Kataloge, Rezensionen

Wolfgang Neumann: Viva Navi Naiv, Verlag Die Neue Sachlichkeit 2011

Wolfgang Neuamnn vermittelt in seinen Werken souverän zwischen Ulk und Alptraum, zwischen modischen und kafkaesken Welten. Sein Sprachwitz in Bild und Untertitel hat Günter Baumann außerordentlich amüsiert.

Die Protagonisten, die Wolfgang Neumann über seine Leinwand jagt, agieren, als seien sie dem Geist Italo Calvinos entsprungen: Nur suchen da keine Personen ihren Autor, vielmehr treffen sich da die vermeintlichen und fingierten VIPs und die tatsächlichen und verkappten No-Names in Acryl oder Tusche aufeinander und wissen nicht, wie ihnen geschehen ist und wie sie sich zu verhalten haben. Der Urheber macht sich einen Spaß daraus und überlässt sie sich selbst. In »Run Rotkappe Run« drapiert er etwa ein Verkehrsschild an den Wegrand, auf dem die Tempobegrenzung mit dem Schriftzug »GO« überschrieben ist.Das offenbar der Kindheit entwachsene Rotkäppchen rennt im entlaubten (Märchen?-)Wald schnurstracks eine Straße entlang, an einer auf rot stehenden, nicht mehr ganz geraden Ampel vorbei ins perspektivische Nichts einer kafkaesken Verengung.Hinter der Rotkappe prangt ein Exkrementhaufen auf dem Boden, dessen lichte Qualmschwaden sich zu einem Fragezeichen kringeln.

Der 1977 geborene Wolfgang Neumann gehört zur jungen Generation der tabulosen, rotzfrechen Realisten, die sich munter der Medien, dem Comic, der Kunstgeschichte und der Werbung bedienen und Erzählungen anstoßen, die sie nicht mehr unter Kontrolle haben, besser gesagt: die sie der Fantasie der Betrachter anheimstellen. Der nun wieder weiß nicht – genauso wenig wie die Figuren im Bild – ob diese Figuren in einer komischen oder tragischen Rolle auftreten. Es mag durchaus sein, dass Neumann nach der Maxime arbeitet, in dieser Welt, in der der blanke Wahnsinn regiert (man könnte auch sagen: irre gewordene Banker oder das Kapital selbst oder die Informationsdatenflut oder gar niemand), helfe nur noch der Sarkasmus zum Überleben. Es mag auch sein, dass er in doppeltem Sinne freudvoll der Fantasie an die Macht verhilft, um zu zeigen, dass alles doch gar nicht so schlimm ist, wie es erscheint. Wie auch immer, Neumann wirft Handlungsstränge aus, die sich rasant und knallfarbig verheddern, sich verselbständigen.

In »Sketchup Messdestruction« tritt Barack Obama vor ein Comic- und Spielfiguren-Publikum (eine Verwandte von Mickey Mouse wendet sich mit einem Sprechblasen-»oje« ab, während ein Playmobil-Männchen missmutig zum Redner hin gestikuliert), ein kopf-, wenn auch nicht hirnloser Mensch hebt drohend einen Schuh in die Höhe (ein Schelm, wer Böses dabei denkt), und ausgerechnet Goebbels lacht sich, aus dem Bild tretend, ins Fäustchen: Hat er dem amerikanischen Präsidenten das Häufchen auf dem Kopf verpasst? Entwarnung kann allenfalls insofern gegeben werden, als es sich der Farbe und einer ins Bild gereichten Flasche nach um Ketschup handelt. Die ungezügelten Titel geben das ihre bei, was lustvoll in die Irre oder eben zu einer Art doppeldeutigen Wahrheit hinführt: »Surpression«, »Papst Insolvenz XXL«, »Re:Re:Aktionär« usw., alles »Im gelben Bereich«, will sagen, warum eigentlich immer grün, und überhaupt: Das Leben steht eher auf der Kippe – halb auf Albtraum, halb auf Showbühne –, also auf Gelb…

Der kunterbunt gefüllte Katalog, der gegen Ende der Kornwestheimer Ausstellung »Viva Navi Naiv« erschienen ist und nun eine Schau bei Egbert Baqué Contemporary Art in Berlin begleitet, die noch bis 23. Dezember 2011 zu sehen ist, ist eine Publikation des sehr jungen Verlags Die Neue Sachlichkeit, der erst vor kurzem den renommierten Designpreis red dot design award 2011 für den Titel »Bundesrasenschau« erhalten hat und sich wacker gegen die große Konkurrenz behauptet – mit einer grandiosen Bildqualität, einer aufgeweckten Typografie und einer flotten Gestaltung. »Viva Navi Naiv« mit Arbeiten des Güdemann-Schülers Wolfgang Neumann, der schon längst kein Geheimtipp mehr ist, fügt sich bildgewaltig in den Programmschwerpunkt mit Blick auf junge Kunstentwicklungen ein.

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