstellung veranstaltet, die zum einen die geometrische, zum anderen die expressive Seite der Abstraktion beleuchtete. Begleitend sind zwei Bücher erschienen, die die aktuellen Tendenzen in einem beachtlichen Überblick vorstellen.

Was die geometrische Sparte angeht, zeigen Ausstellung wie Katalog, dass die meist jungen Künstler zwar auf die Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts und auf die Konkrete Kunst zurückgreifen, aber sich nicht mit Manifesten aufhalten oder sich ideologisch festlegen wollen. Unter den Malern treten John Nixon, Jens Wolf, Michael Schmeichels, John Armleder, Gabriele Langendorf, Torben Giehler und Stephan Jung auf. Die Computeranimation hat in Manfred Mohr den zur Zeit wohl besten Mann im Rennen. Haluk Akakce steht für die Videokunst. Eine spannende Abteilung bietet die Rauminstallation mit Angela Bulloch, Won Ju Lim, Jim Lambie, Michael Reiter, Alice Cattaneo und Liam Gillicks. Florian Baudrexel, Florian Morlat, Dieter Balzer, Courtney Smith und Vincent Tavenna zeigen Reliefs und Skulpturen, David Moreno und Todd Eberle ergänzen das Gesamtbild mit ihren Fotografien. Herausragend sind die auf Holzrahmen inszenierten Pappobjekte von Florian Baudrexel, die in ihrer Vielschichtigkeit (auch der Titel: »A Horse with no Name«) auf Dada einerseits und Tatlin andererseits bis hin zu Stella verweisen, die zauberhaft-surrealen Rauminstallationen von Alice Cattaneo sowie die Farbphantasien von Stephan Jung und Jim Lambie, dazu die hinreißenden Lichtarchitekturen von Won Ju Lim. Der begleitende Katalogband arbeitet kenntnisreich über knappe Essays auf den Bildteil hin, der in einer geschickten Balance Biografie, Interpretationsansatz und Bildstrecke vereint.

Freilich erschöpft sich die Kunst nicht in der Geometrie, abstrakt heißt von jeher auch das gegenstandsfreie Experiment mit organischen, freien und fließenden Formen. So bunt diese Palette der Möglichkeiten, so vielseitig ist die Künstlerliste: Anton Henning, Ab van Hanegem, Markus Weggemann, Marianne Rinderknecht, Erik Parker, Tomas Vu, Wolfgang Tillmans, SJ Simpson, John von Bergen, Robert Seidel, Markus Ohlen, Thomas Rentmeister, Robert Acuna, Gerwald Rockenschaub, Tim White-Sobieskik Peter Zimmermann, Thomas Ruff, Martijn Schuppers, Juan Uslé, Olaf Quantius, Reto Boller, Martin Boyce, Rainer Splitt. In gleicher bewährter Weise wie im Fall der geometrischen Kunst weckt auch dieser Katalogband das Interesse für die zahlreichen, ja unendlich vielen Facetten der Abstraktion, die hier wie die Erbschaft des Konstruktivismus kaum annähernd erfasst werden können. Wunderbar sind die filigran zwischen Raumzeichnung und Übermalung changierenden Bilder von Tomas Vu, die kosmisch berauschenden Licht-Farbe-Arbeiten Wolfgang Tillmans, die ins Fotorealistische schwenkenden Bleistiftzeichnungen von John von Bergen, die den Experimentalfilmen von Robert Seidel sehr ähnlich sind.

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