Für die Moderne ist die Verehrung von Kulturheroen als Gründer nationaler Kulturen ein zentrales Phänomen. So ist neben den alten historischen und mythologischen Heldenfiguren ein neues Symbol der kollektiven Identität – der Kulturheros entstanden, dessen Genese sich bis zu antiken Herosfiguren zurückverfolgen lässt und dessen Nachleben sich bis heute beispielsweise im postsowjetischen Kulturraum abzeichnet. Der Workshop soll genutzt werden, um funktionelle Differenzen und Verschiebungen am Beispiel unterschiedlicher Konstellationen aus verschiedenen nationalen Kulturen und Epochen zu diskutieren und die Figur des 'Kulturheros' in ihren strukturellen Spezifika präziser fassen zu können.
Der Kulturheros hat besonders großes Gewicht in der Sowjetunion erlangt. Seit den 1930er Jahren wurden dort in Analogie zum Kult des politischen Führers kulturelle Stifterfiguren installiert, die vor allem als Instrument zur Schaffung ideologisch determinierter nationaler Narrative dienten (Aleksandr Puškin, Šota Rustaveli, Taras Ševčenko u.a.). Dabei handelte es sich in der Regel nicht um lebende Personen, sondern um Tote (in den meisten Fällen Dichter), die zu Wächtern über die kulturelle Identität erhoben wurden. Eine Analyse dieser von staatlicher Hand eingesetzten und politisch instrumentalisierten sowjetischen \'Kulturheroen\' lenkt den Blick auf die Frage nach den Spezifika der Figur des \'Kulturheros\' zwischen Kult, Kultur und Politik.
Im Workshop sollen Antworten auf folgende Fragen gefunden werden: Wie kann die Genese aus antiken Figuren – einerseits aus dem Heros im Kult und, andererseits, aus dem antiken Kulturheros -- erklärt werden? Welche Funktion hat die Verlagerung des "Heros" aus dem Feld der Macht (etwa des Nationalheros) ins Feld der Kultur? Wird dadurch das Politische verharmlost und die Kultur im Gegenzug politisch instrumentalisiert? Wie funktioniert die "Verschiebung" des Heros ins Feld der Macht in unterschiedlichen Epochen und kulturellen Konstellationen (Wilhelminisches Deutschland, Nazideutschland, Russland, Sowjetunion vs. verschiedene Sowjetrepubliken)?
Freitag, 26.2.2010
11.00 Eröffnung
HEROS ZWISCHEN KULT UND KULTUR
11.30-13.30
- Giorgi Maisuradze (ZfL): Transformation des Heroischen: Vom antiken Heros zum "Kulturheros" der Moderne
- Martin Treml (ZfL): Von der Arbeit zum Wissen. Das Nachleben des antiken Heros am Beispiel des Herakles und des Ödipus
15.00-16.00
- Thomas Macho (HU): Prometheus (Luigi Nono)
KULTURHEROEN UND NATIONALE GRÜNDUNGSMYTHEN
16.30-18.30
- Stefan Willer (ZfL): „So feyert ihn!“ Zur Heroisierung Friedrich Schillers 1805-2009
- Erik Porath (ZfL): Künstler, Philosoph, "Genius der Gattung": Friedrich Nietzsches Ästhetik der Produktion
19.00
- Lars Karl (HU): Imam Shamil\' als Erinnerungsfigur und ikonografischer Topos: Narrative und Gegen-Narrative im Spannungsfeld der imperialen Peripherie (1880-1991)
Samstag, 27.2.2010
DER SOWJETISCHE KULTURHEROS
11.30-13.30
- Zaal Andronikashvili (ZfL): Der sowjetische Kulturheros
- Oksana Bulgakowa (Mainz): Zur historischen, phantastischen und alltagsbezogenen Projektion eines Kulturheros im sowjetischen Film
15.00
- Jurij Murašov (Konstanz): Džambul Džabaev und die Mythopoetik des sozialistischen Realismus
- Jenny Alwart (Leipzig): Heroisierungen von Taras Ševčenko in den Jubiläumsjahren 1961 und 1964: Kulturpolitik und Opposition